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Commercial Courts

Die Zukunft für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten an deutschen Gerichten?

Deutschland als Gerichtsstandort soll als Forum für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten attraktiver werden. Hierfür plant das Bundesministerium der Justiz die Einführung und den Ausbau von Commercial Courts und Commercial Chambers an deutschen Gerichten.

Was sind Commercial Courts?

Commercial Courts sind erstinstanzliche Spezialsenate bei den Oberlandesgerichten, angedacht für große privatrechtliche Wirtschaftsstreitigkeiten ab einem Streitwert von 1 Mio. Euro. Diese Spezialsenate sollen auf internationale Sachverhalte mit Wirtschaftsbezug spezialisiert sein und somit eine schnelle und effiziente Verhandlungsführung gewährleisten. Die Verfahren sollen neben der speziellen Fachausrichtung der Senate im Bereich des Wirtschaftsrechts vollständig in englischer Sprache geführt werden. Auch die Revision zum Bundesgerichtshof soll stets zulässig sein. Für international agierende Unternehmen sollte sich mit der Einführung und dem Ausbau der Commercial Courts eine gute Alternative zu den nationalen und internationalen Schiedsgerichten ergeben. 

Neben den Commercial Courts ist für Wirtschaftsstreitigkeiten mit geringerem Streitwert an verschiedenen Landgerichten die Einrichtung von Commercial Chambers vorgesehen. Auch hier sollen die Verfahren vollständig in englischer Sprache geführt werden können, wenn sich die Parteien hierauf einigen.
 

Welcher Zweck wird mit der Einführung von Commercial Courts verfolgt?

Die Commercial Courts haben in erster Linie den Zweck, die Monopolstellungen der Schiedsgerichte bei Wirtschaftsstreitigkeiten aufzubrechen und auch großvolumige zivilrechtliche Auseinandersetzungen von internationalen Wirtschaftsunternehmen vor den ordentlichen Gerichten zu verhandeln.

Dadurch soll die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch die Verfahrensführung der Commercial Courts gestärkt werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung soll sich auf wirtschaftlich geprägte Rechtsgebiete ausweiten und diese für international agierende Unternehmen relevanten rechtlichen Fragestellungen nicht allein den Schiedsgerichten überlassen. Neben dem Zweck der Rechtsfortbildung sind auch wirtschaftliche Interessen der Bundesregierung verbunden. Durch die Schaffung der Commercial Courts profitiert auch der Staat durch die Einnahme von Gerichtskosten.
 

Welche Vor- und Nachteile bringt ein Prozess vor dem Commercial Court für Unternehmen als Prozesspartei?

Commercial Courts zeichnen sich in erster Linie durch ihre flexible und effiziente Verfahrensführung aus. So sollen zum Beispiel mündliche Verhandlungen an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen abgehalten werden können, ohne dass teilweise mehrere Monate zwischen den Terminen liegen. Außerdem soll der Einsatz von Videokonferenztechnik im Zivilprozess erweitert werden. Die Durchführung von Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen soll zu einer Verfahrensbeschleunigung führen und auch im Ausland ansässigen Parteien eine mit wenig Aufwand verbundene Beteiligung am Prozess ermöglichen. Um den Sachverhalt und die relevanten rechtlichen Fragestellungen frühzeitig einzugrenzen, soll die „Case-Management-Conference“ als frühe erste Verhandlung stattfinden. 

Ein weiterer Vorteil besteht in der Möglichkeit, in English verhandeln und vortragen zu können. Dies ist insbesondere bei internationalen Streitigkeiten mit Vertragswerken und Beweismitteln in englischer Sprache ein wichtiger, nicht zu vernachlässigender Aspekt, der sich wiederum auf die Kosten für etwaige Übersetzungen und die Mandantenkommunikation positiv auswirkt.

Beim Führen von potenziellen Vergleichsgespräche soll das Geschäftsverhältnis der Parteien im Fokus stehen und somit das mögliche Interesse der Parteien an einer partnerschaftlichen Fortführung der Geschäftsbeziehungen nach Abschluss des Verfahrens. 

Ein wesentlicher Nachteil der Commercial Courts ist die internationale Anerkennung und Vollstreckung der Urteile und Entscheidungen. Diese reicht derzeit nicht über die Grenzen der Mitgliedsstaaten der EU hinaus. In diesem Punkt genießen die Schiedsgerichte gegenüber den Commercial Courts einen Vorteil. Deren Entscheidungen können auf Grundlage des New Yorker Übereinkommens auch in weiteren wirtschaftlich bedeutenden Ländern wie China oder den USA vollstreckt werden.
 

Fazit

Die Einführung und der Ausbau von Commercial Courts würde einen positiven Beitrag für die Internationalisierung der Gerichtsbarkeit für Wirtschaftsstreitigkeiten in Deutschland leisten und zur Attraktivität der ordentlichen Gerichte für Auseinandersetzungen im Rahmen von internationalen Geschäftsbeziehungen und Streitigkeiten sorgen. Weiterhin müsste die Anzahl der Commercial Courts in Deutschland weiter ausgebaut werden, um der Vielzahl von Wirtschaftsstreitigkeiten eine angemessene Alternative im Vergleich zu Schiedsgerichten zu bieten.

Stand: Mai 2024

Autorin: Lara Sophie Worbs
Co-Autor: Grischa Hagemann

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