Posted: 05 Jun. 2020 4 min. read

BUNDESFINANZGERICHT: DIE EX-NUNC-WIRKUNG EINER RÜCKGÄNGIG GEMACHTEN LIEFERUNG ZIEHT KEINE ERWERBERHAFTUNG NACH SICH

Die Bestimmung zur Erwerberhaftung laut Bundesabgabenordnung verfolgt den Zweck das Verlorengehen von Abgabenschulden, die sich auf den Betrieb gründen, durch den Übergang des Unternehmens (Betriebs) in fremde Hände zu verhindern. Der Umfang der Haftung wird auf Schulden beschränkt, die der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung kannte bzw kennen musste. Den notwendigen Anknüpfungspunkt für die sogenannte Erwerberhaftung stellt dabei der Übergang eines lebensfähigen Unternehmens dar. Durch die Übereignung der wesentlichen Grundlagen des Unternehmens muss der Erwerber in die Lage versetzt werden, dieses auch fortführen zu können. Das Zurückbehalten von bestimmten Wirtschaftsgütern steht dem nicht entgegen. Erst kürzlich beschäftigte das Bundesfinanzgericht (BFG) ein Fall, welcher die Erwerberhaftung iZm einer rückgängig gemachten Lieferung zum Gegenstand hat (BFG 5.2.2020, RV/5100906).
 

Unternehmenskauf

Im Februar 2012 schlossen zwei Gesellschaften, beide im Bereich des Fahrzeughandels tätig, einen Unternehmenskaufvertrag ab. Neben den in den Beilagen zum Kaufvertrag aufgelisteten übernommenen Wirtschaftsgütern und Verbindlichkeiten wurde die Vereinbarung getroffen, dass bestehende Lieferantenverträge von der Erwerberin nicht übernommen werden. Stattdessen war die Erwerberin angehalten, selbst Vereinbarungen mit den Lieferanten (der Fahrzeuge) abzuschließen.
 

Geltendmachung Eigentumsvorbehalt

Vor Verkaufsabschluss wurden von der Veräußerin Fahrzeuge unter Eigentumsvorbehalt erworben, für die sie den Vorsteuerabzug geltend machte. Der Eigentumsvorbehalt wurde vom Vorbehaltsverkäufer (Lieferant der Fahrzeuge) gegenüber der Vorbehaltskäuferin (Veräußerin des Unternehmens) zwei Monate nach Abschluss des Unternehmenskaufvertrags geltend gemacht. Dies hatte eine Rückzahlungspflicht der daraus geltend gemachten Vorsteuerbeträge zur Folge. Anstelle der Veräußerin wurde die Erwerberin des Unternehmens dafür belangt und als Haftungspflichtige für die aushaftende Umsatzsteuer herangezogen. Gegen den Haftungsbescheid des Finanzamts wurde Beschwerde an das BFG erhoben.
 

Entscheidung des BFG

Der Erwerb und die anschließende Lieferung der Fahrzeuge hat der Veräußerin laut BFG bereits die Verfügungsmacht über diese verschafft. Die zivilrechtliche Vertragsgestaltung des Erwerbs unter Eigentumsvorbehalt steht einer Verschaffung der Verfügungsmacht iSd UStG nicht entgegen. Macht der Vorbehaltsverkäufer sodann von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch, fällt die ursprüngliche Lieferung rückwirkend weg. Die Lieferung ist rückgängig zu machen und ein allfälliger Vorsteuerabzug zu berichtigen. Eine solche Berichtigung hat für den Veranlagungszeitraum zu erfolgen, in dem die Änderung des Entgelts eingetreten ist, folglich für den Voranmeldungszeitraum April 2012. Die Rückgängigmachung wirkt ex nunc, das heißt nicht rückwirkend. Die gegenständlichen Fahrzeuge waren nicht Bestandteil des Unternehmenskaufs, da laut Kaufvertrag bis zum vereinbarten Stichtag entstandene Verbindlichkeiten nicht von der Käuferin übernommen würden. Die Käuferin hatte zu diesem Zeitpunkt auch noch keinen Vertrag mit der Vorbehaltsverkäuferin abgeschlossen. Die haftungsgegenständliche Umsatzsteuer wurde daher nicht durch den Unternehmenskauf ausgelöst.
 

Umfang der Erwerberhaftung

In diesem Zusammenhang rückte insbesondere der zeitliche Umfang der Haftungsbestimmung in den Fokus. Eine zeitliche Schranke ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Gem der verfahrensrechtlichen Bestimmung sind nur jene Abgaben von der Erwerberhaftung umfasst, die auf die Zeit seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen. Nicht der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abgabe sei relevant, sondern vielmehr der Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung. Wurde der Abgabentatbestand nach der Übereignung verwirklicht und sind dadurch Abgabenansprüche entstanden, kann der Erwerber des Unternehmens nicht zur Haftung herangezogen werden. Dies führte letztendlich zur Aufhebung des Haftungsbescheids.
 

Fazit

Die Rückgängigmachung einer Lieferung entfaltet eine Ex-Nunc-Wirkung. Der Eigentumsvorbehalt, der im vorliegenden Fall nach der Unternehmensübereignung geltend gemacht wurde, führte zu Verwirklichung des Abgabentatbestands und zur Korrektur der Abgabenschuld zu einem Zeitpunkt nach der Übereignung. Eine sich daraus ergebende allfällige Schuld kann dem Erwerber nicht zu Lasten fallen. Durch dieses Erkenntnis des BFG wurde der zeitliche Umfang der Erwerberhaftung nochmals genauer definiert.


Anmeldung zum Erhalt von Informationen und Newslettern

           

Ihr Kontakt

Mag. Edith Capek, LL.M. (WU)

Mag. Edith Capek, LL.M. (WU)

Senior Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Edith Capek ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Verfahrens- und Finanzstrafrecht, Konzernsteuerrecht sowie europäischem Steuerrecht. Sie ist zudem als Fachautorin und Fachvortragende tätig.