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The Future of Automotive Sales and Aftersales

Analyse des Einflusses von Industrietrends auf die Umsätze und Gewinne von Automobilherstellern in den Märkten China, Euro5, Japan und US bis 2035

Bereits vor COVID-19 stand die Automobilindustrie vor weitreichenden Herausforderungen mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle. Megatrends wie Konnektivität, alternative Antriebe, nutzungsbasierte Mobilität und autonomes Fahren werden die Zukunft des Automobilvertriebs neu definieren. Das Ziel unserer Studie ist es, ganzheitlich den Einfluss dieser Industrietrends auf die Umsätze und Gewinne eines fiktiven Automobilherstellers herauszustellen sowie Chancen in den Bereichen Financial Services, Mobility as a Service und Car as a Platform darzulegen. Hierzu schauen wir auf einen Zeithorizont bis 2035 und betrachten die geographischen Märkte China, Euro5, Japan und US. Die Studie zeigt konkreten Handlungsbedarf für Automobilhersteller über alle Geschäftsfelder auf.

Automobilindustrie: Vertrieb und Service in 2035

Der Blick in die Zukunft stellt die Automobilbranche vor wichtige Fragen:

  • Werden OEMs in Zukunft gleichermaßen profitabel bleiben?
  • Werden Automobilhersteller mit neuer Konkurrenz aus der Technologiebranche in einer zukünftigen Mobilitätswelt Schritt halten können?
  • Wie stark wird sich die Elektrifizierung auf das hochprofitable Aftersales-Geschäft auswirken?
  • Wie werden sich Marktpotenzial und Kundenverhalten in den einzelnen Regionen unterscheiden?

Die Deloitte-Studie „Future of Automotive Sales and Aftersales“ untersucht in verschiedenen Szenarien die Auswirkungen der Megatrends Konnektivität, alternative Antriebe, Carsharing und autonomes Fahren bis 2035 auf Umsatz und Profit im Fahrzeugabsatz und Aftersales-Geschäft der Autobranche.

Fokus der Studie sind die Märkte China, USA, Japan sowie der Markt der fünf EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien (Euro5). 

Video: Wie wird sich der Automobilvertrieb bis 2035 verändern?

Unsere Experten geben Einblicke in die erwarteten Entwicklungen für die Märkte Euro5, China, Japan und die USA.

Konnektivität

Wir gehen davon aus, dass im Jahr 2035 jedes Fahrzeug Daten senden und empfangen kann und bei einem großen Teil aller Neuzulassungen die Gesamtheit aller Konnektivitätsfunktionen integriert sein wird. Der Großteil der Konsumenten wird außerdem “online” kaufen und vernetzte Anwendungen gewinnen an Bedeutung.

Alternative Antriebe

Wir erwarten, dass zukünftig verschiedene Antriebsformen koexistieren und die Durchdringung regional sehr unterschiedlich sein wird. Der Einsatz von alternativen Antrieben wird insbesondere von sinkenden Produktionskosten, Regulatorik, Ladeinfrastruktur und steigender Leistung getrieben.

Nutzungsbasierte Mobilität

Durch den Rückgang des privaten Fahrzeugbesitzes erwarten wir, dass Fahrzeuge im Jahr 2035 stärker ausgelastet werden. Flottenkunden werden für die meisten Automobilhersteller das größte Kundensegment darstellen und Mobilitätsdienste werden insbesondere durch das autonome Fahren einen starken Anschub erleben.

Autonomes Fahren

Die größte Hürde liegt zwischen ADAS (Advanced Driver Assistance Systems) Level 3 und Level 4. Wir schätzen, dass sich Level 4 und Level 5 Fahrzeuge erwartungsgemäß von derzeit 0% auf einen 5-10% Anteil an Neuzulassungen im Jahr 2035 erhöhen – je nach Region. In einem disruptiven Szenario erwarten wir einen signifikant höheren Anteil in allen Regionen.

Studiendesign: Branchentrends und der Einfluss auf die Geschäftsfelder

Integraler Bestandteil der Studie ist ein Modell zur Bewertung der quantitativen Auswirkungen möglicher Zukunftsszenarien auf die Umsätze und Gewinne der OEMs. Dafür wurde für jedes Geschäftsfeld, sowohl in neuen als auch in traditionellen Segmenten, analysiert, wie sich die Industrietrends auf die definierten Hebel auswirken.

Zentrale Erkenntnisse der Studie: Was bringt die Zukunft für die Märkte Euro5, China, Japan und US?

Die folgenden Erkenntnisse stellen ein "Base Case"-Szenario dar, bei dem die prognostizierte Entwicklung der Branchentrends eintritt und der fiktive Autohersteller keine wesentliche Transformation im Unternehmen vornimmt. In einem disruptiveren Szenario würden die Ergebnisse voraussichtlich noch drastischer ausfallen.

Im beschriebenen "Base Case"-Szenario erfährt der fiktive OEM ein durchschnittliches jährliches Umsatzwachstum von drei Prozent von 2018 bis 2035. Von allen betrachteten Märkten trägt die Entwicklung in China am meisten zum Gesamtwachstum bei. Andere Märkte zeigen nur ein moderates oder geringfügiges positives Wachstum. In Euro5 und Japan gehen selbst traditionelle Geschäftsfelder zurück und der Verlust kann nur durch Wachstum in neuen Geschäftsfeldern kompensiert werden. Obwohl die globale Umsatzentwicklung vielversprechend zu sein scheint, zeigt ein Blick auf die Profitabilität, dass es OEMs schwer haben werden, im Jahr 2035 in gleichem Maße profitabel zu sein, ohne sich maßgeblich zu transformieren.

Der Gesamtfahrzeugabsatz wächst im Basisfall um 25 Prozent. Das größte Wachstum kommt aus China, in den Vereinigten Staaten wächst das traditionelle Geschäftsfeld des klassischen Fahrzeugverkaufs leicht. Euro5 und Japan weisen sowohl bei den Neuwagen- als auch bei den Gebrauchtwagenverkäufen rückläufige Umsätze auf. In jedem Markt wird eine signifikante Verlagerung von Privat- zu Flottensegmenten und von stationären zu Online-Verkäufen erwartet – ein weiterer Grund, warum es in allen Märkten zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren gehören wird, den Omnichannel-Vertrieb mit einem Fokus auf den Direktvertrieb zu beherrschen.

Das Aftersales-Geschäft erfährt im Jahr 2035 voraussichtlich einen Rückgang von elf Prozent. In disruptiveren Szenarien wird der Rückgang wesentlich stärker ausfallen. Branchentrends – vor allem die zunehmende Durchdringung von alternativen Antrieben – gefährden damit die Gesamtgewinne des betrachteten Automobilherstellers. China stellt den einzigen wachsenden Markt im Aftersales-Bereich dar, der von einer stark wachsenden Fahrzeugflotte getrieben wird. Gleichzeitig hat China jedoch den höchsten Anteil an alternativen Antrieben.

„Die sich abzeichnenden Profitabilitätsrückgänge, die wir in unserer Studie zeigen, werden die Hersteller durch die COVID-19-Pandemie früher und insbesondere stärker spüren, wenn die Umsätze massiv einbrechen, wie wir es aktuell bereits in den von uns betrachteten Märkten sehen“

Dr. Thomas Schiller, Managing Partner Clients & Industries bei Deloitte

Wachstumsmöglichkeiten in neuen Geschäftsfeldern?

Die Umsätze in neuen Geschäftsfeldern bergen ein enormes Marktpotenzial, können aber den Verlust in den traditionellen Geschäftssegmenten, insbesondere beim Deckungsbeitrag, nicht ohne weiteres kompensieren.
Aufgrund des starken Wachstums in China verdoppeln sich die Einnahmen im Bereich Finanzdienstleistungen nahezu – 2035 steuert das Land mehr als die Hälfte der Einnahmen des fiktiven OEMs im Bereich Finanzdienstleistungen bei.
Es wird erwartet, dass dienstleistungsbasierte Geschäfte in jedem Markt zulegen, auch angetrieben durch das Wachstum neuer Geschäftssegmente. Den Omnichannel-Vertrieb mit dem Schwerpunkt auf Direktvertrieb zu beherrschen, wird in allen Märkten für das asset- und dienstleistungsbasierte Geschäft ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Gerade das verstärkt digitalisierte Konsumverhalten in Zeiten von COVID-19 kann sich auch auf die Automobilbranche niederschlagen. Dann wäre zu erwarten, dass digitale Kauf- und Serviceprozesse extrem an Relevanz gewinnen.

Im Geschäftsfeld „Mobility as a Service“ kann der Automobilhersteller ein signifikantes Umsatzwachstum verzeichnen und bereits in einem Basisszenario bis 2035 mit einer durchschnittlichen jährlichen Gesamtrate von elf Prozent wachsen. Flottendienste profitieren vom Shared Mobility-Trend und können sich mit einer gezielten Mehrmarkenstrategie breiter aufstellen und größere Teile der Käuferschaft erreichen. Die Gestaltung des neuen Mobilitätsumfelds bietet erhebliches Potenzial für die Steigerung der Gewinne. Als ganzheitlicher "Full-Service-Mobilitätsanbieter" könnten OEMs von erheblichen Synergieeffekten profitieren, wenn sie über die gesamte Customer Journey hinweg alle Kontaktpunkte mit den Nutzern kontrollieren und dadurch Umsätze in allen Teilbereichen optimieren. Dies würde jedoch eine massive Transformation der Automobilhersteller erfordern.

Es ist zu erwarten, dass auch die direkten Umsätze im Geschäftsfeld „Car as a Platform“ steigen. Investitionen in vernetzte Anwendungen sind aber vor allem dringend notwendig, um Umsätze in allen anderen Geschäftsfeldern einzufangen und Gewinne zu optimieren. Insgesamt dürfte das Segment „Car as a Platform“ mit einem Anteil von nur vier Prozent des gesamten OEM-Geschäfts relativ klein bleiben. Die in China generierten Umsätze im Bereich Connected Services werden den größten Teil des Umsatzwachstums ausmachen. Automobilhersteller sollten ihre Initiativen und Partnerschaften auf den Prüfstand stellen, um Profitabilität zu erreichen und zukünftigen Endkonsumentenbedürfnissen zu entsprechen.

Laden Sie hier die Studie herunter, um mehr über die Zukunft des Automobilvertriebs in den Märkten Euro5, China, Japan und US zu erfahren.

Deep Dive Germany: Die Zukunft von Automobilvertrieb und -Service in Deutschland

Übergreifend lässt sich zusammenfassen, dass traditionelle Geschäftsfelder wie der klassische Fahrzeugverkauf und das Aftersales Geschäft in Deutschland bis 2035 massiv zurückgehen. Der Umsatz mit Finanzdienstleistungen wird erwartungsgemäß weiter steigen und neue Geschäftsfelder mit Mobilitätsdienstleistungen oder „Car as a Platform“ bergen hohes Umsatzwachstum, können aber die Verluste in traditionellen Geschäftsfeldern ohne tiefgreifende Unternehmenstransformation nicht kompensieren.
Aus einer Gesamtmarktbetrachtung wird der Neuwagen- und Gebrauchtwagenverkauf in Deutschland bis 2035 um 16% zurückgehen. Bei Neuwagenverkäufen erwarten wir einen Umsatzrückgang von 7% (12% Volumenrückgang), getrieben vor allem von sozialökonomischen Faktoren wie einem zunehmenden durchschnittlichen Bevölkerungsalter.

Das Aftersales-Geschäft in Deutschland wird in seiner derzeitigen Struktur stark unter der zunehmenden Durchdringung von alternativen Antrieben leiden, welche 12% des derzeitigen Gesamtdeckungsbeitrags der Automobilhersteller gefährdet. Umsätze und Gewinne werden im Bereich Wartung und Instandhaltung am stärksten einbrechen, doch auch die Bereiche Unfall, Reparatur, Verschleiß und Zubehör werden negativ durch Industrietrends und eine insgesamt kleiner werdende Fahrzeugflotte beeinflusst.
In den traditionellen Geschäftsfeldern sind die Implementierung eines Direktvertriebs und die Umstrukturierung des stationären Vertriebsnetzes überfällige Sofortmaßnahmen, um vor allem Flotten- und Onlinekunden entsprechend zu bedienen.

Das Geschäft mit der Fahrzeugfinanzierung erlebt ein konstantes Wachstum im traditionellen Leasing und Kreditgeschäft sowie neue Umsätze mit der Bereitstellung der Zahlungsabwicklung für verschiedene „Car as a Platform“- und Mobilitätsdienstleistungen. Optimiertes Restwertmanagement und neues Geschäftsmodelle in der Wiedervermarktung von Gebrauchtwagen tragen elementar zum Gesamtumsatzwachstum von erwartungsgemäß 31% bei.

Neue Geschäftsfelder wie „Mobility as a Service“ oder „Car as a Platform“ werden voraussichtlich rapide wachsen: Mit einer zunehmenden Anzahl an Fahrzeugen im Flottenkundenbesitz, werden zum Beispiel Umsätze im Flottenmanagement steigen. Starkes Umsatzpotenzial in der Personenbeförderung ergibt sich für Automobilhersteller aber erst, wenn Industrietrends stark eintreten. Dann wird das Gesamtmarktpotenzial alleine für Robo-Taxis und Robo-Shuttles in Deutschland auf 16,7 Mrd.€ geschätzt.

Eine erzwungene Transformation hinein in die neuen Geschäftsfelder, im schlimmsten Fall unter Vernachlässigung der traditionellen Geschäftsfelder, kann nicht jedem Automobilhersteller empfohlen werden. Gerade Mobilitätsdienstleistungen, die nah am Endkonsumenten stattfinden, werden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bis 2035 einer kompetitiven „Winner takes all“ Marktdynamik ausgesetzt sehen, und eine holistische und investitionsaufwändige Portfoliostrategie ist notwendig, um Profitabilität zu erreichen und zukünftigen Endkonsumentenbedürfnissen zu entsprechen.
Direkte Umsätze mit „Car as a Platform“ Diensten wie “value-added services” oder Datenmonetarisierung bergen vielleicht nicht das oft vermutete Umsatzpotenzial, dennoch sind Investitionen in vernetzte Anwendungen in jeder Hinsicht dringend notwendig, um Umsätze in allen anderen Geschäftsfeldern einzufangen und Gewinne zu optimieren.