Im September 2019 wurden im Rahmen des StRefG 2020 die sogenannten „Quick Fixes“ vom österreichischen Gesetzgeber beschlossen. Die Quick Fixes beruhen auf einer EU-Vorgabe und behandeln drei spezielle Problembereiche, bei denen aufgrund bestehender Rechtsunsicherheit ein schnelles Handeln als notwendig erachtet wurde: Konsignationslager, Reihengeschäfte und die Befreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen. Während die neuen Regelungen zu den ersten beiden Bereichen überwiegend positiv für die Unternehmer sind, bringen die Änderungen im letztgenannten Bereich potentiell neue Hürden. Die neuen Regelungen gelten für Umsätze ab 1.1.2020. Dieser Beitrag stellt die Neuerungen für Konsignationslager in den Mittelpunkt.
Unterhält ein Unternehmer ein Lager für einen bestimmten Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat und befüllt dieses Lager mit Waren, die der Abnehmer je nach Bedarf entnehmen kann (Konsignationslager), so hatte dies auf Basis der MwStSyst-RL bisher folgende Rechtsfolgen: Der das Lager befüllende Unternehmer verwirklichte beim grenzüberschreitenden Transport ein innergemeinschaftliches Verbringen und anschließend, bei Entnahme der Gegenstände durch den Kunden, eine nationale Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat. Folglich musste sich der Lieferant im Bestimmungsmitgliedstaat umsatzsteuerlich registrieren. Einige Mitgliedstaaten einschließlich Österreich wandten schon bisher Vereinfachungsregeln an, die die Registrierung des ausländischen Lieferers im Bestimmungsland unter bestimmten Voraussetzungen vermieden. Hierzu wurde das grenzüberschreitende Verbringen für umsatzsteuerliche Zwecke ignoriert und erst bei der Entnahme des Gegenstands eine innergemeinschaftliche Lieferung an den Kunden fingiert. Diese Regeln werden nun ab 1.1.2020 unionsweit in allen Mitgliedstaaten vereinheitlicht.
Die Anwendung der neuen Konsignationslager-Regelung ist an folgende kumulative Voraussetzungen geknüpft:
Sind die Voraussetzungen erfüllt, so wird das grenzüberschreitende Verbringen der Gegenstände für umsatzsteuerliche Zwecke ignoriert. Der ausländische Lieferant ist daher im Inbound-Fall nicht verpflichtet, sich in Österreich zu registrieren. Vielmehr hat der (in Österreich ohnehin registrierte) Erwerber im Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Lager einen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern. Da alle Mitgliedstaaten diese Regeln umsetzen müssen, ist umgekehrt auch ein österreichischer Lieferant bei Erfüllung aller Voraussetzungen nicht verpflichtet, sich im Bestimmungsmitgliedstaat registrieren zu lassen, sondern hat im Zeitpunkt der Entnahme durch den Erwerber eine innergemeinschaftliche Lieferung in Österreich als Abgangsmitgliedstaat zu melden. Die Regelung gilt nicht für Ein- und Ausfuhrtatbestände, kann aber bei Transport der Waren innerhalb der EU auch von Drittlandsunternehmern angewandt werden.
Ist absehbar, dass die Waren nicht innerhalb der 12-Monats-Frist vom geplanten Erwerber entnommen werden, so kann die Erfüllung des Tatbestands des innergemeinschaftlichen Verbringens – bei Einhaltung zusätzlicher formaler Voraussetzungen (zB Eintragung in das Register) – durch zeitgerechte Rücksendung der Waren in den Abgangsmitgliedstaat oder durch zeitgerechte Nennung eines Ersatzerwerbers verhindert werden. Wird für einen Gegenstand die 12-Monats-Frist überschritten oder geht der Gegenstand verloren (zB Schwund, Diebstahl), so führt dies im Zeitpunkt des Ablaufens der Frist bzw des Verlustes grds zu einem innergemeinschaftlichen Verbringen durch den Lieferanten. In solch einem Fall sollte der Lieferant so rasch als möglich eine UID im Bestimmungsmitgliedstaat beantragen, da diese für Zwecke der Befreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung benötigt wird. Es ist davon auszugehen, dass zumindest für Zwecke des Schwundes/Diebstahls noch Verwaltungsvereinfachungen von der Finanzverwaltung veröffentlicht werden. Hervorzuheben ist, dass das Hinausfallen aus der Konsignationslager-Regelung für einen Gegenstand (zB aufgrund des Überschreitens der Frist, Schwund) der zeitgleichen Anwendung der Regelung auf andere Gegenstände nicht entgegensteht.
Auch wenn der Wortlaut dies nicht explizit ausführt, so ist die Konsignationslager-Regelung ein Wahlrecht zugunsten des Lieferanten. Die Anwendung der Regelung kann durch den Lieferanten faktisch durch die Nicht-Führung des notwendigen Registers und/oder die Nicht-Eintragung der Verbringung in die ZM vermieden werden. Ob vom Wahlrecht Gebrauch gemacht werden soll, sollte jeweils im Einzelfall beurteilt werden. Möchte ein Lieferant die Konsignationslager-Regelung nutzen, so ist auf die Einhaltung aller formalen Voraussetzungen zu achten (Vereinbarung, Register, ZM) und ein abgestimmtes Vorgehen mit dem Erwerber zu empfehlen (zB Abgleich des Registers). Die bisherige österreichische Verwaltungspraxis, die durch weniger Formalismus gekennzeichnet war, kann ab 1.1.2020 nicht mehr angewandt werden.
Univ. Prof. Dr. Karoline Spies ist Manager bei Deloitte Wien und Professorin am Institut für Österreichisches und Internationales Steuerrecht der WU Wien. Ihr Schwerpunkt liegt im Umsatzsteuerrecht und Rechtsfragen im Bereich des Europäischen Steuerrechts.