Am 9.10.2019 veröffentlichte das OECD-Sekretariat mit dem „Unified Approach“ ein Konsultationspapier zur Besteuerung digitaler Geschäftsmodelle, der die bisherigen drei Ansätze von „Pillar One“ miteinander vereinen soll. „Pillar One“ umfasst die Bereiche „Marketing Intangibles“, „User Participation“ sowie „Significant Economic Presence“ und ist Bestandteil des im Mai 2019 von der OECD verabschiedeten und im Juni 2019 von den G20 Mitgliedern genehmigten zweisäuligen Arbeitsprogramms zu Besteuerungsherausforderungen im Zusammenhang mit Digitalisierung. Ziel des neuen Unified Approach ist es, eine möglichst einfache Lösung für die Handhabung digitaler grenzüberschreitender Besteuerungsrechte, Gewinnzuweisungspraktiken und Nexus Regelungen zu schaffen.
Das OECD-Sekretariat hält im Konsultationspapier fest, dass in Zeiten der Digitalisierung die bisherigen Regelungen zur Aufteilung der Besteuerungsrechte auf Basis physischer Präsenz und nach dem Fremdverhaltensgrundsatz nicht mehr zu angemessenen Ergebnissen führen. Aus diesem Grund hat das OECD-Sekretariat die wesentlichen Punkte der bisherigen drei Pillar-One-Ansätze zusammengefasst und zielt nun darauf ab, zu den wichtigsten Merkmalen eine gemeinsame Lösung zu entwickeln. Dabei wurden die folgenden vier Schlüsselkomponenten definiert:
Der neue Ansatz fokussiert sich auf kundenorientierte Geschäftsfelder, sogenannte „consumer-facing businesses“. Die im Vorschlag genannten consumer-facing businesses, interagieren mit ihren Kunden und Kundinnen, kreieren dabei bedeutungsvollen Mehrwert, sind aber nicht (zwangsläufig) physisch am Markt, zB in Form einer Tochtergesellschaft oder einer Betriebsstätte, präsent. In conreto geht es um Unternehmen, die von der Ferne aus mit Nutzern und Nutzerinnen (usern) in Kontakt treten, wie zB Streaming-Dienste, sowie um Unternehmen, die durch den Einsatz von digitaler Technologie Produkte vertreiben und einen Kundenstock aufbauen. Rohstoffindustrien sollten laut dem OECD-Sekretariat nicht vom neuen Ansatz erfasst sein; ob es auch Ausnahmeregelungen für andere Wirtschaftssektoren (etwa die Finanzindustrie) geben wird, steht noch zur Diskussion. Ebenfalls ist es denkbar, Größenbeschränkungen, wie zB die für das Country-by-Country Reporting relevante Umsatzgrenze von EUR 750 Mio pro Wirtschaftsjahr und Unternehmensgruppe, zu übernehmen. Eine genaue Ein- und Abgrenzung des Anwendungsbereichs muss jedoch noch erarbeitet werden.
Gegenwärtig kann ein nicht ansässiges Unternehmen in einem Staat nur dann besteuert werden, wenn es in besagtem Staat zumindest eine Betriebsstätte hat und somit in irgendeiner Art physisch präsent ist. Der neue Nexus würde durch eine eigenständige abkommensrechtliche Regelung in Ergänzung zur derzeitigen Betriebsstättenregelung eingeführt werden. Inhaltlich würde der neue Nexus auch jenem Staat ein Besteuerungsrecht einräumen, in dem der Umsatz generiert wird, selbst wenn in diesem Staat keine physische Präsenz vorhanden ist. Um alle Formen der Fern(absatz)geschäfte zu erfassen, ist es nach Ansicht des OECD-Sekretariats nicht relevant, ob die digital erzielten Umsätze durch Direktgeschäfte oder über lokale verbundene oder unverbundene Vertriebspartner abgewickelt werden. Der neue Nexus könnte überdies einen Schwellenwert sowie länderspezifische Umsatzschwellen beinhalten. Durch die zusätzlichen länderspezifischen Umsatzgrenzen könnte sichergestellt werden, dass auch kleinere Volkswirtschaften profitieren können.
Die vom OECD-Sekretariat beabsichtigten Gewinnverteilungsregeln sollen über die derzeit bestehenden, sich an der physischen Präsenz festmachenden und aus dem Fremdvergleichsgrundsatz ergebenden Besteuerungsrechte hinausgehen. Dabei verdrängt der neue Ansatz - in einem ersten Schritt - zwar nicht schon dem Grunde nach die aktuelle Ergebnisabgrenzungslogik auf Basis des Fremdvergleichsgrundsatzes, ergänzt diese aber durch formelbasierte Lösungen inSpannungsbereichen des gegenwärtigen Systems.
Durch ein dreistufiges System soll die Rechtssicherheit für Steuerpflichtige und Finanzverwaltungen gewährleistet werden. Der Mechanismus gliedert sich
Ein Novum stellt hierbei das sich aus Betrag A ergebende Besteuerungsrecht dar; dieses würde grundsätzlich, unabhängig von der physischen Präsenz des Leistungserbringers, den Geschäftsgewinn, der den einzelnen Staaten zugewiesen wird, erhöhen. Die Beträge B und C würden nur unter Berücksichtigung des Vorhandenseins eines traditionellen Nexus, wie etwa in Form einer Tochtergesellschaft oder einer Betriebsstätte, anwendbar sein und zu einem Besteuerungsrecht des jeweiligen Staates führen.
Der veröffentlichte Entwurf zum Unified Approach gibt Tendenzen vor, wie die Besteuerung der digitalen Wirtschaft zukünftig gehandhabt werden könnte. Der Vorschlag selbst ist inhaltlich aber noch nicht vollends ausformuliert. Somit bleiben einige Fragen offen, wie etwa (i) wie weit oder eng der Begriff consumer-facing businesses zu verstehen ist, (ii) ob es potenzielle digitale Differenzierungen geben wird, (iii) welche Tätigkeiten unter die Routinefunktionen des Betrags B subsumiert werden oder etwa (iv) wie Doppelbesteuerung unter Beachtung der möglichen Neuregelungen künftig weiterhin effektiv vermieden werden kann.
Zu einigen Punkten der zweiten Säule (Pillar Two) hat die OECD ein Konsultationspapier für November 2019 angekündigt. Insgesamt plant die OECD einen Konsens zu „Pillar One“ und „Pillar Two“ bis Ende 2020 zu schaffen; ob bis dahin wirklich eine endgültige Lösung erzielt werden kann, bleibt abzuwarten.
Stefanie Miklos ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der laufenden steuerlichen Beratung nationaler und internationaler Unternehmen und Konzernen vor allem im Bereich der betrieblichen Steuern sowie in der Unterstützung bei Sonderprojekten und im Rahmen von Außenprüfungen.