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W&I Versicherungen 

Vom Nischenprodukt zum Kassenschlager 

In den letzten beiden Jahren mussten wir uns an vieles gewöhnen, das wir sonst nur aus den Erzählungen der Nachkriegsgeneration kannten. Von Hamsterkäufen bei Toilettenpapier bis hin zu Rohstoff- und Materialknappheit für die Wirtschaft. Keiner hätte aber gedacht, dass auch die Nachfrage nach W&I Versicherungen die Angebote übersteigen würde und Anbieter bereits im Oktober 2021 ihre Türen für das Jahr schließen. So unerfreulich diese Erfahrung für viele unserer Kunden war, so ist dies gleichzeitig die Bestätigung, dass sich das einstige Nischenprodukt endgültig zum festen Bestandteil des M&A Toolkits entwickelt hat.

Das vergangene Jahr war aber nicht nur geprägt von einer besonders hohen Nachfrage nach W&I Versicherungen. Vielmehr setzte sich der durch den starken Verkäufermarkt getriebene Trend der letzten Jahre fort, dass mehr und mehr synthetische Deckungsbausteine Einzug in die W&I Policen finden, wie etwa

  • von den Verjährungsfristen unter dem Kaufvertrag völlig losgelöste Laufzeiten der Policen oder
  • komplett eigenständige Definitionen, z.B. beim Schadensbegriff oder den Definitionen von Fairly Disclosed oder Sellers' Knowledge, die nicht mehr wie vorher den Wortlaut des Kaufvertrages spiegeln müssen,
  • bis hin zu vollständig (nur in der Versicherungspolice und nicht mehr im Kaufvertrag enthaltenen) synthetischen Garantiekatalogen. 

M&A Versicherungspolicen bieten Versicherungsschutz für die Haftungsrisiken aus Unternehmenstransaktionen, entweder über die Warranty & Indemnity (W&I) Versicherung zur Absicherung der vom Verkäufer im Kaufvertrag gegebenen Garantien oder eine Tax Liability Versicherung zur Absicherung von bereits identifizierten Steuerrisiken oder eine Kombination aus beidem.

Der starke Verkäufermarkt verführt viele Verkäufer dazu, in ihren Vertragsentwürfen teilweise vollständig auf Garantien zu verzichteten und Kaufinteressenten ausschließlich an den Versicherer zu verweisen. Gerade in Auktionsprozessen bringen Kaufinteressenten selten den Mut auf, eine Risikoabdeckung durch (zuvor marktübliche) Verkäufergarantien zu verlangen. Dies führt nicht selten dazu, dass Käufer sich entweder mit  nicht ausreichendem (Versicherungs-) Schutz,  abfinden müssen  oder aber gegen Ende des Verkaufsprozesses mit dem Verkäufer eben doch in langwierige und schwierige Verhandlungen über eine adäquate Risikoverteilung und damit letztendlich über eine (wenn auch beschränkte) Haftung des Verkäufers für Garantieverletzungen eintreten müssen, da bei ihrer meist kurzfristigen Anfrage vom Versicherungsmarkt regelmäßig keine synthetische Deckung erlangt werden konnte. Grund genug, sich als Kaufinteressent genauer und rechtzeitig vor Abgabe eines verbindlichen Angebots, oder auch als Verkäufer, vor Beginn des Verkaufsprozesses mit synthetischen Versicherungsdeckungen auseinanderzusetzen.

Auch Deloitte bietet nun über die neu gegründete Deloitte Broker GmbH  Unterstützung bei der Vermittlung und Platzierung von W&I und Tax Liability Versicherungen an. Unter der Leitung von Nikola Pamler  , die seit gut 10 Jahren als Versicherungsmaklerin W&I Versicherungen vertreibt, wird künftige ein Team aus erfahrenen M&A Versicherungsspezialisten unseren Kunden in Kooperation mit Deloitte Legal auch bei diesen Themen zur Seite stehen. 

Was genau versteht man unter dem allgegenwärtigen Begriff der synthetischen Versicherungsdeckung?

Bei der Versicherung mit synthetischer Versicherungsdeckung bestehen wie bei der klassischen W&I Versicherung zwei Verträge mit unterschiedlichen Vertragsparteien. Zum einen der zwischen Käufer und Verkäufer verhandelte Unternehmenskaufvertrag mit einem weitgehenden Haftungsausschluss und üblicherweise ohne Garantiekatalog. Zum anderen der zwischen Käufer (als Versicherungsnehmer) und Versicherer verhandelte Versicherungsvertrag mit synthetischer Versicherungsdeckung, in welchem sich der Versicherer dazu verpflichtet, die finanziellen Risiken des Käufers daraus zu übernehmen, dass sich bestimmte im Versicherungsvertrag zwischen Käufer und Versicherer vereinbarte synthetische Garantien als falsch erweisen bzw. sich bestimmte Risiken von denen freigestellt werden soll, realisieren.

Anders als bei herkömmlichen W&I Versicherungen findet sich daher bei synthetischen Policen weder ein Bezug auf einen im Kaufvertrag enthaltenen und zwischen Käufer und Verkäufer vereinbarten Garantiekatalog, noch auf andere für die Haftungsbestimmung erforderliche Definitionen unter dem Kaufvertrag. All dies findet sich ausschließlich im zwischen Käufer und Versicherer geschlossenen Versicherungsvertrag. Daher darf man unter einer synthetischen Versicherungsdeckung kein starres Produkt des W&I Versicherers verstehen, sondern das Ergebnis der Verhandlungen des Versicherers mit dem Käufer über die im Rahmen der Versicherungspolice abgesicherten Garantien.

Mit dem Verzicht auf vom Verkäufer gegebene Garantien verzichten Versicherer auf ihr letztes Sicherheitsnetz, nämlich die Möglichkeit, den Verkäufer im Falle von Betrug, Arglist oder „ins Blaue hinein“ abgegebene Garantien in Regress nehmen zu können. Zudem entsteht bei Versicherern naturgemäß eine Skepsis, wenn ein Verkäufer nicht gewillt ist Garantien für die Richtigkeit seiner Aussagen im Kaufvertrag zu übernehmen, obwohl er sein Haftungsrisiko durch eine herkömmliche W&I Versicherung quasi auf „Null“ reduzieren könnte. 

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Versicherer beim Thema synthetische Versicherungspolicen (bislang) eher zurückhaltend auftraten und diese meist nur in Fällen anbieten, welche für sie als „kalkulierbar“ erscheinen.

So haben einige Versicherer für Immobilientransaktionen eine eigene synthetische Police auf den Markt gebracht, welche einen Standard-Garantiekatalog (inkl. Prüfungsanweisungen an die Due- Dilligence-Teams des Käufers) enthält. Diese Entwicklung ist nur konsequent, da Immobilientransaktionen für viele Versicherer als Transaktionen mit vergleichsweise leicht einzuschätzenden Risiken gelten, insbesondere weil hier bereits viele Schritte standardisiert sind bzw. auch ohne Mithilfe des Verkäufers sehr gründlich geprüft werden können, was dem Versicherer den notwendigen Komfort bietet. 

Unabhängig vom Industriezweig der Transaktion lassen sich Versicherer aber auch durch eine gute Argumentation des Maklers auf das Abenteuer „synthetische Versicherungspolice“ ein, wenn dieser klar darlegen kann, warum der Verkäufer in dieser Transaktion gerade keine Garantien abgeben kann oder die Vereinbarung eines Garantiekatalogs zwischen Käufer und Versicherer in der spezifischen Situation der bessere Weg ist. Ein klassisches Beispiel ist der Verkauf durch den Insolvenzverwalter, der regelmäßig nicht in der Lage sein wird, werthaltige Garantien abzugeben (jedenfalls beim typischen Fall des Asset Deals) und auch mit Blick auf persönliche Haftungsrisiken ein gesteigertes Interesse daran hat, auf die Abgabe von Garantien vollständig zu verzichten.  Dazu kommt mangelndes Wissen über die Zielgesellschaft und ein oft schlechter Zugang zu Informationen. Aber auch andere Konstellationen sind denkbar, in denen der Verkäufer eben keine Garantien abgeben kann oder bei denen eine andere Herangehensweise als sinnvollere Variante erscheint. Wie erwähnt, zeichnet sich sogar der Trend ab, dass am Markt auch in „klassischen“ M&A Transaktionen versucht wird, über eine W&I Versicherung eine synthetische Deckung zu erreichen. Dies erfordert aber in jedem Fall eine gute und rechtzeitige Vorbereitung und Durchführung der Transaktion.

Zum einen kommt es auf die Marktkenntnis des Maklers an, der bei jeder Transaktion individuell prüfen muss, welche Versicherer für die angestrebte synthetische Versicherung in Frage kommen bzw. sich überzeugen lassen, diese anzubieten. Denn nicht jeder W&I Versicherer ist gleich erfahren und gleich Willens, diesen Weg zu gehen. Zum anderen ist es bei diesen Fällen besonders wichtig, dass es dem Makler gelingt, den Versicherer von der Redlichkeit des Verkäufers zu überzeugen und die Hintergründe für dessen Weigerung zur Abgabe von Garantien überzeugend darzulegen. Zudem verlangen solche Fälle eine besonders ausführliche und gründliche mit dem Versicherer abgestimmte Due Diligence Prüfung durch die Berater des Käufers, basierend auf einem ausführlichen Offenlegungsprozess. Diese muss von Seiten der Kaufinteressenten gut vorbereitet, aber auch von Seiten des Verkäufers durch die Bereitstellung entsprechender Informationen ermöglicht werden.

Zuweilen mag es Fälle geben, in denen der W&I Versicherer mit den zur Verfügung stehenden Informationen nicht zufrieden ist oder auch Zweifel an der Erklärung hat, warum der Verkäufer sich gehindert sieht, Garantieerklärungen in den Transaktionsdokumenten abzugeben. 

In diesen Fällen kann die Abgabe einer sog. Management Warranty Deed (auch Management Warranty Declaration) notwendig werden, um die synthetische Garantielösung möglich zu machen. Hierbei handelt es sich schlicht um einen zwischen der Geschäftsleitung der Zielgesellschaft und dem Käufer verhandelten Garantiekatalog, auf den der W&I Versicherer letztlich den Versicherungsschutz gewährt. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass es teilweise erheblicher Anstrengungen bedarf (wenn überhaupt möglich), die Geschäftsleitung dazu zu bringen, einen solchen Garantiekatalog zu formulieren, bzw. an der Formulierung mitzuwirken. Hauptgrund hierfür dürfte die Sorge um eine persönliche Haftung der Geschäftsleiter sein. Möchte man das Management von der Abgabe einer solchen Erklärung überzeugen, kann es notwendig sein, eine entsprechende Freistellungserklärung abzugeben oder aber die Geschäftsleitung anderweitig zu incentivieren. Insbesondere weil die Kaufinteressenten in vielen Fällen wollen, ja bisweilen darauf angewiesen sind, dass das Management auch nach dem Erwerb an Bord bleibt, sind die Möglichkeiten eine solche Erklärung zu erlangen begrenzt. 

Doch wie groß ist  aktuell die Bereitschaft von Anbietern von W&I Versicherungslösungen, synthetische Garantiekataloge zu versichern? Nikola Pamler, Director Financial Advisory bei Deloitte, hat mit einigen der führenden Anbietern am Markt gesprochen und hat gerade zu Beginn des neuen Jahres durchaus positives Feedback erhalten. Während die Versicherer sich zum Jahresende 2021 die Rosinen unter den angebotenen Transaktionen herauspicken konnten und Anfragen nach synthetischer Deckung oft unter den Tisch gefallen sind, besteht nun bei vielen Versicherern wieder Bereitschaft, sich mit einer synthetischen Deckungsanfrage zu befassen. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es nicht unmöglich scheint, auch für „typische“ M&A Transaktionen einen synthetischen Garantiekatalog mit einem W&I Versicherer zu schließen. Es erfordert aber eine gute und rechtzeitige Vorbereitung, tiefe Marktkenntnis und einen eingespielten Apparat an Beratern, die die Anforderungen der W&I Versicherer genau kennen und verstehen und diese auch im Rahmen des Transaktionsprozesses – sei es in der Due Diligence, sei es in der Erstellung und der Verhandlung der Transaktionsdokumente – umsetzen können. Gerne steht Ihnen unser interdisziplinäres Team aus Spezialisten aller relevanter Fachbereiche zur Seite, um mit Ihnen gemeinsam an der Umsetzung einer synthetischen Garantielösung zu arbeiten. 

Sie möchten mehr zu diesem Thema wissen? Dann sprechen Sie uns gerne an!

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