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Elektromobilität: Prognose für den deutschen Markt nach COVID-19 und dem Konjunkturpaket 2020

Welchen Einfluss haben COVID-19 und das Konjunkturpaket auf den Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben?

Bereits ohne die COVID-19-Pandemie war die Zielerreichung von einem Bestand von 10 Mio. Elektrofahrzeugen in Deutschland für das Jahr 2030 auf dem Stand des Klimaschutzprogramms von 2019 ambitioniert. Nach Berechnungen von Deloitte werden die Auswirkungen von COVID-19 den kumulierten Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben bis 2030 um bis zu 500.000 Einheiten reduzieren. Doch das kürzlich beschlossene Konjunkturpaket wird sich positiv auf den Hochlauf alternativer Antriebe auswirken, den negativen Einfluss der COVID-19 Pandemie kompensieren und letztlich die Entwicklung hin zu alternativen Antrieben mit insgesamt 650.000 Einheiten beschleunigen. Zusätzlich haben die Unternehmen der Automobilindustrie die Chance, die Transformation um weitere 1,4 Millionen Einheiten voranzutreiben.

COVID-19 und der Einfluss auf die Automobilindustrie in Deutschland

Die Pandemie hat in vielerlei Hinsicht einen entscheidenden Einfluss auf die Automobilindustrie. Doch in welche Richtung entwickelt sich die Elektromobilität und mit welchen Zulassungszahlen kann bis 2030 gerechnet werden?

Noch im Januar 2020 – also vor der Krise – prognostizierte Deloitte auf Basis des Elektromobilitätsmodells kumulierte Neuzulassungen mit alternativen Antrieben von insgesamt 6,2 Mio. bis 2030 (vgl. Abbildung 1). Dabei unterstützen insbesondere die 2019 beschlossenen Maßnahmen des Autogipfels sowie des Klimaschutzprogramms 2030 den Hochlauf alternativer Fahrzeuge. Dennoch zeigt sich eine deutliche Abweichung vom hierzulande angestrebten Ziel und von den durch die CO2-Regularien erforderlichen 7-10 Mio. E-Fahrzeugen und Plug-In Hybriden bis 2030 um fast 4 Mio. Fahrzeuge.

Abb. 1 - Entwicklung kumulierter Zulassungen von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben bis 2030 (Erwartungswerte und Einflüsse)

COVID-19: Reduzierter Absatz von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben

Die COVID-19-Krise wird die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland signifikant verlangsamen. Sie könnte den Absatz sogar um bis zu 500.000 Fahrzeuge reduzieren. Damit läge die Anzahl derer mit alternativem Antrieb 2030 statt bei 6,2 Mio. bei 5,7 Mio. Der Einfluss lässt sich grundsätzlich in die folgenden beiden Hebel unterteilen:

  • Mit den prognostizierten Zulassungszahlen für den deutschen Markt (Quelle: IHS Markit) werden die Neuzulassungen mit alternativen Antrieben um 420.000 Einheiten reduziert.
  • Im Zuge der Krise könnten wirtschaftliche Aspekte für Konsumenten wichtiger werden als Umweltfaktoren, womit einer allumfassenden Kostenbetrachtung wieder mehr Gewicht zukommen würde. Dies würde die Zulassung von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben um bis zu 80.000 Einheiten verringern.

Einfluss des Konjunkturpakets der Bundesregierung

Die umfassenden Maßnahmen des Konjunkturpakets der Bundesregierung haben das Potenzial, den negativen Einfluss der COVID-19 Pandemie auf den deutschen Automobilmarkt zu kompensieren und langfristig nachhaltige Rahmenbedingungen zur Förderung der Zulassungen alternativer Antriebe für bis zu 650.000 Einheiten zu schaffen.

Die einflussreichsten Faktoren, die auf Basis aktueller Informationen berücksichtigt werden können, sind die folgenden:

  • Strompreis: Die Anpassung der EEG-Umlage für die nächsten zwei Jahre auf 6,5 ct/kWh bzw. 6,0 ct/kWh fördern den Hochlauf um insgesamt 50.000 Einheiten.
  • Innovationsprämie: Die kurzfristige Verdoppelung der Förderung von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen mit bis zu 6.000 EUR bis Ende 2021 sowie die erweiterte Kaufpreisgrenze der Steuerbegünstigung von reinelektrisch angetriebenen Dienstfahrzeugen von 40.000 auf 60.000 EUR führen insgesamt zu einer erhöhten Nachfrage von 150.000 Fahrzeugen mit alternativen Antrieben.
  • Nachhaltige Zukunftsinvestitionen: Die Maßnahmen der direkten Förderung von Herstellern und Zulieferern für Zukunftsinvestitionen mit bis zu 2 Mrd. EUR bis Ende 2021 sowie die Förderung des Masterplans Ladeinfrastruktur, Forschungs- und Entwicklungsprojekten im Bereich der Elektromobilität und der Batteriezellenfertigung mit bis zu 2,5 Mrd. EUR wird den Hochlauf alternativer Antriebe um weitere 450.000 Einheiten unterstützen.

Insgesamt führen die Maßnahmen der Bundesregierung zu einem neuen Erwartungswert von 6,35 Mio. Fahrzeugen mit alternativen Antrieben in Deutschland bis 2030.

Hinweis: Das Konjunkturpaket beschreibt weitere, sich tendenziell positiv auf den Hochlauf auswirkende Maßnahmen, die aktuell noch nicht im Detail bekannt sind und daher an dieser Stelle nicht in die Prognose einbezogen wurden. Dabei stehen insbesondere die Staffelung der Kfz-Steuer für Fahrzeuge mit einem Ausstoß oberhalb von 95 g CO2/km, eine in Zukunft diskutierte erweiterte Steuerbegünstigung für Plug-in-Hybridfahrzeuge sowie die direkten Auswirkungen der Reduzierung der Mehrwertsteuer vom 01.07. bis zum 31.12.2020 in 2020 im Fokus.

Staat: Kurzfristige Möglichkeiten für eine beschleunigte Transformation

Basierend auf den beschlossenen Maßnahmen des Konjunkturpakets hat der Staat weiterhin das Potenzial, den Wandel mit einer erweiterten Innovationsprämie sowie einer gestaffelten Anhebung des Kraftstoffpreises zusätzlich mit 0,4 Mio. Fahrzeugen mit alternativen Antrieben zu fördern.

  • Innovationsprämie: Mit einer Verlängerung der erhöhten Kaufprämie bis Ende 2023 würden laut unserer Prognose weitere 150.000 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben neu zugelassen.
  • Kraftstoffpreis: Orientiert an einer diskutierten Anhebung des Kraftstoffpreises (Quelle: Umweltbundesamt) ab 2021 bis 2024, hier um insgesamt 30 Cent, würden weitere 250.000 alternativ angetriebene Fahrzeuge neu zugelassen.

Unternehmen und Verbraucher: Längerfristige Chancen

Langfristig sind aber notwendige Maßnahmen seitens der Unternehmen der Automobilindustrie erforderlich. Sie haben die Chance, die Transformation mit bis zu 1,4 Mio. zusätzlichen Fahrzeugen mit alternativen Antrieben als größter Hebel voranzutreiben – mit den folgenden Einflussfaktoren:

  • Batterietechnologie: Aufbauend auf den beschlossenen Maßnahmen wird die erweiterte Optimierung des Batteriepreises 2023 auf unter 75€ und 2026 unter 50€ je kWh die Nachfrage um weitere 320.000 Fahrzeuge steigern. Eine zusätzliche Reduzierung des Stromverbrauchs auf unter 19 kWh/100km innerhalb der Luxusklasse und 13 kWh/100km bei Kleinstwagen bis 2025 würde die Nachfrage für weitere 140.000 Fahrzeuge schaffen.
  • Plattformeffekt: Intensive Investitionen in den Aufbau von Plattformen und die Nutzung von Skaleneffekten reduzieren die Mehrkosten für Fertigung und Material. Darüber hinaus verringern sich die Umlagen von Forschung und Entwicklung– weitere 640.000 Fahrzeuge mit alternativen Antrieben werden potenziell nachgefragt.
  • Infrastruktur: Innovative Ladekonzepte in urbanen Räumen sowie eine stärkere Fokussierung auf Kooperationen bei der Entwicklung neuer Ladekonzepte würde die Nachfrage nach Fahrzeugen mit alternativen Antrieben um 300.000 Einheiten erhöhen.

Werden die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Beschleunigung der Transformation hin zu alternativen Antrieben zielstrebig verfolgt, besteht die Chance, die Akzeptanz aufseiten der Verbraucher zu erhöhen. Ein steigendes Grundinteresse an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen kann zu weiteren 350.000 Neuzulassungen führen. Auf Basis der beschlossenen Maßnahmen und der Beschleunigungsansätze kann ein neuer Erwartungswert von 8,5 Mio. Fahrzeugen mit alternativen Antrieben bis 2030 erreicht werden (vgl. Abbildung 2).

Das gegenwärtige Ziel von bis zu 10 Mio. Fahrzeugen mit alternativen Antrieben bis 2030 (Quelle: Bundesregierung) bleibt weiterhin in weiter Ferne. Doch durch proaktives Handeln auf Seiten der Industrie und der Kunden kann die aktuelle Situation aktiv genutzt werden, den Wandel umso stärker voranzutreiben. Denn die Bundesregierung hat innerhalb der letzten beiden Jahre eine Vielzahl an staatlichen Maßnahmen zur Förderung des Hochlaufs von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben in die Wege geleitet. Jetzt sind insbesondere die Unternehmen der Automobilindustrie gefragt, diese Ansätze aufzunehmen, sich strategisch den Veränderungen anzupassen und den Wandel der Industrie mit zu gestalten. Denn langfristig wird der Marktanteil des Verbrennungsmotors sinken und sich Fahrzeuge mit alternativen Antrieben etablieren. 

Abb. 2 – Beitrag möglicher Maßnahmen von Unternehmen, Staat und Verbrauchern zur Entwicklung der Zulassungszahlen von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben