Der deutsche BFH (BFH-Beschluss vom 11.12.2019, XI R 16/18) hat dem EuGH Fragen zur umsatzsteuerlichen Organschaft vorgelegt, deren Beantwortung auch massive Auswirkungen auf die österreichische Praxis haben könnte. Die deutsche wie auch österreichische Interpretation der umsatzsteuerlichen Organschaft wird in ihren Grundzügen auf Unionsrechtskonformität geprüft.
Im Ausgangsverfahren war zunächst strittig, ob eine Organschaft zwischen A als Organträgerin und einer GmbH als Organgesellschaft bestehe, wobei A 51% der Geschäftsanteile und C 49% an der GmbH hielt. Aufgrund einer besonderen Regelung im Gesellschaftsvertrag verfügte A trotz ihrer Mehrheitsbeteiligung über keine Stimmrechtsmehrheit und sei damit nicht in der Lage, Beschlüsse bei der Organgesellschaft durchzusetzen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg: Das Finanzgericht ging davon aus, dass allein die Mehrheitsbeteiligung für die Qualifikation der A als Organträgerin ausreiche und bejahte damit konkret das Vorliegen der nationalen Voraussetzung der finanziellen Eingliederung, da die C als Minderheitsgesellschafterin von der Stellung als Organträgerin ausgeschlossen sei.
Obwohl der Sachverhalt lediglich Vorlagefragen zur Unionsrechtskonformität der nationalen (deutschen wie auch österreichischen) Eingliederungsvoraussetzungen vermuten lässt, geht der BFH bei seiner Vorlage noch einen erheblichen Schritt weiter. Er legt dem EuGH die grundsätzliche Frage vor, ob das bisherige deutsche (wie auch österreichische) Verständnis, wonach der Organträger (und nicht der Organkreis) der Steuerpflichtige und damit Steuerschuldner ist, sich mit dem Unionsrecht vereinbaren lässt und bei Verneinung, ob sich der Einzelne auf das (insoweit dem deutschen wie auch dem österreichischen Umsatzsteuerrecht) entgegenstehende Unionsrecht berufen kann.
Auch die anderen Vorlagefragen haben es in sich: Der BFH will weiters wissen, ob für die Prüfung des Vorliegens der finanziellen Eingliederung ein strenger oder großzügiger Maßstab anzulegen ist und ferner, inwieweit der Organträger auch in der Lage sein muss, seinen Willen bei der Organgesellschaft durchzusetzen und dadurch eine abweichende Willensbildung vermeidbar ist.
Der EuGH hat eine grundsätzliche Entscheidung über das (Fort-)Bestehen der deutschen Regelungen zur Organschaft zu treffen. Auch für die österreichische Praxis ist die Entscheidung von massiver Bedeutung und könnte weitreichende Konsequenzen zur Folge haben. Der Verfahrensausgang bleibt jedoch abzuwarten.
Verena Gabler ist Partner im Bereich Steuerberatung und leitet die Tax Management Consulting Abteilung bei Deloitte Österreich. Die Umsatzsteuer-Spezialistin hat sich auf die Prozessberatung spezialisiert und unterstützt ihre Klienten bei der Entwicklung und Implementierung von Steuerkontrollsystemen. Dabei begleitet sie ihre Klienten bei der Analyse und Reduktion von steuerlich relevanten Risiken, der Optimierung von Prozessen und der Erhöhung des Automatisierungsgrades der Steuerfunktion durch den Einsatz von steuerrelevanter Software.