circular visual of windows and people

Article

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Eine echte Alternative zum Mieterstrommodell?

Das Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist Teil des im August 2023 beschlossenen „Solarpakets I“. Mit ihm wird ein neues Instrument der lokalen Eigenversorgung mit Solarstrom aus einer gebäudeeigenen Anlage eingeführt. Wir zeigen Vorteile des neuen Instruments auf.

Solarpaket I und die Photovoltaikstrategie der Bundesregierung

In der Photovoltaikstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wurden elf Handlungsfelder für den beschleunigten Ausbau der Photovoltaik identifiziert. Unter anderem ist die Einführung einer „Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung“ geplant, mit der zukünftig die gemeinsame Eigenversorgung aus PV-Anlagen unter vereinfachten Bedingungen möglich sein soll. Der Entwurf des entsprechenden Gesetzes zur Steigerung des Ausbaus photovoltaischer Energieerzeugung, sieht die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung nun in dessen § 42b EnWG-E vor. Die Bundesregierung geht davon aus, dass rund 80.000 Gebäude von diesem Modell Gebrauch machen könnten.

 

Rahmenbedingungen der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Die Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung soll eigenständig neben dem bereits nach derzeitiger Rechtslage nutzbaren Mieterstrommodell stehen. Ziel des neuen Modells ist nach dem Gesetzesentwurf, dass Strom aus solarer Strahlungsenergie ohne besonderen bürokratischen Aufwand für die Mietparteien innerhalb eines Gebäudes bereitgestellt werden kann. Gemäß § 42b Abs. 1 EnWG-E sollen Letztverbraucher:innen die Energie einer Gebäudestromanlage nutzen können, wenn diese Mieter:innen von Räumen, Wohnungseigentümer:innen oder sonst Eigentümer:innen von Räumen in dem Gebäude sind. Eine Vollversorgung der teilnehmenden Letztverbraucher:innen ist im Rahmen des Modells nicht vorgesehen. Der Reststrombezug erfolgt deshalb über Stromlieferverträge der Letztverbraucher:innen mit Dritten. Erzeugt die Gebäudestromanlage mehr Energie als von den teilnehmenden Letztverbraucher:innen genutzt wird, kann der Überschuss in das Netz der allgemeinen Versorgung eingespeist werden. 

Zentral für das Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung ist, dass die Lieferantenpflichten der §§ 40 ff. EnWG weitgehend ausgeschlossen werden. Dies soll vor allem die Beteiligung von Anlagenbetreibern ermöglichen, deren geschäftliche Haupttätigkeit nicht in der Bereitstellung von Strom besteht. 

 

Voraussetzungen der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

§ 42b Abs. 1 EnWG-E sieht drei Bedingungen für die Anwendbarkeit des Modells vor:

  1. Es darf keine Durchleitung durch das öffentliche Netz, d.h. sowohl die Erzeugungs- als auch die Verbrauchsanlagen müssen sich hinter demselben Netzverknüpfungspunkt befinden. 
  2. Die Strombezugsmengen der Letztverbraucher:innen müssen viertelstündlich gemessen werden. 
  3. Letztverbraucher:innen müssen einen Gebäudestromnutzungsvertrag mit dem Betreiber der Gebäudestromanlage geschlossen haben. 

 

Gebäudestromnutzungsvertrag bei der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Der Mindestinhalt des Gebäudestromnutzungsvertrages ist in § 42b Abs. 2 EnWG-E geregelt, wobei die Parteien grundsätzlich auch darüberhinausgehende Regelungen treffen können. Es handelt sich um einen privatrechtlichen Vertrag zwischen dem Betreiber der Gebäudestromanlage und den teilnehmenden Letztverbraucher:innen.

Zu vereinbaren ist zunächst das Recht zur Teilbelieferung aus der Gebäudestromanlage, wobei der Nutzungsumfang durch einen Aufteilungsschlüssel festgelegt werden muss. Weiterhin ist zu regeln, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für die Teilbelieferung an den Anlagenbetreiber zu leisten ist, wobei der Preis in Cent pro Kilowatt-stunde anzugeben ist. Außerdem ist eine Regelung zum Betrieb, der Erhaltung und der Wartung der Gebäudestromanlage zu treffen. 

Aus dem Gesetzesentwurf ergeben sich zudem konkrete Vorgaben betreffend den im Gebäudestromnutzungsvertrag zu vereinbarenden Aufteilungsschlüssel, § 42b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 EnWG-E. Es erfolgt eine rechnerische Aufteilung der von allen teilnehmenden Letztverbraucher:innen bezogenen Strommenge, wobei die rechnerische Strommenge nach zwei Alternativen begrenzt werden kann:

  1. Entweder ist die Menge maßgeblich, die innerhalb eines 15-Minuten-Zeitintervalls in der Solaranlage erzeugt wird, oder 
  2. diejenige Menge, die von allen teilnehmenden Letztverbraucher:innen verbraucht wurde. 

Zwischen den beiden Varianten ist immer die geringere Menge maßgebend. Die jeweiligen Letztverbraucher:innen bekommen rechnerisch maximal diejenige Strommenge zugeteilt, die durch diese in dem 15-Minuten-Intervall verbraucht wurde. Die Vertragsparteien können zwischen einem statischen und einem dynamischen Aufteilungsschlüssel wählen. 

Weitere Voraussetzungen: 

  • In einem Gebäudestromnutzungsvertrag darf die freie Wahl des Stromlieferanten insbesondere im Hinblick auf den ergänzenden Strombezug nicht eingeschränkt werden. 
  • Zudem gilt ein Koppelungsverbot mit einem Mietvertrag über Wohnräume. 

 

Informationspflichten des Anlagenbetreibers

Den Betreiber der Gebäudestromanlage treffen besondere Informationspflichten, vor allem gegenüber den teilnehmenden Letztverbraucher:innen. Bei Vertragsbeginn hat er darüber zu informieren, dass die Anlage den Strombedarf nicht immer decken kann und ein ergänzender Strombezug durch die Letztverbraucher:innen erforderlich ist Sollte die Gebäudestromanlage auswitterungs- oder tageszeitbedingten Gründen über einen erheblichen Zeitraum keine elektrische Energie erzeugen, sind Letztverbraucher:innen darüber in Kenntnis zu setzen. Ebenso sind sie zu informieren, wenn die Anlage ihren Betrieb wieder aufnimmt. Der Betreiber der Gebäudestromanlage muss außerdem den zuständigen Verteilernetzbetreiber über den mit den Letztverbraucher:innen vereinbarten Aufteilungsschlüssel informieren. 

 

Die Modelle im Vergleich: Mieterstrom vs. Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Die Modelle des Mieterstroms und der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung sind insbesondere dadurch voneinander abzugrenzen, dass das Letztere nicht zur Reststromlieferung verpflichtet. Daraus entstehen zwei wesentliche Vorteile: 

  1. Für den Anlagenbetreiber entfallen bei Bereitstellung des PV-Stroms die gewöhnlichen Lieferantenpflichten weitestgehend 
  2. Mangels Durchleitung durch das öffentliche Netz sind keine Netznutzungsentgelte zu zahlen. 

Im Gegenzug wird allerdings kein Mieterstromzuschlag gewährt.

Ausblick

Das neue Modell der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung dürfte künftig insbesondere für Wohnungseigentümergemeinschaften eine attraktive Alternative zum Mieterstrommodell darstellen. Aber auch für Energieversorgungsunternehmen könnten sich daraus Anreize und Chancen für neue Liefermodelle ergeben.

Es bleibt abzuwarten, ob das Modell tatsächlich in dem von der Bundesregierung prognostizierten Umfang genutzt werden wird. Dabei wird insbesondere die beschränkte Laufzeit des Gebäudestromnutzungsvertrages eine Rolle spielen. Auch sind noch Einzelfragen bezüglich der eingesetzten Messtechnik zu klären. Die Stromerzeugung aus der Solaranlage sollte im Rahmen der Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung – so die Idee der Photovoltaik-Strategie 1 – unter Nutzung intelligenter Messsysteme den Teilnehmenden zugewiesen werden.

Die Einführung des Modells ist insgesamt zu begrüßen. Für den Ausbau der Photovoltaik in Deutschland könnte das neue Modell einen Durchbruch bedeuten.

Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung

Ausführliche Informationen zur Gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung

Download Whitepaper
Fanden Sie diese Information hilfreich?