Posted: 24 Apr. 2020 7 min. read

COVID-19 BEDINGTES HOME-OFFICE – STEUERLICHE UND SOZIALVERSICHERUNGSRECHTLICHE AUSWIRKUNGEN

Die COVID-19 Krise zwingt zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistungen von zuhause aus zu erbringen. Liegt das Home-Office im Ausland bzw hat die Arbeitnehmerin bzw der Arbeitnehmer die steuerliche Ansässigkeit außerhalb des Sitzstaates des Unternehmens, können sich zahlreiche Fragestellungen aus steuerlicher wie auch sozialversicherungsrechtlicher Sicht ergeben.
 

Analyse der OECD zu abkommensrechtlichen Fragestellungen iZm COVID-19

Das OECD-Sekretariat hat am 3.4.2020 zu diversen abkommensrechtlichen Fragestellungen iZm COVID-19 – ua zu Fragestellungen zur Betriebsstätte und der abkommensrechtlichen Behandlung von Kurzarbeitsunterstützungen – Stellung genommen.

Inwieweit die aufgrund der COVID-19 für berufliche Zwecke genutzte Wohnung eine ertragsteuerliche Betriebsstätte im Sinne des OECD-Musterabkommens begründen kann, haben wir bereits in unseren Tax & Legal News vom 20.3.2020 diskutiert. Aufgrund der Relevanz dieser Thematik aus globaler Sicht hat auch das OECD-Sekretariat diesen Punkt in seiner Analyse behandelt. Im Regelfall ist nicht davon auszugehen, dass ein vorübergehend angeordnetes Home-Office zur Begründung einer Betriebsstätte der Arbeitgeberin bzw des Arbeitgebers im abkommensrechtlichen Sinne führt. Die OECD begründet diese Auffassung damit, dass zur Begründung einer Betriebsstätte neben einem bestimmten Ausmaß an Dauerhaftigkeit auch eine gewisse Verfügungsmacht über die Einrichtung des Beschäftigten erforderlich sei. Da die OECD davon ausgeht, dass die Benutzung des Home-Office nur vorübergehend erfolgen wird, ist aus ihrer Sicht das Element der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt. Insbesondere weist die OECD auch noch auf den Umstand hin, dass die COVID-19 bedingte vorübergehende Tätigkeit im Home-Office nicht auf ein Erfordernis der Arbeitgeberin bzw des Arbeitgebers zurückzuführen ist, sondern auf behördliche Anordnungen. Eine ähnliche Sichtweise vertritt die OECD hinsichtlich der Fragestellung, ob sich aufgrund der vorübergehenden Home-Office-Tätigkeit einer vertretungsbefugten Arbeitnehmerin bzw eines vertretungsbefugten Arbeitnehmers eine Vertreterbetriebsstätte im Ansässigkeitsstaat eben dieser ergeben könnte. Hiervon kann nach Ansicht der OECD im Regelfall nicht ausgegangen werden, da man für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte die erteilte Abschlussvollmacht gewöhnlich ausüben bzw für den Arbeitgeber bzw die Arbeitgeberin regelmäßig Verträge abschließen muss. Auch hier ist somit das Element der Dauerhaftigkeit nicht erfüllt. Anders kann sich die Lage natürlich darstellen, wenn bereits vor COVID-19 regelmäßig Verträge im Ansässigkeitsstaat der Vertreterin bzw des Vertreters abgeschlossen wurden.

Soweit die abkommensrechtliche Behandlung von Kurzarbeitsunterstützungen betroffen ist, wendet die OECD grundsätzlich Art 15 an (unselbständige Arbeit). Aufgrund der Vergleichbarkeit mit Beendigungszahlungen komme das Besteuerungsrecht jenem Staat zu, der besteuerungsberechtigt gewesen wäre, wenn die Arbeitnehmerin bzw der Arbeitnehmer der Tätigkeit weiterhin unverändert nachkommen könnte (Tätigkeitsstaat). Hinsichtlich der Behandlung von Kurzarbeitsunterstützungen im Anwendungsbereich des DBA Österreich-Deutschland dürfen wir auch auf die untenstehenden Ausführungen zur neuen Konsultationsvereinbarung verweisen.
 

Österreichische Lohnsteuerpflicht für ausländische Arbeitgeber

Wie bereits am 4.11.2019 in unseren Tax & Legal News berichtet, wurde die Lohnsteuerpflicht für ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit Wirkung ab 2020 neu geregelt. Erbringen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die bis dato täglich in den Arbeitgeberstaat pendelten oder dort einen beruflich bedingten Zweitwohnsitz haben, ihre Tätigkeiten COVID-19 bedingt vorübergehend in ihrem österreichischen Home-Office, kommt das Besteuerungsrecht für diese Arbeitstage regelmäßig Österreich als Ansässigkeitsstaat zu (siehe jedoch die untenstehenden Ausführungen zur Konsultationsvereinbarung mit Deutschland). Nach der neuen, in unserem Beitrag vom 4.11.2019 dargestellten Rechtslage käme somit die neue Lohnsteuerpflicht zur Anwendung, und ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber müssten sich für österreichische lohnsteuerliche Zwecke registrieren lassen sowie eine entsprechende Schattenlohnverrechnung in Österreich einrichten. Da diese Verpflichtung insbesondere vor dem Hintergrund der bloß vorübergehenden Home-Office-Tätigkeit zu einem übermäßigen Administrationsaufwand führt, bleibt zu hoffen, dass vom Gesetzgeber entsprechende Erleichterungsbestimmungen beschlossen werden.
 

Konsultationsvereinbarung zum DBA Österreich-Deutschland

Um das Ausmaß der persönlichen Belastungen für alle in Bezug zu Deutschland grenzüberschreitend tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus steuerlicher Sicht möglichst gering zu halten, hat das österreichische BMF mit den deutschen Behörden eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen. Nach dieser Konsultationsvereinbarung sollen Vergütungen für Arbeitstage, an denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Tätigkeiten nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ausüben, als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage gelten, in dem diese ihre Tätigkeiten ohne die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ausgeübt hätten. Diese Erleichterungsbestimmung soll allerdings nicht für Arbeitstage gelten, die unabhängig von den COVID-19-Maßnahmen im Home-Office verbracht worden wären (zB aufgrund arbeitsvertraglicher Regelungen). Um diese Erleichterungsbestimmungen in Anspruch zu nehmen, müssen Betroffene eine entsprechende Mitteilung an die Arbeitgeberin bzw den Arbeitgeber und das zuständige Finanzamt des Ansässigkeitsstaats erstatten und die maßgeblichen Umstände offenlegen. Die Erklärung führt automatisch dazu, dass der jeweilige Arbeitslohn im (fiktiven) Tätigkeitsstaat besteuert wird. Die Mitteilung und ihre Rechtsfolgen werden jedoch durchaus Zweifelsfragen auslösen, die noch zu klären sein werden.

Im Rahmen der aktuellen Konsultationsvereinbarung hat das BMF auch hinsichtlich der Grenzgängerregelung im DBA Österreich-Deutschland eine Präzisierung getroffen. Demgemäß sollen Arbeitstage, für die Arbeitslohn bezogen wird und an denen ein Grenzgänger nur aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie die Tätigkeit im Home-Office ausübt, nicht als (für die Anwendung der Grenzgängerregelung) schädliche Tage der Nichtrückkehr gewertet werden, sofern diese Arbeitstage nicht unabhängig von diesen Maßnahmen im Home-Office verbracht worden wären (bspw aufgrund entsprechender Regelungen im Arbeitsvertrag).

Letztendlich tätigt das BMF auch noch Aussagen zur abkommensrechtlichen Behandlung der Kurzarbeitsunterstützung. Die Behörden konnten Einvernehmen darüber erzielen, dass sowohl das in Deutschland ausgezahlte Kurzarbeitergeld als auch die in Österreich ausgezahlte Kurzarbeitsunterstützung für entfallene Arbeitsstunden sowie ähnliche Zahlungen, die aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ausgezahlt und von den Vertragsstaaten erstattet werden, als Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung des jeweiligen Staates iSd Art 18 Abs 2 des DBA Österreich-Deutschland zu qualifizieren sind. Diese Bezüge sind somit in dem Staat zu besteuern, von dem die entsprechende Kurzarbeitsunterstützung gewährt wird.

Die Konsultationsvereinbarung findet Anwendung auf Arbeitstage im Zeitraum vom 11.3.2020 bis 30.4.2020 und verlängert sich ab dem 30.4.2020 jeweils automatisch vom Ende eines Kalendermonats zum Ende des nächsten Kalendermonats, sofern sie nicht rechtzeitig von einer Behörde eines der Vertragsstaaten gekündigt wird.
 

Sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen von Home-Office-Tätigkeiten

Nicht zuletzt aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht können sich Fragestellungen ergeben, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die entsendet sind oder deren Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber in einem anderen Staat ansässig ist, zwangsweise in ihrem Home-Office arbeiten müssen. So unterliegt eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt. Als wesentlicher Teil gilt hierbei ein Anteil der Arbeitszeit und/oder des Arbeitsentgelts von zumindest 25%. Führt die COVID-19 bedingte Home-Office-Tätigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Wohnsitzstaat Österreich, die ansonsten täglich in das Ausland pendeln, dazu, dass zumindest 25% der Arbeitstage in Österreich verbracht werden, stellt sich die Frage, ob es dadurch zu einem Wechsel des für die Sozialversicherung zuständigen Staates kommen kann.

Wenngleich die endgültige Beurteilung dieser Fragestellung der zuständigen Landesstelle der Österreichischen Gesundheitskasse obliegt, vertritt das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz soweit ersichtlich die Auffassung, dass vorübergehende Einschränkungen der grenzüberschreitenden Tätigkeit bzw die Unterbrechung einer Entsendung durch Maßnahmen aufgrund von COVID-19 keine relevanten Änderungen des Sachverhalts darstellen. Eine Änderung einer bereits festgestellten Zuordnung zur Sozialversicherung eines Staates soll nicht eintreten. Eine entsprechende Meldung an den zuständigen österreichischen Sozialversicherungsträger muss somit nach Ansicht des Sozialministeriums nicht erfolgen.
 

Fazit

Die OECD sowie auch die österreichische Finanzverwaltung haben durch die Veröffentlichung von Leitlinien bzw den Abschluss von Konsultationsvereinbarungen auf die abkommensrechtlichen Fragestellungen iZm COVID-19 reagiert. Wenngleich diese zum Teil Erleichterungen für die Betroffenen bewirken, ergeben sich Zweifelsfragen, die noch zu klären sein werden. Insbesondere die aufgrund der vorübergehenden Home-Office-Tätigkeit nunmehr vielfach eintretende Lohnsteuerpflicht für ausländische Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ist uE jedoch kritisch zu sehen. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber auf diese Problematik reagiert und auch aus lohnsteuerlicher Perspektive entsprechende Erleichterungen schafft.


Ihr Kontakt

Mag. Arnold Binder

Mag. Arnold Binder

Partner Steuerberatung | Deloitte Österreich

Arnold Binder ist Partner in der Steuerberatung und Experte für Auslandsentsendungen sowie Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Compliance. Er ist mit zunehmender Spezialisierung im Bereich Global Employer Services tätig, wo er sich verstärkt den digitalen Potenzialen annimmt.