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Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen für Wertpapierinstitute 

Ein Blick auf den aktuellen Stand nach IFR und WpIG und eine detaillierte Analyse der K-Faktoren

Am 26. Juni 2021 ist die Verordnung (EU) 2019/2033 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 (im Folgenden „IFR“) in Kraft getreten. Daraus folgen einige relevante Änderungen für die Mindestkapitalanforderungen für kleine und insbesondere für mittelgroße Wertpapierinstitute. Die als groß eingestuften Wertpapierinstitute unterliegen weiterhin den Anforderungen der CRR bzw. des KWG im Rahmen des § 4 WpIG. Wir geben Ihnen in unserem Beitrag einen detaillierten Überblick über die Auswirkungen für Wertpapierinstitute und erläutern die konkreten Eigenschaften der K-Faktoren.

Darstellung der Größenklassen und deren Klassifizierung nach IFR

Abb. 1: Unterteilung der Wertpapierinstitute nach Größenklassen

Berechnung der fixen Gemeinkosten und der permanenten Mindestkapitalanforderung nach IFR

Nach Artikel 11 IFR ergeben sich für eine Wertpapierfirma Eigenmittelanforderungen, welche grundsätzlich mindestens aus dem höchsten der Beträge (1), Anforderungen für fixe Gemeinkosten (2), permanente Mindestkapitalanforderungen bzw. Anfangskapitalanforderung und (3) K-Faktor-Anforderungen besteht. Während kleine und nicht verflochtene Wertpapierfirmen nach Artikel 12 IFR lediglich den höchsten Betrag aus den fixen Gemeinkosten und der permanenten Mindestkapitalanforderung zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen heranziehen müssen, haben mittelgroße Wertpapierfirmen auch die K-Faktoren zu berücksichtigen.

Für die Berechnung der fixen Gemeinkosten werden nach Artikel 13 IFR die Betriebsaufwendungen des letzten abgelaufenen Geschäftsjahres bestimmt. Dieser Betrag wird durch Abzugsposten gemindert, zu welchen unter anderem einmalige Aufwendungen aus unüblichen Tätigkeiten, Gewinnbeteiligungen der Mitarbeiter oder Entgelte an vertraglich gebundene Vermittler zählen. Die Anforderungen gem. Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe a für fixe Gemeinkosten beträgt mindestens ein Viertel der berechneten Größe der fixen Gemeinkosten abzüglich der in Art. 13 Abs. 4 genannten Abzugsposten.

Die permanente Mindestkapitalanforderung ist gemäß Artikel 14 IFR mindestens gleich der Höhe des Anfangskapitals. Diese ist gemäß § 17 WpIG abhängig von dem Geschäftsmodell des Wertpapierinstituts und beträgt 75.000 €, 150.000 € oder 750.000 €. Beispielsweise muss eine Wertpapierfirma, welche eine Erlaubnis für den Eigenhandel oder das Emissionsgeschäft beantragt, 750.000 € Anfangskapital halten. Während ein Institut das Finanzportfolioverwaltung ohne Besitz oder Eigentum von Kundengeldern oder -Wertpapieren betreibt, muss lediglich 75.000 € halten. Die Berechnung dieser beiden Größen ist bereits aus dem CRD/CRR-Regelwerk bekannt und wurde lediglich mit kleineren Anpassungen in das IFR-Regelwerk übernommen. Die dritte Größe hingegen stellt eine grundlegende Neuerung für die Berechnung der Mindestkapitalanforderungen dar und bedarf einer genaueren Betrachtung. 

Detaillierte Informationen zu Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen für Wertpapierinstitute

Neues Eigenkapitalregime der K-Faktoren in der IFR

Die K-Faktoren werden nach Artikel 15 IFR unterteilt nach Kunden-, Markt- und Firmenrisiken. Die Anforderung der K-Faktoren beläuft sich auf mindestens die Summe dieser drei Elemente. Durch die Kategorisierung sollen alle relevanten Bereiche abgedeckt werden, in denen sich aus den Wertpapierdienstleistungen einer Wertpapierfirma Risiken ergeben. Es bedarf hier bestimmter Kapitalanforderungen, um zu gewährleisten, dass diese Risiken in einem angemessenen Verhältnis zu den Eigenmitteln stehen. 

Ziel der Berechnung der Mindestkapitalanforderungen durch die K-Faktoren ist es, eine Messgröße für Risiken zu generieren, welche das tatsächliche Geschäftsmodell der Wertpapierfirma abbildet. Hier sollen nur die K-Faktoren einfließen, die sich auch auf die tatsächlich betriebenen Dienstleistungen oder Nebendienstleistungen der Wertpapierfirma beziehen.

Überblick über K-Faktoren

Abb. 2: Überblick über die K-Faktoren

K-Faktoren für Kundenrisiken

Im Rahmen der Kundenrisiken werden Risiken für die Kunden betrachtet, die aus den Wertpapiergeschäften der Wertpapierfirma entstehen. Ziel ist es, ein angemessenes Verhältnis von Eigenmitteln zu Vermögensgegenständen, Kundengeldern und Kundenaufträgen herzustellen, damit ein ausreichender Schutz der Anleger gewährleistet ist. 

Nach Artikel 16 ff. berechnen sich Kundenrisiken wie folgt: RtC = K-AUM + K-CMH + K-ASA + K-COH

Abb. 3: K-Faktoren für Kundenrisiken

Dabei bezeichnet K-AUM das Risiko, dass aufgrund der für Kunden verwalteten Vermögensgegenstände auftritt. Hierunter zählen sowohl Vermögenswerte aus der Portfolioverwaltung als auch aus der Anlageberatung. CMH ist der Betrag der durch das Wertpapierinstitut gehaltenen Kundengelder.

Für die Berechnung von K-ASA bezeichnet Assets Safeguarded and Administered (ASA) den Wert der für Kunden verwahrten und verwalteten Vermögensgegenstände. Soweit Aufgaben der Verwahrung und Verwaltung von Vermögenswerten durch förmliche Aufgabenübertragung auf oder von einem anderen Unternehmen der Finanzbranche übertragen bzw. übernommen wurden, so sind diese ebenfalls zu berücksichtigen.

Um K-COH zu berechnen, wird die Summe des absoluten Werts der Käufe und Verkäufe aus Kassageschäften und Derivaten gebildet, welche durch Annahme, Übermittlung oder Ausführung im Namen vom Kunden bearbeitet wurden. Hierzu zählen die Dienstleistungen Anlage- und Abschlussvermittlung sowie des Platzierungsgeschäfts.

K-Faktoren für Marktrisiken

Hier werden Risiken für den Markt betrachtet, welche von der Wertpapierfirma und ihren Geschäften ausgehen. Nach Artikel 21 ff. berechnen sich diese entweder aus K-NPR oder K-CMG. Ziel ist es, die Risiken, die für andere Marktteilnehmer aufgrund der ausgeübten Wertpapierdienstleistungen entstehen können, abzubilden und durch entsprechende Eigenmittelanforderungen zu unterlegen

Abb. 4: K-Faktoren für Marktrisiken

Unter K-NPR wird das Nettopositionsrisiko verstanden, dass sich aufgrund der Veränderung der Marktkurse von Vermögenswerten ergibt. Dabei ist NPR der Nettowert der Handelsbuchpositionen einer Wertpapierfirma.

Zur Berechnung von K-CMG bezeichnet Clearing Marging Given (CMG) den geforderten Einschuss eines Clearingmitglieds. Dieser ergibt sich, wenn Geschäfte über ein Clearingmitglied oder einer zentralen Gegenpartei abgewickelt werden. Die zuständige Behörde einer Wertpapierfirma kann die Berechnung anhand K-CMG für alle clearingpflichtigen Positionen oder auf Portfoliobasis gestatten, wenn die unter Art. 23 (1) IFR genannten Bedingungen erfüllt sind. 

K-Faktoren für Firmenrisiken

Dabei werden Risiken betrachtet, die für die Wertpapierfirma selbst aufgrund der getätigten Wertpapiergeschäfte auftreten können. Ziel ist es, bilanzielle Verlustrisiken der Wertpapierfirma zu adressieren und so durch Mindesteigenkapitalanforderungen eine Fortführung des Geschäftsbetriebs beispielsweise bei signifikanten Marktveränderungen sicherzustellen.

Nach Artikel 24 ff. IFR berechnen sich diese wie folgt: RtF = K-TCD + K-DTF + K-CON

Abb. 5: K-Faktoren für Firmenrisiken

K-TCD bezeichnet das Risiko, dass bei einem Ausfall der Kontrahenten der Handelsbuchpositionen auftritt. Für die Berechnung werden den jeweiligen Gegenparteien nach Art. 26 IFR individuelle Risikofaktoren (RF) zugeordnet, die abhängig von der Art der Gegenpartei sind. So sollen die Auswirkungen der Ausfallrisiken der einzelnen Kontrahenten auf die Eigenmittelanforderungen erfasst werden.

K-DTF ist das Risiko, welches sich aus dem täglichen Handelsstrom aus Geschäften, die ein Wertpa-pierinstitut durch Handel für eigene Rechnung oder im eigenen Namen für Rechnung von Kunden durchführt, zusammensetzt.

K-CON ist das Konzentrationsrisiko und regelt die Kapitalanforderungen bei einer Überschreitung gewisser Risikoparameter durch Risikopositionen im Handelsbuch. Nach Artikel 37 IFR beträgt die Obergrenze einer Wertpapierfirma für das Konzentrationsrisiko eines Risikopositionswerts gegenüber einem Einzelkunden oder einer Gruppe verbundener Kunden 25 Prozent ihrer Eigenmittel. Überschreitet der Risikopositionswert (EV) diese Obergrenze, müssen nach Artikel 39 IFR die Einzelüberschreitungen unter Berücksichtigung der Zeitspanne, während der die Überschreitung angedauert hat, aufsummiert werden, um K-CON zu berechnen. 

Einfluss der K-Faktoren für die Berechnung der Eigenmittelanforderungen

Nach Artikel 15 (2) IFR werden auf einen Teil der berechneten Faktoren Koeffizienten angewandt, um die endgültigen Kapitalanforderungen zu berechnen (siehe Abb. 6):

Abb. 6: Einfluss der K-Faktoren

Um eine finale Messgröße für die Eigenmittelanforderungen gemäß der K-Faktoren zu erhalten, werden diese Größen mit risikoadäquaten Koeffizienten multipliziert. Dadurch wird eine noch genauere Unterscheidung hinsichtlich der Geschäfte des Wertpapierinstituts vorgenommen und deren Risikobeitrag sowie die Auswirkungen auf die Eigenmittelanforderungen werden genauer berücksichtigt. 

Neue Liquiditätsanforderungen an Wertpapierinstitute

In Anbetracht möglicher Liquiditätsrisiken müssen zur Sicherstellung der geordneten Abwicklung des Geschäftsbetriebs gewisse Liquiditätsanforderungen eingehalten werden, um die Zahlungsfähigkeit des Wertpapierinstituts zu jeder Zeit zu gewährleisten.

Zu diesem Zweck wird erneut eine Unterscheidung hinsichtlich der Größe des Wertpapierinstituts vorgenommen. Für große Wertpapierinstitute bleibt weiterhin das CRD/CRR-Aufsichtsregime anwendbar und das WpIG bzw. IFR findet hier keine Anwendung. Für kleine und mittlere Wertpapierinstitute gelten künftig einheitliche Liquiditätsanforderungen nach IFR. Detailliertere Informationen erhalten Sie in unserem Whitepaper, dass sie hier herunterladen können.

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Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen für Wertpapierinstitute

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Zukünftige Herausforderungen

Für die Berechnung der Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen haben sich mit in Kraft treten der IFR- grundlegende Neuerungen ergeben. Mit den K-Faktoren soll eine einfache und transparente Messgröße für institutionsspezifische Risiken aus den Wertpapierdienstleistungen eines Wertpapierinstituts erreicht werden. 

Aktuell stehen Institute vor der Herausforderung der nachhaltigen Integration der Eigenmittel- und Liquiditätskennzahlen in die Strategie- und Risikosteuerung (bspw. Risikotragfähigkeit). Die Differenzierung der Größenklassen und damit ggf. in Verbindung stehenden Wechsel der Größenklassen müssen frühzeitig erkannt und durch geeignete Maßnahmen umgesetzt werden. Insbesondere junge Institute stehen vor der Herausforderung des Umgangs mit den angelegten Durchschnittsbetrachtungen bzgl. der Eigenmittelanforderungen innerhalb der K-Faktoren, welche über das Gründungsdatum hinaus in die Historie gehen. Des Weiteren fordert die Bundesbank mittels vorgege-bener Taxonomie nun die ganzheitliche Umstellung auf ein neues einheitliches Meldeformat. 

Unterstützung von Deloitte

Wir von Deloitte können mit unseren Überleitungs- und Validierungstools sowie der Erfahrung aus verschiedenen Umsetzungsprojekten gezielt bei den anstehenden Herausforderungen unterstützen. Durch unsere enge Begleitung von Wertpapierinstituten in der Umsetzung von IFR-Meldungen verfügen wir über die entsprechenden Erfahrungen hinsichtlich der einzelnen Implikationen im Rahmen der zu etablierenden Prozesse sowie der inhaltlichen Anforderungen der jeweiligen relevanten Meldetemplates. Vor diesem Hintergrund begleiten wir die technische Implementierung zur Sicherstellung der Meldefähigkeit mit den marktgängigen Softwarelösungen.

Falls Sie einen Ansprechpartner zum Thema Aufsicht von Wertpapierinstituten benötigen, kommen Sie gerne jederzeit auf uns zu. Wir unterstützen Sie bei der Auswirkungsanalyse der neuen Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen basierend auf den K-Faktoren oder den Änderungen, die sich aus dem neuen Regime für Ihr Wertpapierinstitut ergeben sowie bei der Meldungserstellung. Gerne geben wir Ihnen einen Überblick über die anwendbaren Vorschriften und sind Ihnen bei der Umsetzung der neuen und bereits existierenden Anforderungen in Ihrem Unternehmen behilflich. 

In unserem Blog halten wir Sie auf dem Laufenden über weitere Analysen zur IFR und zum WpIG sowie über die anstehenden Umsetzungsherausforderungen. 

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