Posted: 23 Dec. 2020 8 min. read

VWGH: SOZIALPLANZAHLUNGEN (WIEDER) STEUERLICH ABSETZBAR

Unsere Tax & Legal News vom 23.11.2020 haben über eine wichtige Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG) zum Betriebsausgabenabzug für Sozialplanzahlungen in Form von freiwilligen Abfertigungen berichtet. Das BFG hatte jüngst entschieden, dass Sozialplanzahlungen an gekündigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nämlich in Sozialplänen festgelegte freiwillige Abfertigungen, im Allgemeinen steuerlich nicht abzugsfähig sind. Nur für schon vor dem 1.1.2003 geschlossene Arbeitsverträge bestünde eine Ausnahme. Aufgrund einer gegen diese Entscheidung eingebrachten Revision entschied nunmehr der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit Erkenntnis vom 7.12.2020, Ro 2020/13/0013, dass freiwillige Abfertigungen aus Sozialplänen bis zu einer bestimmten Höhe doch als steuerlich voll abzugsfähig zu behandeln sind. Das BFG hätte die Rechtslage hingegen verkannt.
 

Revisionsfall

Die Revisionswerberin besteuerte Sozialplanzahlungen bis EUR 22.000 pro Dienstnehmerin bzw Dienstnehmer zum halben Steuersatz und machte diese Sozialplanzahlungen darüber hinaus als Betriebsausgaben geltend. Das Unternehmen beschäftigte sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bis zum 31.12.2002 in das Unternehmen eingetreten waren und damit in der gesetzlichen Abfertigung dem System der „Abfertigung alt“ unterlagen, als auch solche auf die das System der „Abfertigung neu“ anwendbar war. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte das Finanzamt allerdings zum Ergebnis, dass freiwillige Abfertigungen im Rahmen von Sozialplänen vom Abzugsverbot erfasst sind und nahm folglich eine Hinzurechnung zum Jahresergebnis der Revisionswerberin vor.

Zur Begründung ihrer Beschwerde führte die Revisionswerberin aus, dass mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 (AbgÄG 2014) zeitgleich zwei Abzugsverbote eingeführt wurden, die aus diesem Grund auch als Einheit und nicht isoliert voneinander beurteilt werden müssten. Einerseits das Abzugsverbot für sogenannte Managergehälter und andererseits das gegenständliche Abzugsverbot für freiwillige Abfertigungen. Dieses Abzugsverbot greift jedoch nur soweit die Bezüge bei der Empfängerin bzw beim Empfänger nicht mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern sind. Entsprechend den Gesetzesmaterialien sollte mit der Einführung des Abzugsverbotes von Managergehältern ein Gerechtigkeits- und Solidaritätsaspekt verfolgt werden. Demgegenüber ist der Sozialplan auf die soziale Unterstützung wirtschaftlich schwacher Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgerichtet. Jene einkommensstarken Personengruppen, die der Gesetzgeber durch die Einführung des Abzugsverbotes von „Managergehältern“ und „Golden Handshakes“ erfassen wollte, könnten folglich auch niemals in den Geltungsbereich eines Sozialplanes fallen.

Das BFG führte in seiner damaligen Entscheidung aus, dass es sich hinsichtlich der Regelung zur begünstigten Besteuerung von sonstigen Bezügen, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen, um eine Generalklausel für alle sonstigen Bezüge handelt, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder deren Rechtsnachfolger(n) bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses zukommen. Nach Ansicht des BFG fielen beendigungskausale Abfertigungszahlungen aus Sozialplänen, wie sie im Streitfall erfolgten, dementsprechend auch in den Anwendungsbereich der Generalklausel. Soweit beendigungskausale Auszahlungen aus Sozialplänen nicht dem 6 % Steuersatz zu unterwerfen sind, unterlägen sie somit dem Abzugsverbot für „Golden Handshakes“.

Darüber hinaus vertrat das BFG in Hinblick auf freiwillige Abfertigungen, die an Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer ausgezahlt werden, die unter das System der "Abfertigung neu" fallen, die Meinung, dass diese von der Begünstigung des 6%-igen Steuersatzes ausgeschlossen wären. Da sie somit keiner begünstigten Besteuerung unterliegen, dem Grunde nach aber Abfertigungen im Sinne dieser Bestimmung darstellen, unterlägen solche Zahlungen daher immer und zur Gänze dem Abzugsverbot für Betriebsausgaben.
 

Erkenntnis des VwGH

Sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen sind mit dem Steuersatz von 6 % zu versteuern. Dies gilt nur für jene Zeiträume, für die keine Anwartschaften gegenüber einer BV-Kasse bestehen. In seinem Erkenntnis bestätigte der VwGH die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Generalklausel und folglich auch die Anwendbarkeit des besonderen Betriebsausgabenabzugsverbotes für „Golden Handshakes“ auf Sozialpläne sowie auf Abfertigungen im System der „Abfertigung neu“, schränkte das Abzugsverbot allerdings der Höhe nach ein.


 

Anwendbarkeit des Abzugsverbots auf Sozialpläne

Der VwGH widersprach dem Einwand der Revisionswerberin, wonach Sozialpläne grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich der Generalklausel fallen, mit der Begründung, dass die Bestimmung zur begünstigten Besteuerung von Bezügen, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses im Rahmen von Sozialplänen anfallen, ausdrücklich auf die Generalklausel verweist. Die Hälftesteuersatzbegünstigung für Sozialplanzahlungen in dieser Bestimmung gelte nur für jene Abfertigungen, die nicht ohnehin bereits begünstigt mit 6 % besteuert werden. Sozialplanzahlungen sind vom Anwendungsbereich der Generalklausel zur begünstigten Besteuerung umfasst und können daher auch vom Abzugsverbot betroffen sein.
 

Anwendbarkeit des Abzugsverbotes auf Mitarbeiter im System der „Abfertigung neu“

Der VwGH hält auch im Revisionsfall an seiner bisherigen Judikatur fest, wonach es sich bei freiwilligen Abfertigungen für Dienstverhältnisse im System der „Abfertigung neu“ um solcherart Zahlungen handelt, die der Generalnorm zur begünstigten Besteuerung von sonstigen Bezügen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern oder deren Rechtsnachfolger(n) bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen, unterliegen. Mit dem Abzugsverbot sollte eine Lenkungsnorm geschaffen werden, die einerseits die Vereinbarung hoher freiwilliger Abfertigungen in Dienstverträgen unattraktiv macht, andererseits die Freisetzung von Personal verteuern sollte. Aus der Höhe der maximal erlaubten Abfertigungszahlungen (das 45-Fache der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage – Wert 2021: EUR 249.750) und aus dem Kontext der gemeinsamen Einführung mit dem Abzugsverbot für Managergehälter ergebe sich, dass der Hauptanwendungsfall die Führungsebene von Unternehmen sein soll, die im Vorfeld in ihren Arbeitsverträgen eine hohe freiwillige Abfertigung bei Beendigung des Dienstverhältnisses zugesagt bekomme. Für GmbH-Geschäftsführer gelte allerdings seit 2003 das System der „Abfertigung neu“, für Vorstände von Aktiengesellschaften seit 2008. Folgte man der Ansicht der Revisionswerberin und Teilen der Literatur, wäre dieser Lenkungseffekt für den Hauptwendungsfall des Abzugsverbots nie zur Anwendung gekommen, weil das Abzugsverbot erst im Jahr 2014 eingeführt wurde. Es liege demnach auf der Hand, dass dem Gesetzgeber ein derartiges Ansinnen nicht unterstellt werden könne.
 

Einschränkung des Abzugsverbotes der Höhe nach

Basierend auf den bereits geschilderten Ausführungen wollte der Gesetzgeber augenscheinlich nur Abfertigungen ab einer bestimmten Höhe einer höheren Steuerlast unterwerfen. Während hinsichtlich des Abzugsverbot für „Managergehälter“ eine eindeutige betragsmäßige Grenze eingezogen wurde, wollte der Gesetzgeber für freiwillige Abfertigungen eine Staffelung vorsehen, die sich nach der Höhe der Bezüge und der Dauer der Beschäftigung im Unternehmen richtete. Den Gesetzesmaterialien und dem Regierungsprogramm zum AbgÄG 2014 folgend, entsprach es nie dem Willen des Gesetzgebers, Abfertigungen bereits ab dem ersten EUR mit einem Abzugsverbot zu belegen. Der VwGH führte dementsprechend aus, dass eine gänzliche Versagung der Absetzbarkeit von Sozialplanzahlungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit neuen Dienstverhältnissen unsachlich wäre.

Der Gesetzgeber habe der Bestimmung zur begünstigen Besteuerung von sonstigen Bezügen, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen, aus diesem Grund eine betragsmäßige Staffelung (Viertelbegünstigung: Freiwillige Abfertigungen sind mit 6 % zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen. Begrenzt mit dem 9-fachen der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage – Wert 2021: EUR 49.950 und Zwölftelregelung: Über das Ausmaß der Viertelregelung hinaus sind freiwillige Abfertigungen gestaffelt nach der nachgewiesenen Dienstzeit mit 6 % zu versteuern. Begrenzung mit dem 3-fachen der monatlichen ASVG-Höchstbeitragsgrundlage – Wert 2021: EUR 16.650) zum Zwecke einer begünstigten Besteuerung angefügt. Dabei dürfte der Gesetzgeber allerdings die gesetzliche Ausnahme übersehen haben, dass neue Dienstverhältnisse, unabhängig von der Höhe der Abfertigung, immer von der 6%-igen Besteuerung ausgenommen sind. In entsprechender Anwendung einer teleologischen Reduktion bei Auslegung der Rechtsnorm durch den VwGH, sei der Verweis demnach so zu verstehen, dass das Abzugsverbot nur dann zur Anwendung kommt, wenn die Beträge der Staffel überschritten werden.
 

Verfassungsrechtliche Überlegung

Auch eine verfassungskonforme Interpretation der Bestimmung spricht für das vom VwGH vertretene Ergebnis. Eine Unterscheidung zwischen „alten“ und „neuen“ Dienstverhältnissen, die zur Folge hätte, dass eine Gruppe von Abfertigungen ab dem ersten EUR dem Abzugsverbot unterläge, während für die andere Gruppe eine betragsmäßige Obergrenze bestünde, wäre im Hinblick auf das Lenkungsziel, überhöhte Abfertigungen zu vermeiden, nicht nachvollziehbar und unsachlich. Auch das Ziel des Gesetzgebers, Personalfreisetzungen unattraktiver zu machen, könnte eine derartige Differenzierung sachlich nicht rechtfertigen, weil nicht ersichtlich ist, wieso die Kündigung einer Gruppe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die sich nur durch den zufälligen Zeitpunkt des Eintritts in das jeweilige Unternehmen von der anderen Gruppe von Arbeitnehmern unterscheidet, stärker erschwert werden sollte als Personalfreisetzungen in der anderen Gruppe.
 

Conclusio

Über den Revisionsfall hinaus hat das Erkenntnis des VwGH somit zur Folge, dass die in Sozialplänen ausbezahlten freiwilligen Abfertigungen nur dann dem Abzugsverbot unterliegen, insoweit sie die Beträge der Staffelung (Viertelbegünstigung und die nach der nachgewiesenen Dienstzeit gestaffelte Zwölftelregelung) überschreiten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um „alte“ oder „neue“ Dienstverhältnisse handelt und mit welchem Steuersatz die Besteuerung beim Empfänger erfolgt. Für die Begrenzung des Betriebsausgabenabzuges für freiwillige Abfertigungen ist es dementsprechend unerheblich, ob diese in- oder außerhalb von Sozialplänen ausbezahlt werden, die bereits dem BMSVG oder noch dem alten Abfertigungsrecht unterliegen. Das gegenständliche Erkenntnis des VwGH zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von freiwilligen Abfertigungen erlangt aus diesem Grund eine über den Revisionsfall und Sozialplanzahlungen hinausgehende praktische Relevanz. Freiwillige Abfertigungen an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die dem BMSVG unterliegen und die gesetzlichen, betragsmäßigen Begrenzungen (Viertelbegünstigung und Zwölftelregelung) unterschreiten, sind bei der Gewinnermittlung voll abzugsfähig und können somit als Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Dies gilt – unter Berücksichtigung der bereits eingetretenen Rechtskraft von Bescheiden – auch für bereits vergangene Veranlagungen.



Ihr Kontakt

Marc Heschl, MSc (WU)

Marc Heschl, MSc (WU)

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Marc Heschl ist im Bereich Business Process Services Payroll bei Deloitte am Standort Wien tätig. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen neben der Beratung von arbeits-, lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen auch in der Personalabrechnung von nationalen und internationalen Mandanten.