Perspektiven

Zwischen Arbeitskräftemangel und Teilzeitwunsch: Wege aus der Schweizer Arbeitsmarktkrise

«Pulse of Switzerland»

Nach zwei Jahren, die von deutlichen Preissteigerungen und nachlassender Wirtschaftskraft geprägt waren, scheinen die Perspektiven für 2024 auch nicht vielversprechend zu sein. Ein Lichtblick für die Wirtschaft ist allerdings, dass es bisher nicht zu einer Entlassungswelle kam. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit war letztes Jahr auf einem historisch niedrigen Niveau, doch gleichzeitig bestand – und besteht – weiterhin ein Mangel an Arbeitskräften.

Es mag auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, dass Unternehmen in Zeiten schwachen Wirtschaftswachstums und notwendiger Sparmassnahmen intensiv nach qualifiziertem Personal suchen. Dies weist jedoch auf tiefergehende strukturelle Veränderungen und Herausforderungen hin, mit denen sich unsere Gesellschaft konfrontiert sieht. Die demografische Entwicklung – und mit ihr die Alterspyramide der Bevölkerung – fällt hier besonders ins Gewicht. Seit den 1990er-Jahren ist das Verhältnis von Personen im Rentenalter zu Personen im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich angestiegen.1 Und auf dem Arbeitsmarkt nimmt das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zu – ein Trend, der sich mit der kommenden Pensionierung der geburtenstarken Babyboomer-Generation noch markanter ausprägen wird.

Sollten diese (altersbedingten) Abgänge nicht ersetzt werden können, wovon man aktuell ausgehen muss, wird es in den kommenden Jahren zu einem sinkenden Arbeitsangebot kommen.2 Folglich wächst auch die Herausforderung, den nötigen Wohlstand zu schaffen, um die Bedürfnisse der alternden Gesellschaft zu decken.  

n den letzten Jahren ist der sogenannte Fachkräftemangel zunehmend in den Fokus gerückt. Besonders brisant war das Thema während der Coronapandemie, als die Mangellage im Gesundheitswesen deutlich sichtbar wurde. Doch die Pflege ist bei Weitem nicht die einzige Berufsgruppe, die vom Fachkräftemangel betroffen ist. Laut verschiedener Indizes sind nebst den Berufen im Gesundheitswesen insbesondere auch technische Berufe im Informatikbereich und in der verarbeitenden Industrie davon betroffen.3 Zudem besteht nicht nur ein Mangel an hochqualifizierten Fachkräften: In Berufsgruppen, in denen vorrangig eine Berufslehre erforderlich ist, herrscht ebenfalls ein Defizit. Sogar in Bereichen, in denen bisher ein Überangebot an Fachkräften bestand, gibt es Anzeichen dafür, dass sich das Angebot verringert. Es kann also nicht mehr die Rede von einem reinen Fachkräftemangel sein, sondern von einem allgemeinen Arbeitskräftemangel.

Die Arbeitsmigration ist schon seit geraumer Zeit die einfachste Antwort auf diese Problematik, doch in jüngster Zeit haben die negativen Auswirkungen der starken Zuwanderung zu einer zunehmenden Polarisierung der diesbezüglichen Meinungen geführt. Dementsprechend ist es für die Politik brisant, sich vorrangig auf die Zuwanderung als Lösung für den Fachkräftemangel zu stützen. Darüber hinaus kann die Einstellung von ausländischem Personal den Fachkräftemangel sogar noch befeuern, indem sie die Nachfrage nach weiteren Arbeitskräften erhöht.4 Als Alternative zu dieser Entwicklung bietet sich der Versuch an, das inländische Arbeitspotenzial besser auszuschöpfen. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Japan, ein Land, das bereits seit Längerem mit dem demografischen Wandel konfrontiert ist, aber nur zögerlich die Einwanderung erhöhen wollte.5 Stattdessen wurde eine Reihe von Reformen angestossen, um die eigenen Arbeitskräfte – insbesondere Frauen sowie Seniorinnen und Senioren – zu mobilisieren.

In diese Richtung gehen auch einige Vorschläge in der Schweiz, wie die Anhebung des Rentenalters oder der Ausbau der Kinderbetreuungsstätten. Angesichts dieser Bemühungen stellt sich die Frage, wie die Bevölkerung selbst auf die veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt reagiert. Um dies zu beantworten, hat Deloitte Ende 2023 eine Umfrage durchgeführt, an der 1’900 Personen teilnahmen. Die Ergebnisse repräsentieren eine Momentaufnahme, die verdeutlicht, wie sich die Schweizer Bevölkerung hinsichtlich ihrer Beschäftigungsfähigkeit einschätzt und welche Präferenzen sie in Bezug auf ihre Arbeitszeitgestaltung hat. Die Erkenntnisse sind besonders relevant, denn sie zeigen auf, inwieweit die aktuellen Strategien zur Bekämpfung des Fachkräftemangels mit den Bedürfnissen und Wünschen der Arbeitskräfte im Einklang stehen.

Sowohl die Globalisierung als auch die Digitalisierung haben die Arbeitsmärkte in den letzten zwei Jahrzehnten tiefgreifend verändert. Obwohl mehrheitlich neue Stellen geschaffen wurden, sind gewisse Berufsarten verschwunden.6 Diese Veränderungen sind oft von der Angst begleitet, irgendwann selbst direkt betroffen zu sein. Gefragt sind somit Arbeitskräfte, die flexibel und anpassungsfähig sind – und das (aufgrund des demografischen Wandels) auch im höheren Alter.

In der Schweiz scheint die Mehrheit der 18- bis 64-Jährigen, die planen, in den nächsten fünf Jahren weiterzuarbeiten, zuversichtlich zu sein, die diesbezüglichen Anforderungen erfüllen zu können: Etwa die Hälfte (53%) ist zuversichtlich bis sehr zuversichtlich, etwa ein Drittel gibt sich neutral. Nur knapp ein Fünftel ist nicht zuversichtlich. Es zeigt sich jedoch eindeutig, dass diese Zuversicht mit zunehmendem Alter abnimmt: Von den 18- bis 34-Jährigen zeigen sich knapp 60% zuversichtlich, von den 50- bis 64-Jährigen nur 45%. Ein Viertel der 50- bis 64-Jährigen gibt sogar an, nicht zuversichtlich zu sein.  

Eine Erklärung für die Verunsicherung könnten die rasante Entwicklung und Einführung von neuen Technologien sein, wie beispielsweise die zuletzt erzielten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz. Dies bestätigen zumindest teilweise die Antworten auf die Frage, welche Fähigkeiten oder Kenntnisse denn verbessert oder erworben werden müssten, um die Beschäftigungsfähigkeit zu gewährleisten. So gab gut die Hälfte der sich zuvor als nicht zuversichtlich geäusserten Personen an, dass sie ihre Fachkompetenzen – wie technisches Wissen oder IT-Kenntnisse – aufbessern müssten. Als zweitwichtigste Fähigkeit bzw. Kenntnis wurden mit knapp 40% die Sozialkompetenzen angegeben. Persönliche Kompetenzen wie Reflexion und Lernbereitschaft sowie methodische Fähigkeiten wie Problemlösungs- und analytische Fähigkeiten wurden jeweils von knapp einem Drittel der Befragten (32% resp. 29%) genannt.

Die Zuversicht hinsichtlich der eigenen Fähigkeiten ist eine wichtige Voraussetzung, um auch jenseits des aktuellen Rentenalters weiterzuarbeiten. Schliesslich müssen die Arbeitnehmenden sich die Erwerbstätigkeit im Alter auch zutrauen. Der Wille dazu ist – laut einer früheren Deloitte Umfrage – immerhin da.7 Für die Zukunft wird es also wichtig sein, die Arbeitskräfte auch im späteren Berufsleben weiterzubilden und umzuschulen, damit mehr Menschen mit den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt mithalten können.

Vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen im Arbeitsmarkt, einschliesslich der Notwendigkeit und Bereitschaft für Flexibilität und lebenslanges Lernen, tritt ein weiterer bedeutsamer Trend in den Fokus: die Präferenz für Teilzeitarbeit.

Die Umfrageergebnisse verdeutlichen eine signifikante Neigung der Schweizer Bevölkerung in Richtung Teilzeitarbeit. Interessanterweise zeigt sich, dass lediglich 30% der Befragten im Alter von 18 bis 64 Jahren eine Vollzeittätigkeit bevorzugen. Eine fast gleich grosse Gruppe wünscht sich ein Arbeitspensum von 80 bis 90%, während ein Fünftel ein Pensum zwischen 50 bis 70% und ein Zehntel sogar weniger als 50% bevorzugen würde. Es gibt dabei deutliche geschlechterspezifische Unterschiede: Während ein Drittel der Frauen (34%) ein Arbeitspensum von 50 bis 70% präferiert, ist dies nur für 16% der Männer wünschenswert. Die Mehrheit der Männer (77%) würde auch bei freier Wahl Vollzeit oder ein Pensum von 80 bis 90% bevorzugen, im Vergleich zu etwa 50% der Frauen.

Es zeigt sich zudem, dass die Teilzeitpräferenz mit dem Alter zunimmt. Obwohl die 18- bis 34-Jährigen im Vergleich zu früher durchaus mehr Teilzeit arbeiten möchten, sind sie heute damit nicht allein. So sind die Anteile der Befragten, die bei freier Wahl 100% arbeiten würden, bei den 18- bis 34- resp. 35- bis 49-Jährigen etwa gleich gross. Auch hier ist eine Differenz zwischen den Geschlechtern ersichtlich: Von den Frauen wollen etwas weniger als 30% Vollzeit arbeiten, bei den Männern gut 40%. Bei der älteren Generation ist der Anteil sogar kleiner: Nur 16% der Frauen im Alter von 50 bis 64 Jahren wollen noch Vollzeit arbeiten, bei den Männer sind es immerhin noch 34%. Bei den Frauen spiegelt sich dieser Wunsch auch in der aktuellen Situation wider: So zeigt eine Statistik des BFS, dass der Anteil der Teilzeiterwerbstätigkeit in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen am höchsten ist.8 Aus diesen Umfrageergebnissen lässt sich schliessen, dass Frauen mit zunehmendem Alter ein niedrigeres Arbeitspensum bevorzugen: Wollen bei den 18- bis 34-Jährigen noch etwa gleich viele Personen 80 bis 90% resp. 50 bis 70% arbeiten, wird bei den älteren Gruppen das niedrigere Arbeitspensum favorisiert.

Bemerkenswert ist, dass der Hauptgrund für die Teilzeitpräferenz sowohl für Männer als auch für Frauen nicht die Betreuung von Kindern oder anderen Familienangehörigen ist, sondern der Wunsch nach mehr Zeit für persönliche Hobbys und Interessen (siehe Abbildung 3a). Dies zieht sich auch bei den verschiedenen Altersgruppen durch, mit der Ausnahme der Frauen im Alter von 35 bis 49 Jahren, die die Kinderbetreuung leicht höher gewichten. Ab 50 Jahren nimmt dies – geschlechterunabhängig – erwartungsgemäss wieder ab. Stattdessen sind nun gesundheitliche Belange wichtiger.

Allgemein zeigt sich, dass das häufig erwähnte Argument für Teilzeitarbeit – die Familie – zunehmend ins Leere läuft. Vielmehr scheint es einen kulturellen Wandel gegeben zu haben, in dessen Verlauf die Selbstoptimierung und die Work-Life-Balance zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Das muss man sich finanziell natürlich auch leisten können, weshalb dies teilweise auch ein Wohlstandsphänomen ist. Daher ist es nicht überraschend, dass die grösste Hürde für ein Teilzeitpensum die damit verbundene Gehaltskürzung ist (siehe Abbildung 3b). Lässt man aussen vor, dass viele der Befragten gar keine Gründe sahen, die gegen Teilzeitarbeit sprechen, folgt mit grossem Abstand die Schwierigkeit bei der Reduzierung der Arbeitszeiten.

Für diejenigen, die aktuell in Teilzeit arbeiten, könnten flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte attraktive Optionen darstellen, um ihr Arbeitspensum zu erhöhen, wie 35% bzw. 33% der Befragten angaben. Massnahmen wie der Ausbau der staatlich finanzierten Kinderbetreuungseinrichtungen (16%) oder grosszügigere Elternzeitregelungen (13%) erhielten hingegen weniger Zuspruch.

Abschliessend lässt sich sagen, dass die Politik und die Wirtschaft angesichts des anhaltenden Arbeitskräftemangels alternative Strategien in Betracht ziehen sollten. Folgende Vorschläge wären erste Ansätze:

1. Die Erwerbstätigkeit im Alter attraktiver machen:

Empfehlungen für den Staat:

In Bezug auf die Erwerbstätigkeit im Alter wäre die Flexibilisierung des Rentenalters ein erster Schritt. In einer repräsentativen Umfrage von Deloitte im Jahr 2019 gaben 40% aller Erwerbstätigen im Alter von 50 bis 64 Jahren an, dass sie gerne über das offizielle Rentenalter hinaus arbeiten würden.9 Nur eine Minderheit der Erwerbstätigen rechnet aber damit, dass sie dies auch effektiv tun werden. Ein Grund dafür ist der Automatismus, der durch das rechtlich festgelegte Rentenalter in den Köpfen verankert ist. Doch auch finanziell ergibt eine weitere Erwerbstätigkeit wenig Sinn: Wer neben der Rente noch einen Lohn erhält, muss zusätzliche Steuern bezahlen. Mit dem Lohn fallen ab einem gewissen Freibetrag zudem weitere AHV-Beiträge an, wobei die eigene Rente jedoch nicht erhöht wird.10

Mit der Reform der AHV 21, die Anfang dieses Jahres in Kraft getreten ist, wurden bereits einige dieser Probleme angegangen.11 Unter anderem wurde der Freibetrag angehoben und die Möglichkeit eingeführt, nur einen Teil der Rente zu beziehen oder diese sogar aufzuschieben. Dies ermöglicht einen flexibleren Übergang in den Ruhestand, da die Arbeitnehmenden dadurch die Möglichkeit haben, ihr Arbeitspensum zu reduzieren und ihr geringeres Einkommen mit einem Teil ihrer Rente zu kompensieren. Obwohl diese Reform sicherlich in die richtige Richtung geht, bleibt abzuwarten, ob sie einen ausreichend starken Anreiz zum Weiterarbeiten schafft, zumal die Möglichkeit des Rentenaufschubs nicht von einer weiteren Beschäftigung abhängig gemacht wird.12 Um dem derzeitigen Arbeitskräftemangel zu begegnen, ist es wichtig zu sehen, wie sich die vorgenommenen Änderungen auswirken, und gegebenenfalls weitere Anpassungen in Erwägung zu ziehen, wie z. B. die Verschiebung des Rentenkorridors nach oben oder die Schaffung spezifischerer Vorteile für diejenigen, die weiterarbeiten.

Empfehlungen für die Unternehmen:

Zugleich besteht weiterhin das Problem der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten. Noch gibt es viele Unternehmen, die keine Mitarbeitenden im Pensionsalter einstellen, da diese aufgrund der höheren Löhne sowie der altersabhängigen BVG-Beiträge zusätzliche Kosten verursachen. Hierfür könnte die Anpassung der Arbeitsmodelle eine Lösung sein, was auch dem Wunsch nach geringerem Arbeitspensum im Alter entgegenkäme. Es ist allerdings wichtig, bei der Besetzung solcher Stellen einen «Zero Gap»-Ansatz zu vermeiden, bei dem ausschliesslich Arbeitnehmende in Betracht gezogen werden, die perfekt zur Stellenbeschreibung passen.13 Stattdessen sollten Unternehmen erwägen, bestehende Rollen zu überdenken und neu zu gestalten, sowie Wege finden, die Automatisierung und die Vorteile der KI-Technologie zu nutzen. Die Aufgabe der erfahrenen Mitarbeitenden wäre es dann, die Qualität der Arbeit zu gewährleisten.

Besteht hingegen angesichts der jüngsten technologischen Fortschritte die Sorge, dass die Fähigkeiten der Mitarbeitenden nicht mehr den aktuellen Berufsanforderungen entsprechen, könnten Investitionen in «On the Job»-Trainings eine effektive Lösung sein. Diese ermöglichen es den Arbeitnehmenden nicht nur, sich direkt am Arbeitsplatz weiterzubilden, ohne Einkommensverluste zu erleiden, wie es bei einem Vollzeitstudium oder bei externen Weiterbildungsmassnahmen der Fall wäre – es ist auch aus Sicht der Unternehmen effizienter, da sie speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Schulungen anbieten können. So können die vorhandenen Fähigkeiten der Mitarbeitenden gezielt berücksichtigt und gefördert und unmittelbar in die Arbeitsprozesse des Unternehmens integriert werden.

2. Den Wert der Vollzeitarbeit steigern:

Empfehlungen für den Staat:

Hinsichtlich der Teilzeitpräferenz sollte die Politik sorgfältig abwägen, ob Massnahmen wie der weitere Ausbau von Kinderbetreuungsstätten und ähnlichen Einrichtungen tatsächlich erfolgversprechend sind, zumal die damit verbundenen Kosten hoch wären und letztlich von den Steuerzahlenden getragen werden müssten. Die Umfrage deutet darauf hin, dass die Mehrheit der Bevölkerung ihr gewünschtes Arbeitspensum bereits erreicht hat – auch ohne diese zusätzlichen Dienstleistungen. Somit würde der Ausbau der erwähnten Einrichtungen auch nicht den beabsichtigten Effekt – sprich: eine höhere Erwerbsbeteiligung – erzielen. Dennoch gibt es nach wie vor Bedenken hinsichtlich der Qualität, der Flexibilität und vor allem der hohen Kosten der Kinderbetreuung.

Insbesondere mit Blick auf die Erschwinglichkeit sollte sich der Staat darauf konzentrieren, die Rahmenbedingungen zu verbessern und den Anreiz für ein höheres Arbeitspensum zu erhöhen, um die finanzielle Belastung insgesamt zu verringern. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang das Steuersystem. Gegenwärtig ist das Schweizer System für alleinstehende Steuerzahlende oder Ehepaare mit einem Alleinverdiener attraktiver. Verheiratete Paare, die als Doppelverdiener ein ähnliches Einkommen erzielen, sind dagegen einer höheren Steuerbelastung ausgesetzt, was in Verbindung mit den Kinderbetreuungskosten ein grosser Nachteil bei einer Vollzeitbeschäftigung ist. Ein Lösungsansatz wäre beispielsweise die Einführung einer Individualsteuer, was gemäss Schätzungen zu einer Erhöhung des Teilzeitpensums um 20% bei rund jeder siebten erwerbstätigen Frau führen könnte.14

Eine weitere wichtige Rolle des Staates in Bezug auf die Förderung der Vollzeitbeschäftigung ist die Aufklärung der Bevölkerung über die negativen Auswirkungen einer Teilzeitbeschäftigung auf die Altersvorsorge – eine Tatsache, derer sich viele oft nicht bewusst sind. Eine Teilzeitbeschäftigung geht häufig mit einem geringeren Gehalt einher, wodurch auch die AHV- und BVG-Beiträge geringer ausfallen. Darüber hinaus ist es in der Regel schwieriger, die Lebenshaltungskosten im gleichen Masse zu senken, in dem das Einkommen sinkt, was die Möglichkeiten zum privaten Sparen verringert. Die Rentenlücke wird zudem durch den sogenannten Zinseszinseffekt verschärft: Den Teilzeitbeschäftigten entgehen nicht nur die Zinsen, die sie mit ihren Beiträgen hätten erwirtschaften können – es fehlen ihnen auch die potenziellen Erträge aus der Wiederanlage dieser Zinserträge. Dieser Effekt verstärkt sich, je länger der Anlagehorizont ist.15 Die Reform der zweiten Säule – der BVG – hat das Potenzial, einige dieser Bedenken auszuräumen; insgesamt bleibt jedoch der Nachteil gegenüber Vollzeitbeschäftigten bestehen.16

Empfehlungen für die Unternehmen:

Viele der aktuellen Herausforderungen, vor denen Kinderbetreuungseinrichtungen stehen, wie beispielsweise die Nachfrage nach längeren Öffnungszeiten und flexibleren Abholzeiten, stehen in direktem Zusammenhang mit dem landesweiten Arbeitskräftemangel.17 Auch wenn die Folgen langfristig schädlich sind, ist es klar, dass der Staat nicht jeden betroffenen Sektor subventionieren kann. Um die Lücke zwischen der Politik und den praktischen Bedürfnissen der Arbeitskräfte zu schliessen, ist es für Unternehmen wichtig, innovative Lösungen anzubieten, um die Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu machen.

Eine Lösung könnte darin bestehen, die Kinderbetreuung direkt zu unterstützen – sei es durch Einrichtungen vor Ort oder durch finanzielle Zuschüsse für externe Dienstleistungen – und damit ein wichtiges Hindernis für eine Vollzeitbeschäftigung zu beseitigen. Dieser Schritt geht direkt auf die Problematik der Qualität, Flexibilität und Erschwinglichkeit der Kinderbetreuung ein und widerspiegelt das Engagement des betreffenden Unternehmens zugunsten einer integrativen und unterstützenden Arbeitsplatzkultur. Eine wichtige Rolle für die Attraktivität von Vollzeitstellen spielen auch die Integration von Technologien zur Automatisierung von Transaktionsaufgaben, die Schaffung alternativer Karrierewege, die Erweiterung der Lern- und Weiterbildungsmöglichkeiten und die Förderung einer motivierenden Kultur. Solche Initiativen machen nicht nur Vollzeitstellen attraktiver, sondern tragen auch dazu bei, Mitarbeitende zu halten, auch wenn sie Rollen und Funktionen übernehmen, die mit einer höheren Belastung einhergehen.

Integraler Bestandteil dieser Strategie sind hybride Arbeitsmodelle, die Remote- und Präsenzarbeit gekonnt verbinden. Sie bieten die nötige Flexibilität und gewährleisten gleichzeitig die wesentlichen persönlichen Interaktionen, die die Unternehmenskultur stärken. Durch die Anpassung dieser hybriden Modelle an die individuellen Zielsetzungen des Unternehmens wird sichergestellt, dass sie einen positiven Beitrag zu den übergeordneten Unternehmenszielen leisten. Darüber hinaus verbessern diese Modelle die zwischenmenschlichen Bindungen und Kontakte, die für das geistige Wohlbefinden der Mitarbeitenden, ihre Kreativität und die Innovationskraft des Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der strategischen Nutzung der Bürointeraktionen, um ein Gleichgewicht zu erreichen, das sowohl dem Individuum als auch dem gesamten Unternehmen zugutekommt und die Vollzeitbeschäftigung für alle Beteiligten zu einer attraktiveren Option macht.

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