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Talent Management im Bundesministerium für Finanzen

Wie kann Human Resources Führungskräfte optimal dabei unterstützen, individuelle Entwicklungsschritte von MitarbeiterInnen bestmöglich zu fördern? In welcher Weise können hier strategische Überlegungen und eine strategische Personalplanung einfließen? Wie können wir in einer 11.200 MitarbeiterInnen-Organisation ein Talent Management Konzept entwickeln und implementieren? Das sind Fragestellungen, die uns in der österreichischen Finanzverwaltung seit geraumer Zeit beschäftigt haben.

Das Bundesministerium für Finanzen (BMF) hat österreichweit aktuell rund 11.200 MitarbeiterInnen und nimmt im Rahmen der österreichischen Bundesverwaltung schon auf Grund seiner Aufgaben – der Budget- und Steuerpolitik, der Wirtschafts- und Strukturpolitik, das Zollwesen und der Informations- und Kommunikationstechnologie – eine zentrale Stellung ein. Durch das breite Leistungsspektrum ergeben sich eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Einsatzfelder mit jeweils spezifischen Anforderungen und Herausforderungen.

Dadurch bietet das BMF als Arbeitgeber im Prinzip auch mannigfaltige Entwicklungsmöglichkeiten für engagierte MitarbeiterInnen. Umso überraschender ist der Umstand, dass in den regelmäßig durchgeführten organisationsweiten MitarbeiterInnenbefragungen zum Ausdruck kommt, dass seitens der MitarbeiterInnen in nur geringem Ausmaß Entwicklungsmöglichkeiten tatsächlich gesehen werden. Der Blick über den eigenen Wirkungsbereich hinweg ist schwierig – auch fehlten bisweilen transparente Informationen.

Die Folge ist, dass die Mobilitätsbereitschaft innerhalb des Ressorts deutlich stärker ausgeprägt sein könnte. Diese relative Starrheit im Personaleinsatz wird durch die grundsätzlich herausfordernde Personalsituation verstärkt, die sich durch Aufnahmestopps und durch eine laufende Reduktion des Personalstandes bei gleichzeitiger Erhöhung der Anforderungen an die Leistungserbringung kennzeichnet.

Das Ergebnis: ein Durchschnittsalter von 47,6 Jahren gepaart mit ausgeprägten Alterskohorten, die auf Grund der Pensionierung der „Babyboomer-Generation“ regelrechte Pensionierungswellen  in den kommenden Jahren erwarten lassen. Diese internen Rahmenbedingungen werden durch sich veränderte Erwartungshaltungen am Arbeitsmarkt ergänzt. Gespräche mit potenziellen BewerberInnen z.B. im Rahmen von Berufsmessen machen eines klar: es geht qualifizierten KandidatInnen nicht nur um einen attraktiven Einstiegsjob, sondern vermehrt auch um ein Bekenntnis des Arbeitgebers zur Förderung der persönlichen, beruflichen Entwicklung. Ein Arbeitgeber, auch im öffentlichen Bereich, der die Zeichen der Zeit nicht erkennt, steht bald auf verlorenem Posten im Wettbewerb um eine potenzialstarke Belegschaft.

Die Initiative „Talent Management“

Das BMF ist eine ExpertInnenorganisation – das Wissen und die Erfahrungen der MitarbeiterInnen sind unmittelbar erfolgsentscheidend. Dennoch ist auch hier die (Kamin-)Karriere in Richtung einer Führungsposition der „Klassiker“. Eine sichtbare, dokumentierte Entwicklung im fachlichen Bereich (z.B. in Form von Laufbahnstufen) gab es nicht. Die möglichen Gefahren sind PersonalistInnen hinlänglich bekannt: ausgewiesene Fachleute werden möglicherweise in Führungsfunktionen gedrängt um „Karriere zu machen“ und finden sich mit neuen Aufgaben und Anforderungen konfrontiert, die sie nicht wahrnehmen oder erfüllen können bzw. wollen.

So wurde im BMF bereits 2011 in der internen Personalentwicklungsabteilung begonnen, sich im Rahmen des Talent Managements zunächst mit dem Thema Fachkarrieren zu beschäftigen. Neben der Zielsetzung, transparente und nachvollziehbare Laufbahnen in den unterschiedlichen fachlichen Bereichen der Organisation zu entwickeln, wurden damit die Zielsetzungen verfolgt, Mobilität verbindlicher zu gestalten und zu fördern, das Bildungsprogramm gezielter an die Bedarfe der Organisation sowie der MitarbeiterInnen auszurichten und nicht zuletzt auf Basis der Berufsbilder ein Instrument für die strategische Personalplanung zu entwickeln.

Eines war von Beginn an klar: Talent Management soll kein „Eliteprogramm“ für Einzelne darstellen sondern ein Instrument für all Jene werden, die ihre berufliche Entwicklung aktiv in die Hand nehmen möchten – ein Instrument für Führungskräfte und MitarbeiterInnen gleichermaßen.

Talent Management als Standortpositionierung und Navi

Im Sinne der beschriebenen Zielsetzungen dient das Konzept Talent Management im BMF zunächst zur beruflichen Standortpositionierung für jeden Einzelnen. Das persönliche Berufsbild und die Laufbahnstufe bilden eine berufliche Heimat und machen die erwarteten Tätigkeiten und Anforderungen transparent.

Des Weiteren bietet die Berufsbildsystematik für alle, die sich weiterentwickeln wollen eine Art Navi, eine Landkarte, um sich zielgerichtet auf einen nächsten Karriereschritt vorzubereiten. Natürlich besteht dafür keinerlei Zwang – andererseits jedoch auch keine Garantie auf eine spezifische Entwicklung.

Das MitarbeiterInnengespräch als Dreh- und Angelpunkt

Wichtig war, das Konzept soweit wie möglich in bestehende Prozesse und Instrumente zu integrieren, um den Mehraufwand für Führungskräfte und MitarbeiterInnen minimal zu halten. Alles andere hätte ein Akzeptanzproblem mit sich gebracht.

Dies bedeutete im BMF die strukturierte Verankerung des Themas im MitarbeiterInnengespräch (in dem grundsätzlich immer schon die berufliche Entwicklung thematisiert werden hätte müssen). Die Zuordnung jedes Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin zum Berufsbild und zur Laufbahnstufe erfolgt zwischen MitarbeiterIn und Führungskraft im Dialog. Sowohl MitarbeiterIn als auch Führungskraft bereiten sich auf dieses Gespräch vor, um neben dem gegenseitigen Feedback, der Leistungseinschätzung und –vereinbarung für das kommende Jahr auch die berufliche Entwicklung zu besprechen.

Im Zuge der Erstzuordnung wird analysiert, welches Berufsbild am besten mit den Hauptaufgaben des Arbeitsplatzes und den zentralen Tätigkeiten übereinstimmt. Es wird so das für jeden Mitarbeiter oder jede Mitarbeiterin passendste Berufsbild ausgewählt. In einem weiteren Schritt wird auf Basis der für das Berufsbild beschriebenen Voraussetzungen und Fähigkeiten und Kenntnisse die Zuordnung zur jeweiligen passendsten Laufbahnstufe vorgenommen. Sollte eine für die Laufbahnstufe beschriebene Anforderung nicht erfüllt sein, ist dies bereits ein Ansatzpunkt für eine konkrete Entwicklungsmaßnahme. Die Praxis von bislang tausender Zuordnungen im Zuge des Rollouts zeigt, dass dies so gut wie immer ein übereinstimmendes Bild zwischen Führungskräften und MitarbeiterInnen ergibt. Nach Abstimmung in der Dienstbehörde werden die Zuordnungen der MitarbeiterInnen zu den Berufsbildern und Laufbahnstufen im SAP abgelegt.

Als zusätzliches wichtiges Element im Konzept wurden die bestehenden Bildungsangebote (sowohl BMF intern als auch auf Bundesebene) mit den Berufsbildern und Laufbahnstufen verschränkt. So ist es auf Knopfdruck möglich, Vorschläge für konkrete Bildungsmaßnahmen auf Basis der persönlichen Zuordnung zu einer Laufbahnstufe zu erhalten. In einem ersten Schritt ist dafür eine Excel-Datei entwickelt worden, die im Intranet für alle zugänglich ist. Nach Auswahl des eigenen Berufsbildes sowie der Laufbahnstufe zeigt diese passende Bildungsangebote an.

Spezifische Entwicklungsmaßnahmen im Rahmen des Talent Managements

Wie bisher bildet die persönliche Berufserfahrung, die Erfüllung von herausfordernden Zielen und der damit verbundene Erwerb von Kompetenzen die Grundlage für eine erfolgreiche berufliche Entwicklung. Ergänzend dazu werden im Rahmen der Implementierung des Talent Managements folgende Maßnahmen aktiv gefördert:

  • Mobilitätsmaßnahmen: temporäre Rotationen (intern sowie zu anderen öffentlichen Einrichtungen bzw. zu Unternehmen der Privatwirtschaft)
  • Einsatz eines Potenzialanalyseinstruments zur Analyse persönlicher Stärken und Entwicklungsfelder zur Abklärung passender Entwicklungsmöglichkeiten
  • Nominierungen zu internen Förder- und Entwicklungsprogrammen (z.B. für angehende Führungskräfte)
  • Spezifische Bildungsmaßnahmen

Neben dem bilateralen MitarbeiterInnengespräch bietet ein darauffolgendes Führungskräftemeeting zum Thema „Talent Management“ im Anschluss an die MAG-Runde die Möglichkeit, innerhalb des Führungsteams einzelne MitarbeiterInnen mit hohem Potenzial und Karrierewünschen zu besprechen und spezifische Entwicklungsmaßnahmen unmittelbar in der Dienstbehörde abzustimmen. Die Durchführung dieses klar strukturierten Führungskräftemeetings „Talent Management“, die von professionellen internen ModeratorInnen aus dem Personalbereich im Sinn einer Personalentwicklungskonferenz moderiert werden, bedeutet einen spürbaren Change in der Führungskultur und machen gerade auch für das Top-Management den Nutzen des Konzepts erkennbar.

Konzeptentwicklung und Implementierung

Man erkannte im BMF bereits früh die Bedeutung, sich mit den Themen Kompetenzentwicklung und Talent Management zu beschäftigen. Nach dem „go“ und der Verankerung in der Strategie des Ressorts wurde 2011 eine sektionsübergreifende, kleine aber umsetzungsstarke Projektgruppe unter der Leitung der Personalentwicklung gebildet. Deloitte Human Capital, die das BMF bereits seit Jahren in Fragen der Weiterentwicklung des HR-Managements unterstützen, begleiten die Projektgruppe als Sparring Partner.

Erste Zielsetzung war die Erarbeitung der einzelnen Berufsbilder. Im Rahmen von Workshops mit KollegInnen aus fast allen unterschiedlichen Bereichen des Ressorts wurden die vielfältigen Tätigkeitsfelder des Ressorts schrittweise zu den sechs Berufsbildern aggregiert und im Detail beschrieben.

Jedes Berufsbild lässt sich durch folgende Elemente charakterisieren:

  • eine strategischen Zielsetzung
  • klar definierte Hauptaufgaben
  • eine Unterteilung in Laufbahnstufen
  • fachunabhängige Anforderungen
  • inklusive Ausprägungsstufen
  • typische besoldungsrechtliche Bandbreiten

In einem zweiten Schritt wurden dann mögliche berufliche Entwicklungsstufen innerhalb jedes Berufsbildes definiert und von einander abgegrenzt. Dabei bildeten die vorhandenen Arbeitsplatzbeschreibungen die zentrale Grundlage.
In weiterer Folge wurden die zahlreichen Schnittstellen mit weiteren personalwirtschaftlichen Funktionen untersucht und priorisiert. Dabei wurde klar, dass das Konzept Talent Management kein zusätzliches Einzelprojekt ist, sondern vielmehr eine Klammer, die viele bestehende Prozesse und Instrumente verbindet – und auch auf deren Konsistenz zueinander prüft.

Im Jahr 2012/2013 überprüften wir das Konzept im Rahmen einer Pilotierung in einzelnen Bereichen der Organisation unter rund 750 KollegInnen. Die darauffolgende Evaluierung ergab, dass die Berufsbilder den Praxistest sehr positiv stand gehalten haben und dass trotz anfänglicher Skepsis und punktuellem Widerstand im Besonderen nach der Personalentwicklungskonferenz ein klarer Nutzen erkennbar wurde.

Auf Grundlage der positiven Evaluierung entschied man sich, das Konzept schrittweise über drei Jahre ab 2013/2014 in allen Bereichen der Organisation einzuführen. Nunmehr, nach Abschluss der ersten Ausrollungswelle unter rund 4.000 MitarbeiterInnen kann man sagen, dass das Konzept in der Organisation „Fuß gefasst hat“.

Neben der Erarbeitung des Konzepts sind für eine Akzeptanz und Handhabung im Sinne der Zielsetzung natürlich viele Erfolgsfaktoren relevant. Zum einen ist eine aktive und begleitende Kommunikation und Information wichtig und zum anderen die laufende Einbindung der Führungskräfte.

Für den Rollout wurde zusätzlich eine animierte powerpoint-Präsentation für die fachliche Darstellung des Konzepts erstellt. Informationen inkl. FAQ-Liste werden auf der Intranet Seite attraktiv und leicht zugänglich angeboten. Als begleitende Maßnahmen wurden Informationsbroschüren für die Zielgruppen Führungskräfte und MitarbeiterInnen sowie unterstützende Hilfsmittel wie Vorbereitungschecklisten, standardisierte Unterlagen und regelmäßige Newsletters im Zuge der Ausrollung eingesetzt.

Zudem wurde der Personalabteilung und vor allem den regionalen PersonalentwicklerInnen eine zentrale und aktive Rolle zugeschrieben. Sie sind die ersten AnsprechpartnerInnen zum Thema und tragen durch ihr Handeln zentral zum Erfolg des Konzepts bei. Schulungen und Möglichkeiten für einen interaktiven Austausch nehmen die erste Skepsis und versichern, dass der Aufwand im Verhältnis zum Nutzen und Ergebnis steht.

Durch laufende Evaluierungen und Lessons Learned aus jeder Rolloutstufe wird das Konzept in sich gestärkt, bestätigt und stetig weiterentwickelt. So wurden zum Beispiel die Informationsveranstaltungen für Führungskräfte von einem „Trainingsansatz“ zu einem „interaktiven informativen Austausch“ verändert.

Der Ausblick

Talent Management wie hier beschrieben ist nicht in einem oder zwei Jahren implementiert. Ja, vielleicht am Papier – in der Realität ist es jedoch ein Vorhaben über fünf bis zehn Jahre mit regelmäßigen Evaluierungs- und Anpassungsschleifen.

Vergleichbar mit anderen Führungsinstrumenten braucht die nutzbringende Anwendung neben praktikablen Prozessen und Instrumenten die unmittelbare, persönliche Erfahrung mit dem Instrument – und diese ist nur im Zeitablauf anzueignen.

Ebenso kann der integrative Charakter des Konzepts als Klammer über viele (alle?) personalwirtschaftlichen Funktionen nur schrittweise umgesetzt werden. In diesem Sinne hoffen wir, dass wir alsbald auch die Verbindung des Talent Managements u.a. mit dem Recruiting verstärken können.

Das Bundesministerium für Finanzen

Das Bundesministerium für Finanzen umfasst die Zentralleitung, fünf regionale Steuer- und Zollkoordinationen, 39 Finanzämter, 9 Zollämter sowie vier bundesweite Einheiten mit insgesamt rd. 11.200 MitarbeiterInnen. In den vergangenen Jahren hat sich das Bundesministerium für Finanzen zu einem modernen, effizienten und serviceorientierten Dienstleister entwickelt. Flache Hierarchien, flexible Arbeitsformen und Leistungsorientierung prägen die Organisation, Bürgernähe steht bei der täglichen Arbeit im Vordergrund. Die zentralen Aufgaben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) sind traditionell die Budget und Steuerpolitik sowie Fragen der Wirtschafts- und Strukturpolitik, des Zollwesens und der Informations- und Kommunikationstechnologie. Unsere grundlegende Aufgabe liegt in der Sicherstellung der finanziellen Interessen der Republik Österreich und der Europäischen

Union durch die Erhebung von Abgaben und Beiträgen.

Internet: www.bmf.gv.at

Die Berufsbilder im Finanzressort

Arbeitsplätze mit vergleichbaren Aufgaben und Anforderungen wurden ressortweit zu Berufsbildern zusammengefasst.  Jedes Berufsbild leistet einen ganz bestimmten "Beitrag zum Ganzen" - zur Gesamtleistung der Finanzverwaltung - und grenzt sich klar von den anderen Berufsbildern ab. Jedes Berufsbild charakterisiert sich durch Elemente wie

  • einer strategischen Zielsetzung
  • klar definierte und beschriebene Hauptaufgaben
  • eine Unterteilung in Laufbahnstufen
  • fachunabhängige Anforderungen inklusive Ausprägungsstufen
  • typische besoldungsrechtliche Einstufungen

Innerhalb jedes Berufsbildes stellen die Laufbahnstufen die mögliche berufliche Entwicklung dar.

Der Nutzen von Talent Management im BMF

Als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter kann ich

  • persönliche Entwicklungsmöglichkeiten erkennen
  • meine berufliche Entwicklung aktiv planen
  • mich frühzeitig auf meinen nächsten Laufbahnschritt vorbereiten und passende Qualifizierungsmaßnahmen absolvieren
  • differenziertes Feedback über meine Potenziale, Stärken und Entwicklungsfelder einholen

Die Organisation hat dadurch die Möglichkeit

  • die Personalressourcen strategieorientiert zu steuern
  • die interne Mobilität verbindlicher zu gestalten und dadurch zu fördern
  • eine Effizienzsteigerung im Bildungsmanagement zu realisieren
  • Potenzialträger stärker an die Organisation zu binden
  • sich professionell am Arbeitsmarkt zu präsentieren und vor allem
  • die Leistungsfähigkeit nachhaltig zu sichern
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