In einem aktuellen Fall, den der VwGH zu beurteilen hatte (Ra 2019/13/0009), ging es um die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH, der ab Erkennbarkeit ihrer Insolvenz im Vertrauen auf den Rat eines Rechtsanwaltes keine Zahlungen mehr geleistet, sondern vielmehr fristgerecht einen Eigenantrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt hatte, dennoch für die offenen Abgabenschulden der Gesellschaft haftet.
Der Geschäftsführer haftet neben der Gesellschaft für die die Gesellschaft treffenden Abgabenschulden, wenn diese infolge seiner schuldhaften Pflichtverletzung nicht eingebracht werden können. Im vorliegenden Fall war die Einbringung der offenen Abgabenschulden (darunter etwa Dienstgeberbeiträge, Lohnsteuer und Umsatzsteuer) bei der Gesellschaft nach ihrer Liquidation unmöglich geworden, weshalb der Geschäftsführer mit Bescheid des Finanzamtes dazu aufgefordert wurde, die offenen Abgabenschulden zu begleichen.
Gegen den Bescheid des Finanzamtes erhob der Geschäftsführer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) und brachte darin zusammengefasst vor, dass er im Vertrauen auf den Rat eines Rechtsanwaltes keine Zahlungen mehr geleistet habe und ihn daher kein Verschulden an der mangelnden Begleichung der offenen Abgabenschulden treffe, weshalb er für diese auch nicht hafte. Das BFG bestätigte in seiner Entscheidung weitestgehend den Bescheid der Finanzbehörde und schränkte diesen lediglich der Höhe nach ein. In der Folge erhob der Geschäftsführer Revision an den VwGH.
In seiner Entscheidung gelangte der VwGH entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen zu dem Ergebnis, dass schon nach seiner bisherigen Rechtsprechung das Befolgen des Rates eines Rechtsanwaltes das Verhalten des Geschäftsführers entschuldigen und dadurch seine Haftung für offene Abgabenschulden entfallen kann. Dass der Geschäftsführer der Auskunft des Rechtsanwaltes hätte misstrauen oder daran Zweifel hätte haben müssen, sei zudem vom BFG nicht angenommen worden.
Da sich das BFG mit dem Einwand des Fehlens eines Verschuldens des Geschäftsführers im Hinblick auf das Befolgen des Rates eines Rechtsanwaltes nicht auseinandergesetzt hatte, hat der VwGH das angefochtene Erkenntnis des BFG aufgehoben.
Die Entscheidung des VwGH ist zu begrüßen, da sie im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung steht. Die gleichen Grundsätze müssen auch für die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten gelten. Dies entbindet zwar den Vertreter einer juristischen Person nicht von seinen Pflichten, kann ihn aber entschuldigen, wenn er im Haftungsverfahren Sachverhalte vorträgt, aus denen sich ableiten lässt, dass der Vertreter dem Steuerberater alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich von diesem über die (vermeintliche) Rechtsrichtigkeit der eingeschlagenen Vorgangsweise hat informieren lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder von einem solchen Fehler unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären.
Dennoch sollte man auch bei Beauftragung eines Parteienvertreters Vorsicht walten lassen, da sich laut Rechtsprechung des VwGH jemand dann nicht erfolgreich auf einen entschuldigenden Rechtsirrtum stützen kann, wenn er es unterlässt, geeignete Erkundigungen über die Rechtslage anzustellen.
Marc Heschl ist im Bereich Business Process Services Payroll bei Deloitte am Standort Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Beratung von arbeits-, lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen auch in der Personalabrechnung von nationalen und internationalen Mandanten.