Nachdem die groß angekündigte Steuerreform 2020 aufgrund der vorzeitigen Neuwahlen zumindest vorerst ein jähes Ende fand, wurden ein paar Eckpunkte der geplanten Reformen und Maßnahmen im Rahmen von Initiativanträgen dennoch der parlamentarischen Behandlung zugeführt. Als Resultat dieser Initiativanträge wurde am 22.10.2019 ua das Abgabenänderungsgesetz 2020 kundgemacht (siehe bereits unser Tax & Legal News Beitrag vom 27.9.2019). Eine der steuerlichen Änderungen, die zwar wenig prominent in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, in der Praxis jedoch durchaus große Auswirkungen haben wird, betrifft die Neuregelung der Lohnsteuerpflicht für ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber.
Bis dato knüpfte die Verpflichtung ausländischer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zur Abfuhr österreichischer Lohnsteuer an den Bestand einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte in Österreich an. Sofern keine lohnsteuerliche Betriebsstätte begründet und auch keine freiwillige Lohnverrechnung in Österreich geführt wurde, konnten die Einkünfte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter Vorlage des Lohnzettels L 17 im Rahmen einer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung oder einer Einkommensteuererklärung deklariert werden.
Das Grundprinzip, wonach eine lohnsteuerliche Betriebsstätte in Österreich eine Lohnsteuerpflicht für ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber begründet, bleibt unverändert. Neu hingegen ist die Verpflichtung ausländischer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, für Einkünfte in Österreich unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch dann Lohnsteuer einzubehalten, wenn keine lohnsteuerliche Betriebsstätte besteht. Ein verpflichtender Lohnsteuerabzug ist somit dann vorgesehen, wenn in Österreich ein Wohnsitz besteht, oder der gewöhnliche Aufenthalt in Österreich liegt.
Für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ausländischen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ohne lohnsteuerliche Betriebsstätte in Österreich sieht das Abgabenänderungsgesetz 2020 hingegen (weiterhin) die Möglichkeit eines freiwilligen Lohnsteuerabzugs vor. Der bis dato bloß in Erlässen der Finanzverwaltung geregelte freiwillige Lohnsteuerabzug wurde nunmehr somit erstmals in das Gesetz aufgenommen.
Aus organisatorischer Sicht soll das Finanzamt Graz-Stadt für die Lohnsteuerbelange sämtlicher ausländischer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ohne lohnsteuerliche Betriebsstätte in Österreich zuständig sein. In zeitlicher Hinsicht ist die geänderte Rechtslage bereits auf Lohnzahlungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 enden, somit de facto für sämtliche Lohnzahlungen ab 2020.
Wie eingangs erwähnt, wurde diese Änderung im Gegensatz zu anderen steuerlichen Maßnahmen eher sang- und klanglos in das Abgabenänderungsgesetz 2020 aufgenommen. In der Praxis können sich für ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber jedoch weitreichende Folgen ergeben. In Zeiten weiterhin zunehmender Arbeitnehmermobilität sind häufig Fälle anzutreffen, in denen in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für ausländischer Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber tätig werden, ohne dadurch eine (lohnsteuerliche) Betriebsstätte zu begründen; dies betrifft zB Home-Office-Aktivitäten, aber auch etwa Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die weder über ein Büro noch ein Home-Office verfügen, sondern ständig bei Lieferanten oder Kunden vor Ort sind. In vielen dieser Fälle wurden die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bis dato erst in der Steuererklärung durch die Arbeitnehmerin bzw den Arbeitnehmer deklariert. Diese Vorgangsweise wird aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Anordnung künftig nicht mehr möglich sein. Sofern für derartige Fälle bereits jetzt eine freiwillige Lohnverrechnung geführt wird, besteht grundsätzlich kein Handlungsbedarf. Allerdings könnte es ab 2020 auch in diesen Fällen zu einer Änderung der Finanzamtszuständigkeit kommen, da ab dann das Finanzamt Graz-Stadt zuständig sein soll.
Die Neuregelung erscheint auf den ersten Blick verständlich und klar konzipiert. Bei näherer Betrachtung ergeben sich jedoch durchaus Zweifelsfragen, die einige Unsicherheit bei der praktischen Anwendung der neuen Regelung entstehen lassen dürften. Dies betrifft zB die Frage, welche Schritte die ausländische Arbeitgeberin bzw der ausländische Arbeitgeber setzen muss, um den österreichischen Steuerstatus der Beschäftigten (unbeschränkte oder bloß beschränkte Steuerpflicht) zu überprüfen. In vielen Fällen wird diese Prüfung eindeutig sein – bspw in jenen erwähnten Fällen, in denen über ein Home-Office in Österreich verfügt wird; in anderen Fällen wird es jedoch nicht unmittelbar ersichtlich sein, dass die Arbeitnehmerin bzw der Arbeitnehmer über einen österreichischen Wohnsitz verfügt. Es ist derzeit unklar, inwieweit die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber in die abgabenrechtliche Haftung genommen werden kann, wenn von Beschäftigtenseite unrichtige oder unvollständige Angaben über den österreichischen Steuerstatus gemacht werden. Auch der nunmehr erstmals gesetzlich verankerte freiwillige Lohnsteuerabzug bringt noch einige Zweifelsfragen mit sich. Unterwirft sich die ausländische Arbeitgeberin oder der ausländische Arbeitgeber mit einem solchen freiwilligen Lohnsteuerabzug denselben materiell- und verfahrensrechtlichen Regeln wie die zum Lohnsteuerabzug Verpflichteten – wie dies die derzeitige Rechtsprechung scheinbar zB iZm Säumniszuschlägen vertritt – oder stellt der freiwillige Lohnsteuerabzug gewissermaßen einen „Lohnsteuerabzug light“ dar? Offen ist derzeit auch, in welchem Verhältnis die neue Regelung zur Abzugsteuerpflicht iZm Arbeitskräftegestellungen in Österreich steht.
Das Thema verspricht somit spannend zu bleiben. Wir werden Sie an dieser Stelle selbstverständlich auf dem Laufenden halten, sobald es seitens der Finanzverwaltung nähere Informationen zur praktischen Anwendung gibt.
Arnold Binder ist Partner in der Steuerberatung und Experte für Auslandsentsendungen sowie Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Compliance. Er ist mit zunehmender Spezialisierung im Bereich Global Employer Services tätig, wo er sich verstärkt den digitalen Potenzialen annimmt.