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Solvency-II-Review

Aktueller Stand und Ausblick

Seit der Einführung hat Solvency II gezeigt, dass das Aufsichtssystem gut funktioniert. Mit dem in der Rahmenrichtlinie verankerten Solvency-II-Review werden in ausgewählten Aspekten Nachjustierungen vorgenommen. Dies betrifft sowohl die quantitativen Anforderungen als auch die qualitativen Prinzipien sowie den Umfang der Berichterstattung. Im vorliegenden Artikel geben wir einen Überblick zur zeitlichen Planung und zu ausgewählten Aspekten des Reviews. Dabei basiert der vorliegende Artikel auf dem Ergebnis der stattgefundenen Trilog-Verhandlungen bzw. des am 25.01.2024 veröffentlichten Kompromisstextes.

Der Review im zeitlichen Verlauf

Im Jahr 2019 hat die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) den Call for Advice von der Europäischen Kommission erhalten. Nach verschiedenen Konsultationen legte die EIOPA im Dezember 2020 ihren Advice zur Solvency -II-Überprüfung inkl. Auswirkungsanalyse auf insgesamt über 1.500 Seiten mit zahlreichen Änderungen an den Solvency-II-Regelungen vor.

Darauf basierend hat die Europäische Kommission im September 2021 ihre Legislativvorschläge zur Änderung der Solvency-II-Richtlinie sowie für eine neue Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (IRRD, Insurance Recovery and Resolution Directive) veröffentlicht. In diesem Zusammenhang wurde zudem über zukünftige Änderungen der Delegierten Verordnung informiert, die im Zuge des Solvency-II-Reviews von der Kommission in Erwägung gezogen werden. Die Veröffentlichung des Standpunktes (Allgemeine Ausrichtung) des EU-Rates zu Änderungen der Richtlinie „Solvabilität II“ erfolgte im Juni 2022. Anschließend erfolgte die Veröffentlichung der Stellungnahme des Europäischen Parlaments und der Start der Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Parlament, EU-Kommission und EU-Rat.

Nach intensiven Trilog-Verhandlungen haben der EU-Rat und das Europäische Parlament die Änderungen an der Solvency II-Richtlinie in Form des endgültigen Kompromisstextes vom 25.01.2024 bekanntgegeben. Die Änderungsrichtlinie bedarf einer Übersetzung in alle Amtssprachen sowie einer juristischen Prüfung, bevor sie im Plenum des Parlaments verabschiedet werden kann. Nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt und des Inkrafttretens müssen die Änderungen in den nationalen Gesetzen, wie dem VAG, umgesetzt werden. Mit einem effektiven Inkrafttreten der angepassten Solvency-II-Richtlinie sowie der IRRD wird damit frühestens im Jahr 2026 gerechnet.

Abb. 1 Themen des Reviews (Auszug)

Der vorliegende Artikel deckt die aus unserer Sicht wesentlichsten Änderungen der Rahmenrichtlinie für (Rück-)Versicherungen ab und gibt einen Ausblick auf die weiteren offenen Änderungen auf den darunterliegenden Ebenen. Dabei geht der Artikel nicht explizit auf alle Review-Themen abschließend ein. Weiterhin geben wir einen Überblick über Aspekte der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (IRRD).

1. LTG-Maßnahmen und Maßnahmen zum Aktienrisiko

Die Maßnahmen für langfristige Garantien (LTG-Maßnahmen) haben insbesondere für den deutschen Lebensversicherungsmarkt eine große Bedeutung vor allem die Extrapolation der risikofreien Zinsstrukturkurve, die Volatilitätsanpassung sowie die Übergangsmaßnahme bei den versicherungstechnischen Rückstellungen.

Die zukünftige Methode zur Extrapolation der Zinsstrukturkurve ist ein zentraler Diskussionspunkt im Rahmen des Solvency-II-Reviews. Im Kompromisstext wird nun für die alternative Extrapolationsmethode vorgegeben, dass der Extrapolationsbeginn der Zinskurve durch den neu eingeführten First Smoothing Point (FSP) bestimmt wird. Darüber hinaus wird bzgl. der Konvergenzgeschwindigkeit festgelegt, dass die Ultimate Forward Rate (UFR) ab einer Laufzeit von 40 Jahre nach dem FSP mindestens ein Gewicht von 77,5 % in den extrapolierten Forward Rates haben soll. Diese Vorgabe entspricht einem Konvergenzparameter α von ca. 11 %.

Durch das vorgeschlagene Extrapolationsverfahren soll eine höhere Marktkonsistenz erreicht werden. Gleichzeitig hängt die Konvergenzgüte von der Höhe der UFR und dem Startwert der Extrapolation ab, was insbesondere im Niedrigzinsumfeld zu deutlichen Unterschieden zu der bisherigen Smith-Wilson-Extrapolation führen kann.

Bis zum Jahr 2032 soll es diesbezüglich eine Phasing-In-Übergangsphase geben. Gleichwohl haben die Unternehmen die Auswirkungen auch ohne Phasing-In offenzulegen. Die Anwendung der Phasing-In-Regelungen ist in Anlehnung an die bestehenden Übergangsmaßnahmen bei der Aufsicht zu beantragen und bedarf der Genehmigung durch diese.

Die Ausgestaltung der Volatilitätsanpassung wird, mittels Modifikationen in der
Ermittlung ihrer Höhe, besser an ihre Zielsetzung (Minderung kurzfristiger
Volatilität in den Solvency-II-Ergebnisse durch Berücksichtigung der langfristigen Aussichten der Unternehmen) ausgerichtet. Der Kompromisstext ermöglicht einen Aufschlag von maximal 85 % (bisher 65 %) des credit-spreads auf die risikofreie Zinskurve. Zudem wird ein optionaler „Quality-Overshooting“-Faktor eingeführt, der normalerweise unter 100 % liegt und maximal zwei Quartale lang bis zu 105 % betragen kann. Weitere Details sind im Rahmen der Änderungen auf Ebene 2 noch weiter zu spezifizieren.

Bezüglich des Aktienrisikos wird eine Erweiterung des Korridors zur symmetrischen Anpassung und der langfristigen Investments in Infrastrukturfonds im Kompromisstext vorgenommen. Die symmetrische Anpassung existiert zur Verhinderung von prozyklischen Effekten im Rahmen der SCR-Berechnung. Es ist eine Ausweitung des zurzeit geltenden Korridors von +/- 10 % auf +/-13 % vorgesehen.

Die Bedingungen, unter denen Aktieninvestitionen als langfristig eingestuft werden können, werden angemessen vereinfacht. Dies erfolgte als Vorrausetzungen zur Anwendung des verringerten Schocks mit einem reduzierten Risikofaktor in Höhe von 22 % (statt 39 % oder 49 %, welcher nun direkt in der Rahmenrichtlinie festgelegt wird).

2. Versicherungstechnische Rückstellungen

Im Bereich der versicherungstechnischen Rückstellungen ist als wesentlicher Vorschlag die Änderung bei der Berechnung der Risikomarge herauszustellen, um die Höhe und Sensitivität für insbesondere langfristiges Geschäft zu verringern.

Im Kompromisstext wird der Kapitalkostensatz (Cost of Capital) in der Risikomarge auf 4,75 % (derzeit 6 %) festgelegt, was zu einer unmittelbaren Verringerung der Risikomarge und damit c.p. zu einer Erhöhung der SCR-Quoten führt. Zudem soll der nächste Review des Kapitalkostensatzes frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten der Änderung erfolgen.

Des Weiteren erwarten wir in den ausstehenden Änderungen der Ebene 2 weitere Anpassungen in der Berechnungsvorschrift. Diese Änderungen würden sich bei langfristigen Verbindlichkeiten positiv auf die Solvency-II-Ergebnisse auswirken. Grundsätzlich soll dazu in der Risikomargenberechnung ein exponentieller und zeitabhängiger Lambda-Faktor eingeführt werden, der den Wert und die Volatilität der Risikomarge für das langfristige Geschäft reduzieren würde.

3. Solvabilitätskapitalanforderungen

Im Bereich der Standardformel zur Berechnung der Solvabilitätskapitalanforderungen ist als wichtigster Aspekt im Rahmen des Solvency-II-Reviews die Rekalibrierung des Zinsänderungsrisikos herauszustellen.

Hintergrund dieser avisierten Änderung ist, dass im Zinsrückgangsrisiko im Falle negativer risikoloser Zinssätze in der aktuellen Ausgestaltung kein weiterer Rückgang unterstellt wird, was insbesondere im Niedrigzinsumfeld zu einer Unterschätzung des tatsächlichen Zinsrisikos führen kann.

Dabei wird ein relativer Shift-Ansatz diskutiert, wodurch das Zinsrisiko auch bei negativen Zinsen besser abgebildet werden soll. Gleichzeitig führt dieser neue Ansatz tendenziell zu Belastungen der Solvency II-Ergebnisse der Versicherungsunternehmen – insbesondere in einem Niedrigzinsumfeld. Zudem sollen die risikofreien Zinssätze im Extrapolations-Bereich der Zinskurve an eine Ultimate Forward Rate unter Stressbedingungen extrapoliert werden, statt die bereits extrapolierte Zinskurve nach Extrapolationsstart per relativen-Shift-Ansatz zu stressen.

Der Kompromisstext sieht eine schrittweise Einführung der geänderten Methodik über einen Phasing-In-Zeitraum von fünf Jahren vor. Gleichwohl haben die Unternehmen die Auswirkungen auch bezüglich dieses Aspekts ohne Phasing-In offenzulegen. Die Anwendung der Phasing-In-Regelungen ist in Anlehnung an die bestehenden Übergangsmaßnahmen bei der Aufsicht zu beantragen und bedarf der Genehmigung durch diese. Details zur Rekalibrierung des Zinsänderungsrisikos sind auf Ebene 2 noch final zu spezifizieren.

Darüber hinaus erfolgt der Auftrag an die EU-Kommission, die adäquate Berücksichtigung von Crypto-Assets in der SCR-Bestimmung für Marktrisiken zu regeln.

Die Richtline präzisiert die Anrechenbarkeit zusätzlicher Instrumente bei der Bestimmung der Eigenmittel und der jeweiligen Einteilung in die Tier Klassen, ebenfalls werden die Bestimmungen in Bezug auf ring-fenced-(own)-funds präzisiert.

4. Reporting und Offenlegung

Die Änderungen sehen grundsätzlich eine Erleichterung der Berichterstattungsanforderungen für Unternehmen mit niedrigem Risikoprofil vor, insbesondere um den Zugang zu Ausnahmen von der Berichterstattung und Beschränkungen der Berichterstattung für diese Unternehmen zu erleichtern. Weitere Erleichterungen beim Reporting werden sich durch Lockerungen der Deadlines und der inhaltlichen Ausgestaltung ergeben. Nachfolgend sind für einen Überblick auszugsweise die Berichte mit beispielhaften Änderungsvorschlägen aufgeführt.

Das Own Risk and Solvency Assessment (ORSA) wird im Umfang der Berichterstattung und Dokumentation um neue Aspekte erweitert (u.a. Nachhaltigkeitsrisiken, makroökonomische Risken, Liquiditätsrisiken), die eine tiefere Analyse des Risikoprofils einschließlich makroökonomischer und finanzieller Entwicklungen und spezifischer makroprudenzieller Faktoren verlangen, bspw. Zinsniveau, Finanzmarktindizes, Inflation, Pandemie, Klimawandel. Die ORSA-Bewertung ist für kleine und nicht-komplexe Unternehmen und unter bestimmten Bedingungen zweijährlich (statt jährlich) zulässig.

Die Fristverlängerung für den Solvency and Financial Condition Report (SFCR) von 14 auf 18 Wochen wird umgesetzt. Weiterhin erfolgt eine grundsätzliche Trennung zwischen dem an Versicherungsnehmer und an die Fachöffentlichkeit gerichteten Teilen. Die SFCR-Inhalte werden selektiv erweitert, um Informationen von Übergangsmaßnahmen bzw. Phasing-In-Aspekten für die Rückstellungsbewertung, Klimarisiken und Szenarien sowie Bericht über die Auswirkungen von Investitionen auf Nachhaltigkeit (sog. Principal Adverse Impact (PAI)-Statement).

Die Fristverlängerung für den jährlichen Regular Supervisory Report (RSR) von 14 auf 18 Wochen wird umgesetzt. Die Erstellung für kleine und nicht-komplexe Unternehmen (Small and Non-Complex Undertakings - SNCU) muss nunmehr mindestens alle drei Jahre erfolgen und nach Ermessen der Aufsichtsbehörde kann es auf bis zu fünf Jahre erhöht werden. Die EIOPA wird technische Standards für die RSR-Berichterstattung entwickeln, einschließlich risikobasierter Schwellenwerte für Meldeauslöser oder -ausnahmen.

Es erfolgt eine Überarbeitung, Streichung, Vereinfachung und Harmonisierung einiger Quantitative Reporting Templates (QRTs) sowie Einführung neuer QRTs (z.T. bereits in der Taxonomie Version 2.8.0 seit Ende 2023 enthalten).

Diese Änderungen zielen darauf ab, die Berichtsanforderungen zu vereinheitlichen und gleichzeitig eine gewisse Flexibilität zu bewahren, um den unterschiedlichen Größen und Komplexitätsgraden der Unternehmen und Gruppen Rechnung zu tragen.

Weitere Anpassungen bzw. Konkretisierungen der Berichterstattung (SFCR, RSR, ORSA, QRTs) werden auf den regulatorischen Ebenen 2 und 3 erwartet.

5. Proportionalität

Das Proportionalitätsprinzip wird verstärkt angewendet, indem eine Anhebung der Schwellenwerte vorgenommen wird und somit eine Entlastung für kleine Versicherer gegeben ist. Die Schwellenwerte werden auf 15 Mio. € bzgl. der jährlich verbuchten Bruttoprämieneinnahmen (von aktuell 5 Mio. €) und für die gesamten versicherungstechnischen Rückstellungen auf 50 Mio. € (von derzeit 25 Mio. €) angehoben. Weiterhin kann sich jedoch für die freiwillige Anwendung entschieden werden. Die Änderungen zielen darauf ab, den Verwaltungsaufwand für kleine und nicht komplexe Unternehmen (SNCU) zu reduzieren und sicherzustellen, dass die aufsichtsrechtlichen Anforderungen in angemessenem Verhältnis zu ihrer Komplexität und Risiken stehen.

Die wichtigsten Änderungen für kleine und nicht komplexe Unternehmen sind:

  • Die Anforderungen an die regelmäßige aufsichtsrechtliche Berichterstattung werden angepasst, wobei kleine und nicht komplexe Unternehmen alle drei Jahre oder, wenn von der Aufsichtsbehörde zugelassen, alle fünf Jahre den RSR-Bericht einreichen können.
  • Es werden Ausnahmen und Begrenzungen für die regelmäßige aufsichtsrechtliche Berichterstattung eingeführt, wobei kleine und nicht komplexe Unternehmen möglicherweise von der Berichterstattung auf Einzelpositionsebene befreit sind.
  • Weniger häufige Überprüfung, d.h. mind. alle 5 Jahre (statt jährlich), schriftlicher Richtlinien in Bezug auf Risikomanagement, interne Kontrollen, interne Revision, Vergütung und ggf. Outsourcing.
  • Weitere Entlastungen betreffen die unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA), reduzierte Offenlegungspflichten beim SFCR sowie Verwendung vereinfachter Berechnungen für spezifische Risikomodule der Standardformel und möglicherweise Befreiung von der Verpflichtung zur Erstellung eines Liquiditätsrisikomanagementplans.

6. Makroprudenzielle Instrumente

Die nunmehr mitaufgenommenen Makroprudenziellen Instrumente und Maßnahmen beziehen sich auf:

  • Das Liquiditätsrisikomanagement
  • Aufsichtsbefugnisse zur Behebung von Liquiditätsengpässen unter außergewöhnlichen Umständen
  • Aufsichtsmaßnahmen zur Erhaltung der finanziellen Lage während sektorweiterr Schocks
  • Anwendung makroprudenzieller Maßnahmen
  • Die EIOPA wird technische Standards (Regulatory Technical Standards - RTS) entwickeln, um eine konsistente Anwendung makroprudenzieller Instrumente in Bezug auf (Rück-)Versicherungsunternehmen sowie Gruppen sicherzustellen. Diese Standards betreffen:
    • Kriterien, die Aufsichtsbehörden berücksichtigen sollten, um festzulegen, welche Unternehmen und Gruppen zusätzliche makroprudenzielle Analysen durchführen müssen und makroprudenzielle Aspekte in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen müssen
    • Kriterien, nach denen Aufsichtsbehörden definieren sollten, welche Unternehmen einen Liquiditätsrisikomanagementplan erstellen müssen, der die mittel- und langfristige Liquiditätsanalyse umfasst

Versicherungsunternehmen werden damit höhere regulatorische Anforderungen im Hinblick auf makroprudenzielle Instrumente und das Liquiditätsrisikomanagement erfüllen müssen. Die RTS können zu einem erweiterten Reporting-Aufwand in Bezug auf makroprudenzielle Informationen führen, da sie möglicherweise zusätzliche Angaben erfordern. Die Aufsichtsbehörde kann bei Bedarf temporäre Maßnahmen ergreifen, indem sie Dividenden- und Zahlungsausschüttungen beschränkt oder aussetzt.

7. Nachhaltigkeit und Klimarisiken

Im Zuge des europäischen Green Deals sollen Grundlagen für die Stärkung nachhaltiger Investitionen geschaffen und künftig Nachhaltigkeitserwägungen vollständig in das Finanzsystem miteinbezogen werden. Abgesehen von dem Beitrag des Verssicherungssektors zum Green Deal finden sich folgende Anforderungen und Vorgaben zu Nachhaltigkeitsrisiken in dem vorliegenden Kompromisstext.

  • Der Betrachtungshorizont hat explizit den kurz-, mittel- und langfristigen Zeitraum bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken abzudecken. Dies ist in die Risikomanagementprozesse zu integrieren, welche von den Aufsichtsbehörden zu überwachen sind.
  • Den Aufsichtsbehörden obliegt die Überprüfung, dass Strategien wie Verfahren und Systeme zu der Identifikation als auch Bewertung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken durch die Unternehmen festgelegt werden.
  • Die Unternehmen werden verpflichtet, prudenzielle Pläne zu entwickeln. Dabei sind quantifizierbare Ziele zur Bewältigung finanzieller Risiken aus Nachhaltigkeitsfaktoren aufzustellen. Diese Pläne haben die Anpassungs- und Übergangsrisiken hin zu Nachhaltigkeitszielen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Die Ziele haben im Verhältnis zur Komplexität der Nachhaltigkeitsrisiken und des Geschäftsmodells zu stehen.
  • Zusätzlich werden die im SFCR zu veröffentlichenden Informationen um eine Darstellung der erstellten Pläne und Angaben zu wesentlichen Klimawandelrisiken sowie eine kurze Beschreibung der Nachhaltigkeitsrisiken erweitert.
  • Tochterunternehmen könnten von der Planerstellung befreit werden, sofern die Risiken auf Gruppenebene vollständig berücksichtigt sind.
  • Unternehmen mit einer wesentlichen Exposition gegenüber Klimarisiken werden verpflichtet, ausdrücklich mindestens zwei langfristige Szenariobewertungen als Teil des ORSA-Prozesses durchführen. Dabei ist ein Klimaszenario zu betrachten, bei dem der globale Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius bleibt und ein weiteres Klimaszenario zu betrachten, bei dem der globale Temperaturanstieg deutlich mehr als zwei Grad Celsius beträgt.
  • EIOPA ist beauftragt, weitere technische Standards in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken festzulegen. Darunter Mindestanforderungen und Methoden zu der Identifikation, Bewertung und Überwachung von Nachhaltigkeitsrisiken. Dies ist frühestens ein Jahr nach Veröffentlichung der geänderten SII-Richtlinie zu erwarten, bedingt auch durch noch offene Anpassungen auf Ebene 2 der Solvency-II-Regulierung.

Der EIOPA obliegt zusätzlich:

  • Alle fünf Jahre zu prüfen, ob durch Klimarisiken eine Anpassung des NatCat Risikomoduls und seiner Parameter erforderlich ist.
  • Eine Bewertung vorzunehmen, wie die Unternehmen mit dem Risiko des Verlusts an biologischer Vielfalt umgehen.
  • Die Erforschung, wie Soziale und Governance-bezogene Risiken in Stress-Tests integriert werden können, insbesondere mit Blick auf einen langfristigen Zeithorizont.

8. Gruppenaufsicht

Insgesamt verfeinern die Änderungen die Kriterien zur Identifizierung von Versicherungsgruppen, klären den Umfang und die Durchführung der Gruppenaufsicht und verbessern die allgemeine Governance von Versicherungs- und Rückversicherungsgruppen.

Es ist eine Präzisierung der Klassifizierung und Berücksichtigung von SNCU-Gruppen/-Gesellschaften vorgesehen.

Als SNCU klassifizierte Gesellschaften profitieren von den bereits im Teil Proportionalität dargestellten Vereinfachungen bezüglich der Anforderungen und Berichtspflichten aus Säule 2 und 3.

Die Änderungen in der Gruppenaufsicht umfassen mehrere Schlüsselaspekte:

  • Präzisierung der Definitionen einer Gruppe, insbesondere in Bezug auf Versicherungsholdinggesellschaften und ihre Tochterunternehmen, einschließlich Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen aus Drittländern
  • Einführung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Gruppenaufsicht und Kriterien der Verhältnismäßigkeit für „kleine und nicht komplexe Gruppen“
  • Einführung einer Anforderung für Liquiditätsrisikomanagementpläne auf Gruppenebene und die Möglichkeit von Ausnahmen für einzelne Unternehmen innerhalb der Gruppe
  • Erweiterung der Anforderungen an die Gruppenaufsicht sowie erweiterte Befugnisse der Aufsichtsbehörden, Klärung der Aufsichtsbefugnisse und -pflichten, einschließlich der Möglichkeit für Aufsichtsbehörden, strukturelle Anpassungen von Gruppen zu verlangen
  • EIOPA wird beauftragt ein Cross-Border-Notification-Platform-Tool, zur Abstimmung der nationalen Aufsichten, anhand der endgültig verabschiedeten Richtlinie aufzubauen
  • Die Gruppenaufsicht ist zukünftig auch befugt in die Strukturen der Mutter/-Tochterunternehmen einzugreifen und Änderungen durchzusetzen, die eine Durchführung behindern
  • Die vorgesehene Gruppenaggregation mittels „simplified calculation“ kann in der „default method“ und der „alternative method“ durchgeführt werden. Ergänzend ermöglicht die Richtlinie den Unternehmen eine kombinierte Anwendung beider Methoden als zusätzliche Option

9. Richtlinie zu Sanierung und Abwicklung (IRRD, Insurance Recovery and Resolution Directive)

Analog zum Solvency-II-Review wurde der finale Kompromisstext zur IRRD vom Europäischen Parlament und EU-Rat veröffentlicht, welcher hier zur Verfügung steht. Die IRRD geht signifikant über die bisherigen Anforderungen (§26 VAG, §136 VAG) hinaus, die wichtigsten Änderungen stellen wir Ihnen nachfolgend dar:

  • Einführung präventiver Sanierungspläne bei Versicherungsunternehmen, die in Summe mindestens 60 % des (Rück-) Versicherungsmarktes in Deutschland abdecken
  • Rollierender Regelprozess im Zuge der Sanierungsplanung, Erweiterung des Anwendungsbereichs sowie erweiterter Vorgabenumfang zur Sanierungsplanung
  • Etablierung dezidierter Governance-Strukturen, Frühwarnindikatoren und Stressszenarien für die rollierende Sanierungsplanung
  • Etablierung von spezifischen nationalen Abwicklungsbehörden
  • Einführung der Verpflichtung von Versicherungsunternehmen zur präventiven Abwicklungsplanung – die Abwicklungspläne sollen mindestens 40 % des (Rück-) Versicherungsmarktes in Deutschland abdecken

Eine Zusammenfassung der Anforderungen sowie Umsetzungsimplikationen finden Sie hier.

Ausblick

Mit dem Vorliegen der Kompromisstexte folgen als nächste Schritte die Finalisierung der Texte zur Änderung der Rahmenrichtlinie sowie die formalen Billigungen durch EU-Rat und das EU-Parlament. Derzeit gehen wir davon aus, dass diese noch vor den Europawahlen im Juni 2024 erfolgen werden.

In Verbindung mit der Umsetzung der Anpassung in nationales Recht in allen EU-Ländern könnte ein effektives Inkrafttreten der angepassten Solvency-II-Richtlinie sowie der IRRD damit frühestens im Jahr 2026 erfolgen.

Die Delegierte Verordnung 2015/35 auf Ebene 2 des Solvency-II-Rahmenwerks und weitere technische Standards sind während dieser Zeit ebenfalls noch anzupassen, um auf die o.g. Änderungen inhaltlich sowie zeitlich abgestimmt rechtskräftig angepasst zu werden. Ein konkreter Zeitplan dieser Anpassungen unterhalb der Ebene 1 wurde bisher noch nicht kommuniziert. Die ersten Konsultationen dazu werden im Laufe des Jahres 2024 erwartet.

Wir beobachten und analysieren die Entwicklungen des Solvency-II-Reviews laufend. Wir werden an dieser Stelle regelmäßig über den aktuellen Stand bzw. über Änderungen und den daraus resultierenden Herausforderungen berichten.

Deloitte als starker internationaler Partner

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Bei weiteren Fragen kommen Sie gerne auf uns zu.

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