Der VwGH hat sich in seiner Entscheidung vom 4.9.2019, Ro 2017/13/0009, mit der Behandlung nicht getilgter Verbindlichkeiten im Abwicklungsendvermögen sowie der Zurechnung des Abwicklungsergebnisses eines Gruppenmitglieds an den Gruppenträger beschäftigt.
Die B-GmbH war einziges Gruppenmitglied einer seit dem Wj 2005/2006 bestehenden Unternehmensgruppe. Über das Vermögen der B-GmbH wurde im November 2008 der Konkurs eröffnet. Die dreijährige Mindestdauer war zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt. Nach Verwertung des vorhandenen Vermögens wurden die Verbindlichkeiten quotenmäßig bedient und der Konkurs im Juli 2010 aufgehoben. Sämtliche nicht beglichene Verbindlichkeiten iHv rd 4 Mio EUR wurden im Abwicklungsendvermögen angesetzt und ein Abwicklungsverlust iHv rd -2 Mio EUR veranlagt.
Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind bis zum Ende der Abwicklung nicht getilgte Verbindlichkeiten nicht im Abwicklungsendvermögen auszuweisen, sondern erhöhen das steuerliche Liquidationsergebnis. Diese Vorgehensweise entspricht auch der in den Körperschaftsteuerrichtlinien dargelegten Interpretation. Das BFG hat sich dieser Rechtsansicht angeschlossen.
Der VwGH erteilt dieser Rechtsansicht eine Absage. Beim Abwicklungs-Endvermögen handelt es sich um „das zur Verteilung kommende Vermögen“. Bei Interpretation dieser Formulierung ist der Zweck der Bestimmung zu berücksichtigen. Die Bestimmung sieht eine finale Besteuerung der im Betriebsvermögen im Laufe des Bestands der Körperschaft angesammelten stillen Reserven vor; eine darüber hinausgehende Besteuerung einer bei der zu liquidierenden Gesellschaft nicht eingetretenen Vermögensmehrung ergibt sich daraus nicht. Dies unabhängig davon, ob Schulden am Ende der Abwicklung tatsächlich verteilt werden oder nicht.
Nachdem es im Anlassfall um ein in Liquidation befindliches Gruppenmitglied ging, hielt der VwGH weiters fest, dass das Regime der Gruppenbesteuerung nach der Gesetzessystematik auf die operativen Einkünfte werbender Körperschaften ausgerichtet ist. Die Verrechnung von Abwicklungsergebnissen mit operativen Ergebnissen entspräche nicht diesem Zweck. Ebenso wäre die Erfassung eines konsolidierten Ergebnisses mehrerer Jahre in einem Jahresergebnis des Gruppenträgers systemwidrig. Da die insolvenzbedingte Liquidation eines Gruppenmitglieds zu einer nicht sachgerechten Vermischung der Besteuerungsregime der Gruppenbesteuerung und der Liquidationsbesteuerung führt, ist das Abwicklungsergebnis nicht dem Gruppenträger zuzurechnen.
Der VwGH hat nunmehr klargestellt, dass nicht getilgte Verbindlichkeiten im Abwicklungsendvermögen anzusetzen sind. Zu einer Erhöhung des Liquidationsgewinnes und damit zu einer Besteuerung von nicht getilgten Verbindlichkeiten kommt es nicht.
Unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung zur Liquidation eines Gruppenträgers kommt der VwGH weiters zu dem Ergebnis, dass das Abwicklungsergebnis nicht dem Gruppenträger zurechenbar ist und auch Gruppenmitglieder aufgrund der Liquidation aus der Unternehmensgruppe ausscheiden.
Tanja Aigner ist Steuerberaterin bei Deloitte und hat mehr als zehn Jahre Erfahrung in der steuerlichen Beratung von natürlichen Personen, Stiftungen sowie nationalen und internationalen Unternehmensgruppen. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Steuerplanung, M&A-Beratung und Tax Due Diligence Prüfungen mit Spezialwissen auf dem Gebiet internationales Steuerrecht und Immobilienbesteuerung.