Posted: 07 Oct. 2019 4 min. read

Das EU-Meldepflichtgesetz und Meldepflichtige Verrechungspreisgestaltungen

Am 5. Juni 2018 ist auf europäischer Ebene die Richtlinie (EU) 2018/822 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2011/16 bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustausches im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen kundgemacht worden. Im Rahmen des Abgabenbetrugsbekämpfungsgesetzes 2020 wird diese Richtlinie nun durch das EU-Meldepflichtgesetz in das innerstaatliche österreichische Recht umgesetzt.

Die genannte EU-Richtlinie sowie der innerstaatliche Umsetzungsakt sollen im Kern die Transparenz im direkten Steuerbereich ausweiten und dabei der Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung im Binnenmarkt dienen. Begründend wird hierbei angeführt, dass es für die Mitgliedstaaten der EU immer schwieriger wird, ihre nationalen Steuerbemessungsgrundlagen gegen Aushöhlung zu schützen, da die meisten Steuerplanungsstrukturen die höhere Mobilität von Kapital und Personen im Binnenmarkt nutzen. Aus diesem Grund soll durch eine umfassende Meldeverpflichtung über potenziell aggressive Steuergestaltungen die Informationsasymmetrie zwischen Steuerbehörden und Steuerpflichtigen ausgeglichen werden und somit den Mitgliedstaaten der EU ermöglicht werden zeitnah gegen schädliche Steuerpraktiken vorzugehen und etwaige Steuerschlupflöcher zu schließen.
 

Überblick über meldepflichtige Verrechnungspreisgestaltungen

Die Meldepflicht von grenzüberschreitenden Gestaltungen ist auch für Verrechnungspreise anwendbar. Wie schon in der EU-Richtlinie vorgesehen, werden auch im österreichischen EU-Meldepflichtgesetz „unbedingt meldepflichtige Gestaltungen“ normiert, die unter anderem auch unterschiedliche Verrechnungspreisgestaltungen umfassen. Im Sinne  des EU-Meldepflichtgesetzes fallen folgende Verrechnungspreisgestaltungen unter den Anwendungsbereich der Meldepflicht:

  • Verrechnungspreisgestaltungen, die unilaterale Safe-Harbor-Regeln nutzen;
  • Verrechnungspreisgestaltungen bei Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Vermögenswerten; und
  • Verrechnungspreisgestaltungen, bei denen eine konzerninterne grenzüberschreitende Übertragung von Funktionen, Risiken oder Vermögenswerten stattfindet.
     

Die meldepflichtigen Verrechnungspreisgestaltungen im Detail

Für Zwecke der Auslegung des Begriffes der Safe-Harbor-Regeln verweisen die Erläuterungen zum EU-Meldepflichtgesetz auf die OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 2017 und führen weiter aus, dass solche Regelungen üblicherweise einfacher gestaltet sind, als jene nach den allgemeinen Verrechnungspreisvorschriften. In den Erläuterungen zum EU-Meldepflichtgesetz findet sich aber auch insoweit eine Einschränkung des Begriffsverständnisses von Safe-Harbor-Regeln, als Maßnahmen zur Verwaltungsvereinfachung, bei denen es nicht direkt um die Bestimmung fremdüblicher Preise, sondern um vereinfachte Dokumentationsanforderungen geht, nicht unter den Anwendungsbereich fallen sollen. Ob auch der „Simplified Approach“ iSd OECD-Verrechnungspreisgrundsätze 2017 (dh Anwendung eines 5 % Gewinnaufschlags für low-value adding services) unter den Anwendungsbereich der Safe-Harbor-Regeln fällt, wird weder im EU-Meldepflichtgesetz noch in den Erläuterungen zum Gesetz erwähnt.

Auch in Bezug auf das Konzept der „schwer bewertbaren immateriellen Vermögenswerte“ hat sich das EU-Meldepflichtgesetz an das Begriffsverständnis der OECD-Verrechnungspreisgrundsätze angelehnt. Aus diesem Grund gilt für die Qualifizierung eines schwer bewertbaren immateriellen Vermögenswertes, dass im Zeitpunkt seiner Übertragung keine ausreichend verlässlichen Vergleichswerte vorliegen und die Prognosen voraussichtlicher Cashflows die zu erwartenden abzuleitenden Einkünfte oder die zugrundeliegenden Annahmen höchst unsicher sind, weshalb der Erfolg im Zeitpunkt der Übertragung schwer absehbar ist. Entsprechend der Erläuterungen zum EU-Meldepflichtgesetz umfasst die Meldepflicht nicht nur die Übertragung, sondern auch die Nutzungsüberlassung (dh Lizenzierung) von schwer zu bewertenden immateriellen Werten.

Unter die letzte potentiell meldepflichtige Verrechnungspreisgestaltung fallen konzerninterne, grenzüberschreitende Übertragungen von Funktionen, Risiken oder Vermögenswerten. Hierbei ist jedoch nicht jede Funktionsverlagerung umfasst; vielmehr sieht das EU-Meldepflichtgesetz (wie auch schon die EU-Richtlinie) vor, dass es aufgrund der Funktionsverlagerung zu einer deutlichen Verschlechterung der Ertragssituation im Inland kommen muss. Was unter einer deutlichen Verschlechterung der Ertragssituation zu verstehen ist, wird im EU-Meldepflichtgesetz definiert; so heißt es, dass zur Erfüllung dieser Meldepflicht eine Änderung des erwarteten jährlichen Gewinns vor Zinsen und Steuern (EBIT) um mehr als 50 % (bezogen auf das unternehmensrechtliche Ergebnis im Inland) erwartet werden muss, wobei die Gewinnprognosen im Zeitpunkt der Übertragung vorzunehmen sind.
 

Praktische Auswirkungen

Das EU-Meldepflichtgesetz tritt am 1.7.2020 in Kraft; das bedeutet, dass ab diesem Tag Meldungen von meldepflichtigen Gestaltungen (grundsätzlich elektronisch über FinanzOnline) vorzunehmen sind. Von erheblicher praktischer Bedeutung ist jedoch, dass sich die EU-Richtlinie bereits seit dem 25.6.2018 in Kraft befindet. Dies bedeutet, dass sämtliche meldepflichtigen grenzüberschreitenden (Verrechnungspreis-)Gestaltungen bei denen zwischen dem 25.6.2018 und dem 30.6.2020 eines der die Meldepflicht auslösenden Ereignisse eingetreten ist, bis 31.8.2020 (= Sonderregelung für Altfälle; ansonsten sind die Meldungen innerhalb von 30 Tagen ab bestimmten auslösenden Ereignissen zu machen) den zuständigen Behörden offenzulegen sind.

Dies bedeutet, dass auch jetzt schon – obwohl das EU-Meldepflichtgesetz noch gar nicht in Kraft getreten ist – sämtliche relevanten Informationen bzgl potentiell in Zukunft zu meldender grenzüberschreitender Transaktionen zu dokumentieren sind.


Anmeldung zum Erhalt von Informationen und Newslettern

          

Ihr Kontakt

Mag. Gabriele Holzinger

Mag. Gabriele Holzinger

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Gabriele Holzinger ist Partnerin in der Steuerberatung bei Deloitte in Wien. Sie ist Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin und betreut zahlreiche nationale und internationale Klienten, insbesondere auf den Gebieten der Steuerplanung, Compliance und Umgründungen. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt außerdem im Bereich Transfer Pricing / Verrechnungspreise.