Die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt macht es in vielen Branchen zunehmend möglich, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistungen mehr oder minder von überall und nicht zwingend in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers erbringen. In letzter Zeit sind in der Praxis immer häufiger Konstellationen zu beobachten, in denen Arbeitnehmer aus rein privaten Gründen - etwa, weil der Familienwohnsitz in einem anderen Staat liegt als im Sitzstaat des Arbeitgebers - in einem maßgeblichen Ausmaß von ihrem Home Office aus arbeiten, wobei diese Tätigkeit im Home Office seitens des Arbeitgebers zwar nicht forciert, aber mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Arbeitnehmers geduldet wird.
Erbringt ein Arbeitnehmer seine Leistungen für einen ausländischen Arbeitgeber von einem österreichischen Home Office, stellt sich in der Praxis regelmäßig die Frage, ob das österreichische Home Office für den ausländischen Arbeitgeber eine Betriebsstätte begründen könnte. Dieser Umstand kann für die Beurteilung, ob es hinsichtlich der Vergütungen des Arbeitnehmers zu einem verpflichtenden Lohnsteuerabzug kommt oder nicht, relevant sein. Darüber hinaus kann die Begründung einer österreichischen Betriebsstätte ua auch zu einer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht des Arbeitgeberunternehmens in Österreich sowie allfälligen umsatzsteuerlichen Melde- und Abfuhrverpflichtungen führen. Es empfiehlt sich somit eine sorgfältige Beurteilung einer allfälligen Betriebsstättenbegründung.
Die Aussagen des BMF zur Betriebsstättenbegründung durch ein Home Office eines Arbeitnehmers waren lange Zeit relativ kasuistisch und kaum geeignet, aus diesen allgemeingültige Richtlinien bei der Beurteilung von Home Office Tätigkeiten abzuleiten. Das BMF hatte in mehreren EAS die allgemeine Auffassung dargelegt, dass es für die Betriebsstättenbeurteilung keinen Unterschied machen kann, ob Räumlichkeiten einem ausländischen Unternehmen von einem Dritten oder von seinem eigenen Dienstnehmer für die Erbringung der betrieblichen Leistungen zur Verfügung gestellt werden, wobei eine gewisse Verfügungsmacht des Unternehmers über das Home Office notwendig ist. Die bloße Vergabe von Heimarbeit in der Wohnung des Heimarbeiters sollte jedoch keine Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründen, zumindest in dem Fall, in dem die Heimarbeiter auf der Beschaffungsseite tätig sind. Sofern Tätigkeiten auf der Absatzseite betroffen sind, wurde daraus ein höheres Risiko einer Betriebsstättenbegründung abgeleitet.
Erfreulicherweise hat das BMF seine Aussagen zu einer allfälligen Betriebsstättenbegründung durch ein Home Office des Arbeitnehmers in einem aktuellen EAS präzisiert. In diesem folgt das BMF den bereits in einem früheren EAS aus 2017 veröffentlichten Grundsätzen und wiederholt zunächst, dass das nationale österreichische Steuerrecht iZm der Begründung einer Betriebsstätte durch ein Home Office grundsätzlich eine niedrige Schwelle vorsieht. Allerdings stellt sich in einem zweiten Schritt stets die Frage, ob der nationale Besteuerungsanspruch durch ein anzuwendendes Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird. Dies ist der Fall, wenn zwar eine Betriebsstätte nach nationaler Definition vorliegt, nicht jedoch eine Betriebsstätte iSd jeweils anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens. Das BMF verweist in diesem Zusammenhang auf den Kommentar zum OECD-Musterabkommen, wonach für die Beurteilung, ob ein Home Office eine Betriebsstätte darstellt, insbesondere auf die Faktoren der Dauerhaftigkeit und der Verfügungsmacht abzustellen ist:
Über diese Beurteilungskriterien hinaus erachtet das BMF auch folgende Aspekte als für die Prüfung einer allfälligen Betriebsstättenbegründung relevant:
Zu beachten ist freilich, dass die abkommensrechtliche Definition der Betriebsstätte nicht für alle Aspekte relevant ist. So sind zB Fallkonstellationen denkbar, in denen - durch die Begründung einer lohnsteuerlichen Betriebsstätte - zwar eine Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug besteht, mangels Begründung einer Betriebsstätte iSd anwendbaren Doppelbesteuerungsabkommens jedoch etwa keine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht in Österreich vorliegt.
Wenngleich in vielen Fällen von Home Office Tätigkeiten in der Praxis weiterhin keine eindeutige Beurteilung möglich sein wird, ob es zu einer Betriebsstättenbegründung kommt, sind die Aussagen des BMF angesichts der dadurch - zumindest in einem gewissen Ausmaß - gewährten Rechtssicherheit zu begrüßen. Zumindest in den (klassischen) Fällen, in denen ein Arbeitnehmer aus rein privaten Gründen von seinem Home Office aus arbeitet, und dies vom Arbeitgeber zwar geduldet, aber nicht aktiv unterstützt oder eingefordert wird, sollte sich regelmäßig ein bloß geringes Risiko einer Betriebsstättenbegründung ergeben. Wird das Home Office jedoch in einem zeitlich maßgeblichen Ausmaß genutzt, oder werden im Home Office gar Besprechungen mit Geschäftspartnern oder Kunden abgehalten, wird sich in der Regel ein hohes Risiko einer Betriebsstättenbegründung ergeben.
Arnold Binder ist Partner in der Steuerberatung und Experte für Auslandsentsendungen sowie Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Compliance. Er ist mit zunehmender Spezialisierung im Bereich Global Employer Services tätig, wo er sich verstärkt den digitalen Potenzialen annimmt.