Nach Änderungen betreffend Telekommunikations-, Rundfunk- und elektronischer Dienstleistungen im Jahr 2015 bringt der zweite Teil des E-Commerce Pakets der EU einige weitere Neuerungen im Bereich der Umsatzsteuer. Die ersten Regelungen traten in Österreich schon mit Anfang des Jahres 2020 in Kraft, der Großteil der Maßnahmen wird 2021 wirksam. Die Frist zur Umsetzung der Vorschriften in nationales Recht war zunächst mit 1.1.2021 festgesetzt. Diese Frist wurde nunmehr um sechs Monate, auf den 1.7.2021 verschoben. Begründet wurde dies mit der COVID-19-Pandemie sowie der dadurch erforderlich gewordenen Umschichtung von Ressourcen und der nun fehlenden Ressourcen für die Anpassungen der IT-Systeme. In Österreich erfolgte die Umsetzung in nationales Recht bereits durch das Abgabenänderungsgesetz 2020. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Inkrafttreten der Änderungen ebenfalls auf den 1.7.2020 verschoben werden könnte. Des Weiteren ist es nicht ausgeschlossen, dass auch die Frist zur Umsetzung seitens der EU ein weiteres Mal verschoben wird. Nichtsdestotrotz möchten wir Ihnen in der Folge einerseits einen Überblick über die bereits in Kraft getretenen Änderungen als auch über die demnächst umzusetzenden Änderungen geben.
Sorgfaltspflichten.
Unternehmer, welche nicht selbst Steuerschuldner sind und durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle (zB Marktplatz, Plattform) die Lieferung von Gegenständen an gewisse Abnehmer (im Wesentlichen Nichtunternehmer oder Schwellenerwerber), deren Beförderung bzw Versendung im Inland endet oder sonstige Leistungen im Inland an Nichtunternehmer unterstützen, haben Aufzeichnungen über diese Umsätze zu führen.
In der Sorgfaltspflichten-Umsatzsteuerverordnung sind die aufzuzeichnenden Informationen im Detail aufgelistet. Neben der Beschreibung der Gegenstände bzw sonstigen Leistung, dem bezahlten Entgelt, dem Ort der Leistung und dem Zeitpunkt der Erbringung der Leistung sind auch der Name, die Postadresse, die E-Mail-, Website- oder andere elektronische Adresse sowie – sofern erhältlich – die UID-Nummer und Bankverbindung des Lieferanten bzw Erbringers der sonstigen Leistung aufzuzeichnen. Zusätzliche Aufzeichnungspflichten werden Unternehmern auferlegt, sofern diese die Vermietung von Grundstücken für Wohn- oder Campingzwecke oder die Beherbergung in eingerichteten Wohn- und Schlafräumen unterstützen. Hierbei sind die Aufenthalts- bzw Mietdauer, die Anzahl der übernachtenden Personen bzw der gebuchten Betten und jedenfalls die Postadresse des Grundstücks zu erfassen.
Die Aufzeichnungen sind dem Finanzamt auf Verlangen elektronisch zur Verfügung zu stellen. Übersteigt der Gesamtwert der Umsätze, für die eine Aufzeichnungspflicht besteht, insgesamt EUR 1.000.000 pro Kalenderjahr, hat der Unternehmer diese Aufzeichnungen auch ohne Aufforderung bis zum 31.1. des Folgejahres elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln. Die Aufzeichnungen sind vom Ende des Jahres an, in dem der Umsatz bewirkt wurde, zehn Jahre lang aufzubewahren. Im Falle des Erreichens der EUR 1.000.000 Schwelle im Jahr 2020 hat dies zur Folge, dass die betreffenden Unternehmer die für das Jahr 2020 geführten Aufzeichnungen unaufgefordert bis spätestens 31.1.2021 an das Finanzamt zu übermitteln haben. Haftung bei Sorgfaltspflichtverletzung.
Unternehmer, welche die oben angeführte Aufzeichnungspflicht trifft sowie Unternehmer, die an einem innergemeinschaftlichen Versandhandel, einem Einfuhr-Versandhandel oder durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle an einer sonstigen Leistung an Nichtunternehmer beteiligt sind, haften für die Umsatzsteuer, wenn sie nicht mit ausreichender Sorgfalt davon ausgehen können, dass der Steuerpflichtige seinen abgabenrechtlichen Pflichten nachkommt.
Kommt der Unternehmer etwa seinen Aufzeichnungspflichten nicht nach oder wurden dem Unternehmer vom Lieferanten bzw Leistungserbringer weder eine inländische UID-Nummer, Informationen über die Inanspruchnahme eines One-Stop-Shops samt UID-Nummer des entsprechenden Mitgliedstaates, noch andere Nachweise über die Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen vorgelegt, ist nicht von der Einhaltung ausreichender Sorgfalt auszugehen.
Zur Haftungsvermeidung empfiehlt es sich daher für betroffene Unternehmer, ihren Aufzeichnungspflichten ausreichend und rechtzeitig nachzukommen und stets UID-Nummer sowie sonstige erforderliche Informationen und Nachweise vom Leistungserbringer einzuholen.
Wegfall der Steuerbefreiung für Kleinsendungen.
Bisher war die Einfuhr von Gegenständen, deren Gesamtwert EUR 22 nicht überstiegen hat, von der Einfuhrumsatzsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung für Kleinsendungen wird abgeschafft.
Einfuhrversandhandel.
Gleichzeitig tritt eine neue (vereinfachte) Einfuhrregelung in Kraft: Die Einfuhr von nicht verbrauchsteuerpflichtigen Waren mit einem Einzelwert von max EUR 150 je Sendung ist steuerfrei, wenn diese im Import-One-Stop-Shop-Verfahren (IOSS) durch einen Drittlands-Unternehmer oder dessen Vertreter (zB Post- oder Kurierdienstleister) angemeldet wird und die Bekanntgabe der IOSS-Nummer des Lieferers an die zuständige Zollstelle erfolgt.
Vereinfachte Zollverfahren.
Für die Einfuhr von Waren mit einem Einzelwert von max EUR 150 je Sendung kann die Person, die die Zollanmeldung für den Steuerschuldner vornimmt (zB die Post) hierfür ein vereinfachtes Zollverfahren in Anspruch nehmen. Dies ist nur möglich, wenn nicht das IOSS-Verfahren in Anspruch genommen wird. Es gilt hierbei zu beachten, dass bei Inanspruchnahme dieses vereinfachten Zollverfahrens immer der Normalsteuersatz zur Anwendung kommt.
Innergemeinschaftlicher Versandhandel.
Beim innergemeinschaftlichen Versandhandel (Lieferung von Gegenständen aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates an private Abnehmer oder Unternehmer ohne UID-Nummer) wird die Lieferschwelle abgeschafft. Kleinstunternehmer, mit Umsätzen bis EUR 10.000 in der EU bleiben im Ursprungsland besteuert, wenn sie keine Betriebsstätte in einem anderen EU-Mitgliedstaat haben. Anderenfalls erfolgt die Besteuerung im Bestimmungsland. Die Erklärung der Umsätze kann wahlweise über den EU-One-Stop-Shop (EU-OSS) erfolgen.
Steuerschuldnerschaft von Online-Plattformen.
Unternehmer, die Einfuhr-Versandhandelsumsätze mit einem Einzelwert von max EUR 150 je Sendung durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle (zB Marktplatz, Plattform) unterstützen, werden selbst zum Steuerschuldner. Gleiches gilt für Drittlands-Unternehmer, welche innergemeinschaftliche Versandhandelslieferungen durch die Nutzung einer elektronischen Plattform unterstützen. Aus umsatzsteuerlicher Sicht wird dies durch das Fingieren eines Reihengeschäfts erreicht: Die bewegte Lieferung wird immer durch die Plattform im Bestimmungsland bewirkt. Die Lieferung an die Plattform qualifiziert demnach als ruhende Lieferung und ist steuerfrei.
Sonderverfahren.
Es kommt zu einer Ausweitung des Mini-One-Stop-Shop-Verfahrens (MOSS), wobei es ab 2021 drei Sonderverfahren geben wird. In Abhängigkeit der Art der erbrachten Leistung sowie der Ansässigkeit des Steuerpflichtigen stehen die folgenden Verfahren zur Auswahl:
Verena Gabler ist Partner im Bereich Steuerberatung und leitet die Tax Management Consulting Abteilung bei Deloitte Österreich. Die Umsatzsteuer-Spezialistin hat sich auf die Prozessberatung spezialisiert und unterstützt ihre Klienten bei der Entwicklung und Implementierung von Steuerkontrollsystemen. Dabei begleitet sie ihre Klienten bei der Analyse und Reduktion von steuerlich relevanten Risiken, der Optimierung von Prozessen und der Erhöhung des Automatisierungsgrades der Steuerfunktion durch den Einsatz von steuerrelevanter Software.