Posted: 01 Apr. 2020 8 min. read

COVID-19 UND DIE RECHNUNGSLEGUNG UND BERICHTERSTATTUNG NACH UGB UND IFRS

COVID-19 hat weitreichende Auswirkungen auf österreichische Unternehmen und damit auch auf die Rechnungslegung. Das deutsche Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat Anfang März 2020 einen fachlichen Hinweis zu den diesbezüglichen Auswirkungen auf die Rechnungslegung veröffentlicht. Auch das Austrian Financial Reporting and Auditing Committe (AFRAC) hat nunmehr eine Fachinformation hierzu erarbeitet.
 

Auswirkungen auf die Rechnungslegung zum Stichtag 31.12.2019

Grundsätzlich stellen die Auswirkungen von COVID-19 sogenannte „wertbegründende“ Ereignisse dar, dh es ergeben sich keine Auswirkungen auf den Ansatz und die Bewertung von Bilanzposten in UGB Jahresabschlüssen zum 31.12.2019. Das gleiche gilt für IFRS Abschlüsse, weshalb die Auswirkungen des Coronavirus in der Regel als nicht zu berücksichtigende Ereignisse (non-adjusting events iSd IAS 10.3 (b) iVm IAS 10.10) einzustufen sein werden und daher die im Abschluss per 31.12.2019 erfassten Beträge nicht anzupassen sind. Eine abweichende Beurteilung wäre unter Umständen dann gegeben, wenn zB in einem Konzernabschluss Tochtergesellschaften in China enthalten sind und bei diesen schon vor Bilanzstichtag Auswirkungen entstanden sind.

Auch bei einer Einstufung als wertbegründendes Ereignis ergeben sich nach UGB für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften jedoch zusätzliche Berichtspflichten in Anhang und Lagebericht. Im Anhang sind wesentliche Ereignisse nach dem Bilanzstichtag anzugeben und hinsichtlich ihrer finanziellen Auswirkungen zu erläutern. Gleiches gilt für die IFRS-Notes gem IAS 10.21. COVID-19 wird in der Regel als wesentliches Ereignis einzustufen sein. Ist eine Schätzung der finanziellen Auswirkungen nicht möglich, ist diese Tatsache anzugeben. Darüber hinaus können sich zusätzliche Angabepflichten im Anhang zur Annahme der Unternehmensfortführung ergeben (siehe hierzu sogleich unten).

Im Lagebericht wird auf die COVID-19-Krise in der Regel im Zuge der Darstellung der wesentlichen Risiken und Ungewissheiten sowie der Auswirkungen auf die voraussichtliche Entwicklung einzugehen sein. Auf bestandsgefährdende Risiken ist im Übrigen besonders einzugehen und sie sind gem AFRAC 9 als solche zu bezeichnen. Durch die Dynamik der Ausbreitung von COVID-19 könnte es sich als schwierig erweisen, die Dauer von COVID-19 und die Auswirkungen verlässlich zu schätzen. Sind die Auswirkungen nicht absehbar, hat ein Unternehmen diese Tatsache anzugeben.

Auch in der nichtfinanziellen Erklärung bzw dem nichtfinanziellen Bericht, welcher von bestimmten großen Kapitalgesellschaften bzw bestimmten Mutterunternehmen zu erstellen ist, ist in konsistenter Art und Weise auf die Auswirkungen von COVID-19 Bedacht zu nehmen.


Auswirkungen auf die Annahme der Unternehmensfortführung (Going Concern)

Abschlüsse werden gem UGB als auch IFRS grundsätzlich unter der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufgestellt, solange nicht tatsächliche oder rechtliche Gründe dem entgegenstehen.

Eine Verschlechterung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage nach dem Abschlussstichtag kann ein Hinweis darauf sein, dass überprüft werden muss, ob die Aufstellung des Abschlusses unter der Annahme der Unternehmensfortführung noch angemessen ist. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind somit sämtliche bis zum Tag der Aufstellung verfügbaren Informationen über die Zukunft heranzuziehen und somit auch alle durch COVID-19 bedingten möglichen Auswirkungen in die Überlegungen miteinzubeziehen.

Wenn der Unternehmensfortführung tatsächliche oder rechtliche Gründe möglicherweise entgegenstehen, hat das Management eine spezifische Einschätzung der Fähigkeit zur Unternehmensfortführung im Rahmen einer Fortführungsprognose (Planungsrechnung) vorzunehmen. Hierfür hat das Unternehmen sämtliche verfügbaren Informationen über die Zukunft in Betracht zu ziehen, wobei mindestens ein Zeitraum von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag, bei Krisenanzeichen von mindestens zwölf Monaten ab dem Abschlussaufstellungszeitpunkt zu berücksichtigen ist. Bei der Krisenanalyse sind entsprechend der AFRAC-Fachinformation folgende COVID-19-spezifische Ereignisse und deren Auswirkungen auf Liquidität und Finanzierung besonders zu beachten: Nachfragerückgänge und Produktionseinschränkungen, Durchbrechungen der Liefer- und Wertschöpfungsketten, Produktionsunterbrechungen und Schließung von Verkaufsstätten, Möglichkeit der flexiblen Kapazitätsanpassung oder Möglichkeit bzw Notwendigkeit der Umstellung von Geschäftsmodellen.

Sofern auf dieser Basis nach Einschätzung des Managements zwar von der Unternehmensfortführung auszugehen ist, jedoch wesentliche Unsicherheiten zur Fortführungsannahme vorliegen, ist dieser Umstand im Anhang anzugeben. Die wesentlichen der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehenden Gründe und die Pläne, diesen Gründen zu begegnen, sind angemessen darzustellen.

Kleinstgesellschaften, die keinen Anhang zu erstellen haben, wird vom AFRAC dennoch empfohlen, Angaben zu wesentlichen Unsicherheiten bei der Annahme der Unternehmensfortführung in den Jahresabschluss (zB unter der Bilanz) aufzunehmen.


Wertbegründende Erkenntnisse zwischen Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses

Ergeben sich zwischen dem Zeitpunkt der Aufstellung des Jahresabschlusses und dessen Feststellung neue wertbegründende Erkenntnisse in Bezug auf COVID-19, ist grundsätzlich keine Anpassung von Abschluss und Lagebericht erforderlich.

Auch eine nach der Aufstellung des Jahres- bzw Konzernabschlusses vorgenommene Änderung des Vorschlags zur Verwendung des Ergebnisses, welcher bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften im Anhang anzugeben ist, oder eine von dem Vorschlag abweichende tatsächliche Verwendung des Ergebnisses führt zu keiner Verpflichtung, den bereits aufgestellten Abschluss in dieser Hinsicht zu ändern.


Auswirkungen auf die Rechnungslegung nach dem Stichtag 31.12.2019

Für Abschlussstichtage nach dem 31.12.2019 gilt laut AFRAC grundsätzlich, dass länder- und einzelfallbezogen zu beurteilen ist, ob der Ausbruch und die Auswirkungen von COVID-19 wertbegründende Ereignisse sind oder ob sie iSd Stichtagsprinzips beachtet werden müssen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang ua die Ausrufung der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO vom 30.1.2020 sowie die Erklärung einer Pandemie am 11.3.2020. In Österreich haben die Ankündigungen der diversen Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung spätestens ab 13.3.2020 eine besondere Berücksichtigung zu erfahren.

Werden die Auswirkungen von COVID-19 als wertaufhellend (dh berücksichtigungspflichtig) eingestuft, können sich weitreichende Auswirkungen auf die Bewertung von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten ergeben.

Dies betrifft aktivseitig bspw die Prüfung der Notwendigkeit von Wertminderungen von Vermögenswerten (insbesondere bei Firmenwert, Sach- und Finanzanlagen), die Fair-Value-Bewertung von Vermögenswerten und Schulden, die Entstehung von Leerkosten im Rahmen der Bewertung zu Herstellungskosten von Vorräten aufgrund von Unterauslastungen und unterbrochenen Lieferketten, ein erhöhtes Risiko von Forderungsausfällen. Aber auch eventuelle Ansprüche auf staatliche Unterstützungen oder Versicherungsleistungen sind gegebenenfalls zu erfassen bzw abzugrenzen.

Passivseitig kann es bei schwebenden Absatz- und schwebenden Beschaffungsgeschäften durch COVID-19 zum Erfordernis der Bildung von Rückstellungen kommen (beispielsweise Rückstellungen für drohende Verluste oder für Vertragsstrafen bzw für belastende Verträge). Weiters sind das mögliche Brechen von Kreditbedingungen (Covenants) zu beachten sowie Eventualverbindlichkeiten wie Haftungsverhältnisse, die schlagend werden können und sodann in der Bilanz als Schulden aufzunehmen sind.

Das oben zur Annahme der Unternehmensfortführung gesagte gilt selbstverständlich unverändert auch für Abschlüsse nach dem 31.12.2019.


Fazit

COVID-19 stellt auch die nationale und internationale Rechnungslegung und Berichterstattung vor einige Herausforderungen. Eine möglichst frühzeitige Prüfung möglicher Auswirkungen auf den jüngsten Jahresabschluss vieler Unternehmen ist daher angebracht. Die neuesten Fachinformationen des deutschen Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) und des Austrian Financial Reporting and Auditing Committe (AFRAC) bieten hierfür erste Hilfestellungen. 


Ihr Kontakt

Mag. Stephan Karigl

Mag. Stephan Karigl

Partner BPS | Deloitte Österreich

Mag. Stephan Karigl, Steuerberater, ist seit 2006 bei Deloitte beschäftigt. Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in der Beratung und umfassenden steuerlichen Betreuung (Compliance) nationaler und internationaler Unternehmen sowie der Beratung im Bereich nationaler (UGB) und internationaler (IFRS) Rechnungslegungsstandards. Daneben hat er sich insbesondere im Bereich der Umsatzsteuer spezialisiert.