Am 10.12.2019 veröffentlichte das deutsche BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-BEPS-Richtlinie. Aus Verrechnungspreissicht und somit insbesondere für österreichische Steuerpflichtige mit verbundenen Geschäftseinheiten in Deutschland ist hierbei die geplante Überarbeitung des § 1 Außensteuergesetz (AStG), sowie die geplante Einführung der §§ 1a und 1b AStG von Bedeutung. Im Folgenden sollen daher kurz einige wesentliche Neuerungen am Außensteuergesetz zusammengefasst werden.
Bisher war in Deutschland für die Wahl der geeignetsten Verrechnungspreismethode eine klare Hierarchie vorgesehen. Im Referentenentwurf ist nun, wie international üblich, die sogenannte Best-Method-Rule enthalten. Es ist daher stets jene Methode anzuwenden, welche im konkreten Sachverhalt zum zuverlässigsten Ergebnis führt und somit als am angemessensten zu qualifizieren ist. Die Methodenwahl ist hierbei im jeweiligen Fall – unter Berücksichtigung von Vor- und Nachteilen – zu begründen.
Zu beachten ist auch, dass generell für die Bepreisung von Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Geschäftsvorfalles abzustellen ist (price-setting-approach). Die der Verrechnungspreisermittlung zugrundeliegenden Informationen waren auch bereits bisher zwingender Bestandteil einer Verrechnungspreisdokumentation.
Die bisher in Deutschland vorgesehenen Escape-Klauseln (§ 1 Abs 3 Satz 10 AStG) wurden im Referentenentwurf gestrichen. Für die Praxis bedeutet dies, dass möglicherweise auch für kleinere Funktionsverlagerungen aufwendige Bewertungen nötig werden. Zusätzlich unterliegen auf Grund des geänderten Wortlautes der Bestimmung künftig auch Funktionsverlagerungen ohne Übertragung bzw Überlassung wesentlicher immaterieller Werte der Funktionsverlagerungsbesteuerung (faktisch somit auch bei Verlagerung von Routine-Funktionen).
Führt man sich im Vergleich zu diesem Verständnis die Ausführungen in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien zu Funktionsverlagerungen vor Augen, wird man aufgrund von bestimmten Abweichungen davon ausgehen müssen, dass es in diesen Bereichen verstärkt zu Auffassungsunterschieden zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltungen bzw zwischen den Finanzverwaltungen kommen kann.
Im Zuge der Überarbeitung des Außensteuergesetzes soll in Deutschland auch das von der OECD erarbeitete DEMPE Konzept (das Akronym DEMPE steht für Development, Enhancement, Maintenance, Protection, Exploitation) explizit im innerstaatlichen Recht eingeführt werden. Vereinfacht formuliert, sieht dieses Konzept vor, dass jener Geschäftseinheit die Früchte aus einem immateriellem Wert zustehen, welche die wesentlichen Funktionen ausübt sowie in der Lage ist, die wesentlichen Risiken zu steuern.
Explizit verankert im Referentenentwurf ist auch, dass jene Geschäftseinheit, die lediglich die Finanzierung der DEMPE-Funktionen übernimmt, keinen Anspruch auf die Früchte aus dem finanzierten immateriellen Wert hat, sondern lediglich für ihre Finanzierungsfunktion angemessen zu vergüten ist. Dieses Verständnis stimmt grundsätzlich auch mit der Denke der OECD überein.
Zur Bepreisung von Finanztransaktionen sieht der Referentenentwurf den neu einzuführenden § 1a AStG vor, in welchem gleich zu Beginn definiert wird, dass dieser eventuell abweichenden Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen vorgeht (Treaty Override). Dies wird sehr kritisch gesehen, da der deutsche Gesetzgeber somit explizit in Kauf nimmt gegen geltende Staatsverträge zu verstoßen. Für Steuerpflichtige entsteht hierdurch ein Doppelbesteuerungsrisiko; ob letztlich tatsächlich ein Doppelbesteuerungsrisiko aufgrund des Treaty Override vorliegt, ist wohl nur in jenen Fällen relevant, in denen die innerstaatliche Bestimmung von der internationalen Konsensposition abweicht. Die im Referentenentwurf enthaltenen Regelungen beschäftigen sich insbesondere mit Zinsaufwendungen und scheinen daher nur auf Inbound Transaktionen anwendbar zu sein.
Zur steuerlichen Anerkennung von Zinsaufwendungen soll es künftig notwendig sein, dass der Steuerpflichtige (daher der Darlehensnehmer) mittels einer Prognose dem Grunde nach nachweist, dass er den Kapitaldienst der Transaktion (Zins- und Tilgungszahlung) von Anfang an bis zum Ende der Vertragslaufzeit hätte bedienen können (sogenannte debt capacity analysis) und dass die liquiden Mittel wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet werden. Dieses Verständnis scheint an das in den OECD Verrechnungspreisrichtlinien 2017 neu eingeführte Recognition Konzept angelehnt zu sein und stellt somit prima vista keine wesentliche Abweichung von der internationalen Konsensposition dar.
Künftig vorgesehen ist zudem, dass der konzerninterne Zinssatz auf den externen Refinanzierungszinssatz begrenzt ist. Hiervon abweichende, höhere Zinssätze können nur dann verrechnet werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass diese dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Diese Herangehensweise wird auf internationaler Ebene durchaus kritisch betrachtet, weil dies faktisch ein einheitliches Group Rating unterstellt und birgt letztlich eine nicht unerhebliche Gefahr von Auslegungsunterschieden und damit einhergehender Doppelbesteuerung.
Des Weiteren werden auch konzerninterne Finanzierungsleistungen (zB Vermittlung, Back-to-Back-Finanzierungen und typische Funktionen von Finanzierungsgesellschaften) im Referentenentwurf behandelt. Diese stellen nach Ansicht des deutschen BMF grundsätzlich Routinedienstleistungen dar, welche auf Grundlage eines risikofreien Zinssatzes zu vergüten sind.
Ebenfalls geplant ist die Senkung der Umsatzschwelle für die Pflicht zur Erstellung von Master Files von derzeit MEUR 100 auf MEUR 50. Das Master File soll künftig elektronisch spätestens nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres an die zuständige Finanzbehörde übermittelt werden. Wie diese Frist genau zu lesen ist, ist noch nicht ganz klar. Die Übermittlung eines fertigen Master Files bis zu Ende jenes Jahres, welches vom Master File umfasst sein soll, erscheint jedoch nicht realistisch.
Der Referentenentwurf des überarbeiteten Außensteuergesetzes enthält in einigen Bereichen die Übernahme von Konzepten, welche von der OECD als state-of-the-art angesehen werden und in dieser Form auch in Österreich bereits Anwendung finden. IZm Finanztransaktionen versucht Deutschland hingegen offenbar kurz vor Veröffentlichung der für Anfang 2020 erwartenden Guidance der OECD vorab Fakten zu schaffen, die über weite Strecken eben nicht internationalen Konsens finden dürften. Auch sieht der Entwurf vor, dass die Regelungen im Zusammenhang mit Finanztransaktionen eventuell abweichenden Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen vorgehen. Inwieweit der tatsächliche Gesetzesentwurf schlussendlich von den im Referentenentwurf enthaltenen Regelungen sowie der künftigen Guidance der OECD abweicht bleibt abzuwarten.
Detailliertere Analysen der geplanten Gesetzesänderungen sind einem Webcast sowie einem Artikelunserer Kollegen aus Deutschland zu entnehmen.
Daniel Gloser ist seit 2017 Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt er in der Beratung von multinational agierenden österreichischen Unternehmen und österreichischen Geschäftseinheiten ausländischer Unternehmensgruppen. Der Tätigkeitsumfang reicht hierbei von der Erstellung über die Dokumentation bis hin zur Verteidigung von Verrechnungspreissystemen in Außenprüfungen.