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Tax Technology Innovation

„Innovationen entstehen nicht nebenbei“

Die Zukunft der Steuerberatung ist digital. Und sie hat bereits begonnen. Stephanie Alzuhn, Partnerin im Bereich Indirect Tax und Innovation Lead für Tax & Legal bei Deloitte in Berlin und ihr Münchener Partner-Kollege, Dr. Andreas Kowallik (Leiter von Tax Management Consulting), erleben das Tag für Tag. Im Interview sprechen sie nicht nur über die Chancen und Herausforderungen neuer Technologien in Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung. Sie erläutern auch, warum fachübergreifende Teams bei Deloitte inzwischen die Regel sind, wie der optimale Nährboden für Innovationen aussieht – und weshalb die Arbeit in der Deloitte Garage für eine zukunftsfähige Steuerfunktion durch nichts zu ersetzen ist.

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer gelten den meisten Menschen als Inbegriff der Genauigkeit, aber nicht unbedingt als Trendsetter oder Innovationstreiber. Entspricht dieses Bild der Branche noch der Realität?

Stephanie Alzuhn: Nur zum Teil. Natürlich müssen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer extrem akkurat und mit der größtmöglichen Sorgfalt arbeiten. Das wird auch immer so bleiben. Fakt ist aber auch, dass die Digitalisierung in unserer Branche besonders umfassend und intensiv zu spüren ist. Wer mehr will, als nur zu reagieren, muss den Fortschritt aktiv mitgestalten, neue Technologien zielgerichtet einsetzen und fachlich wie auch technisch stets auf dem neuesten Stand sein. Bei Deloitte gehören Innovation und technologiebasierte Services zu den strategischen Prioritäten.

 

Wie verändert die Digitalisierung das Tagesgeschäft des Steuerberaters?

Andreas Kowallik: Die Veränderungen aus der Digitalisierung betreffen fast jeden Bereich unseres täglichen Arbeitens. Ob Automation, Blockchain, Big Data, Cyber-Security oder Industrie 4.0: Unternehmen, und hier insbesondere auch die Steuerfunktion, für die es spezielle Anforderungen gibt, stehen durch die Digitalisierung vor großen Herausforderungen. Andererseits eröffnen die neuen Technologien immense Chancen – etwa bei der Dokumentation von Steuerprozessen: Stichwort Tax-CMS, im Bereich des Dokumenten-Managements, bei der Prüfung von Steuerbescheiden oder im Zusammenhang mit der Automation von Betriebsprüfungen und der Nutzung von Betriebsprüfungsdaten. Wir haben deshalb mit Deloitte Digital ein neues Beratungsfeld aufgebaut, das sich ausschließlich mit der Entwicklung und Implementierung von Digitalisierungsstrategien und datenbasierten Geschäftsmodellen befasst. Unser Anspruch ist es, permanent neue, marktfähige Angebote für die Bedürfnisse unserer Kunden zu schaffen und bei digitalen Produktinnovationen stets die Nase vorn zu haben.

Stephanie Alzuhn: An dieser Stelle muss man allerdings betonen, dass Innovationen nicht nebenbei entstehen, sondern stets das Ergebnisse zielgerichteter Arbeit sind. Deshalb bringt sich der Bereich Tax & Legal aktiv in der Deloitte Garage, einer Consulting Initiative ein. Hier bauen und testen wir Prototypen, entwickeln maßgeschneiderte digitale Konzepte für unsere Kunden oder passen bereits vorhandene Lösungen von Drittanbietern an deren konkrete Bedürfnisse an. Deloitte hat als erstes Beratungsunternehmen einen solchen Corporate Incubator gegründet.

 

Wie schwierig ist es, im vielzitierten „War for Talents“ die richtigen Mitarbeiter für diese Aufgaben zu gewinnen?

Stephanie Alzuhn: Wir leisten uns als einziges Unternehmen der Big Four eine eigene europaweite Universität mit einem interdisziplinären Lernangebot – das zahlt sich aus. Auf dem Campus in Brüssel erwerben unser (künftigen) Mitarbeiter nicht nur Kenntnisse rund um technologische Entwicklungen und Innovationen. Sie lernen auch, was Führung im digitalen Zeitalter ausmacht oder wie sich digitale Kommunikationsplattformen und Applikationen zum Nutzen des Kunden einsetzen lassen.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass wir standortübergreifend in agilen Teams, zusammenarbeiten. In der Regel kommt es also nicht mehr darauf an, „wo jemand sitzt“, sondern „was jemand kann“. Das macht uns als Arbeitgeber attraktiv – und auch der Kunde profitiert, weil er stets die für relevante Expertise erhält, egal der Fachmann oder die Fachfrau für sein Problem nun aus Hamburg oder aus München kommt.

 

Die Halbwertszeit von Wissen in der IT verringert sich derzeit stetig. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Lösungen zu jeder Zeit den Marktbedürfnissen entsprechen?

Andreas Kowallik: Zum Beispiel, indem wir, zusammen mit Deloitte-Kollegen im In- und Ausland sowie Deloitte-Kollegen aus anderen Funktionen und Bereichen (z.B. Deloitte Consulting) regelmäßig Studien zum Thema Digitalisierung erstellen. In Deutschland etwa arbeiten hier das Team Deloitte Innovation und Deloitte Garage mit dem Research Team und Fachexperten aus den jeweiligen Bereichen zusammen. Diese sind mit den Bedürfnissen des Marktes bestens vertraut.

Stephanie Alzuhn: Genau. Und entscheidend ist hier erneut die Bündelung unterschiedlicher Kompetenzen: Wir verbinden tiefgreifende Beratungsexpertise mit hoher Innovationskraft und technologischer Lösungskompetenz. Nur so kann man den immer neuen Anforderungen des Marktes klug begegnen und die eigenen, ehrgeizigen Wachstumsziele verwirklichen.

 

Wie wichtig ist dabei das Thema Künstliche Intelligenz (KI)?

Andreas Kowallik: Sie spielt eine immer größere Rolle. Wir unterstützen unsere Mandanten daher auch bei der der Implementierung von KI bzw. bei der Vorbereitung von Automations- und Technologielösungen mit Bezug zu KI für Steuerprozesse im Unternehmen oder helfen bei der Vorbereitung. Mit Blick auf Software und alle technischen Lösungen verstehen wir uns dabei ganz bewusst als Datenmodell- und Prozessführer sowie Implementierer von Drittanbieter-Lösungen. Dabei profitieren wir von tragfähigen, globalen Allianzen mit allen großen ERP- und Softwareanbietern und Zusammenarbeiten mit führenden lokalen oder regionalen Softwareanbietern.

Eigene IT-Lösungen entwickeln wir nur, wenn es für eine lokale, regionale oder globale Anforderung unserer Kunden keine geeignete konfigurierbare Drittanbieterlösung gibt.

 

Worin sehen Sie die größten Herausforderungen in der Zukunft?

Stephanie Alzuhn: Im Bereich der Umsatzsteuer müssen SAP-Anwender zurzeit die Umstellung auf S/4HANA bewältigen – die neue In-Memory Technologie von SAP. Zudem sind Steuerabteilungen mit immer anspruchsvolleren Finanzverwaltungen konfrontiert: Diese verlangen nicht mehr nur die Bereitstellung von Daten bei zeitlich nachgelagerten Prüfungen. Vielmehr sind Real-time Reporting und direkter Zugriff auf die Systeme der Unternehmen inzwischen in vielen Jurisdiktionen gängige Praxis.

Die wohl größte Herausforderung besteht für viele Unternehmen allerdings darin, dass Datenbasis und Infrastruktur für steuerliche Prozesse zunächst „sauber“ sein müssen, um die Nutzung moderner Technologien zu ermöglichen. Erst wenn dieser Wandel vollzogen ist, kann die Steuerfunktion, wie gewünscht, von einem reaktiven Datenverwalter zu einem proaktiven Manager avancieren.