Posted: 24 Feb. 2020 7 min. read

GLEITZEITVEREINBARUNG – VERFALL VON ÜBERSTUNDEN

Am 30.10.2019 entschied der Oberste Gerichtshof (OGH) zu 9 ObA 75/19y über die Wirksamkeit einer Verfallsklausel in einer Gleitzeitvereinbarung.


Sachverhalt

Die Streitteile schlossen eine Rahmenbetriebsvereinbarung zur Einführung von Gleitzeitmodellen ab, die ua auch die folgende Bestimmung enthielt: „Der Gleitzeitsaldo wird bis zum festgelegten Höchstausmaß in die nächste Gleitzeitperiode im Verhältnis 1:1 übertragen. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, während der Gleitzeitperiode dafür Sorge zu tragen, dass er dieses Höchstausmaß an Übertragungsmöglichkeiten weder in Bezug auf Zeitguthaben noch in Bezug auf Zeitschulden überschreitet. Für den Fall, dass der Mitarbeiter dieser Verpflichtung nicht nachkommt, verfallen die über das festgelegte Höchstausmaß hinausgehenden Zeitguthaben am Ende der nächsten Gleitzeitperiode, sofern deren rechtzeitiger Verbrauch möglich und dem Mitarbeiter zumutbar gewesen wäre. Zeitschulden über das festgelegte Höchstausmaß, deren Ausgleich möglich und dem Mitarbeiter zumutbar gewesen wäre, werden am Ende der nächsten Gleitzeitperiode vom Entgelt des Mitarbeiters abgezogen.“

Der Kläger, der Zentralbetriebsrat der Beklagten, begehrte die Feststellung, dass die gegenständliche Verfallsbestimmung rechtsunwirksam sei, weil diese zu einer einseitigen Entgeltreduktion führe und daher gegen das Arbeitszeitgesetz (AZG) verstoße.

Das Erstgericht sah in der Bestimmung eine Art Ampelkontoregelung, bei der die Ampel ab einem bestimmten Zeitguthaben auf rot springe und den Arbeitnehmer anweise, angespartes Zeitguthaben wieder abzubauen. Die Bestimmung führe daher im Ergebnis nur dazu, dass aufgedrängte Arbeitsleistungen nicht entgolten würden und sei daher zulässig.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte die Rechtsunwirksamkeit der bekämpften Regelung fest. Es argumentierte, dass weder eine Ampelkontoregelung vorliege noch ein sonstiger Ansparstopp vereinbart wäre. Dem Arbeitnehmer gebühre eine Überstundenabgeltung, wenn die Erbringung der Überstundenleistung notwendig sei.

 

Rechtsprechung des OGH

Der OGH schloss sich der Meinung des Berufungsgerichts an und führte aus, dass zu unterscheiden sei, ob ein über dem Gleitzeitsaldo bestehendes Zeitguthaben arbeitgeberseitig veranlasst oder zumindest entgegengenommen wurde oder ob das nicht der Fall war. Da die vorliegende Gleitzeitvereinbarung keine solche Differenzierung vornimmt, kann nicht gesagt werden, dass durch diese Vereinbarung bei Arbeitsleistungen, die bei Erreichung des Übertragungshöchstmaßes zu einem weiteren Aufbau von Zeitguthaben führen, nur  dem Arbeitgeber aufgedrängte Arbeit erfassen werden würde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es dennoch in einer dem Arbeitgeber zurechenbaren Weise (zB aufgrund der aufgetragenen zu erledigenden Arbeitsmenge) zu über dem zulässigen Gleitzeitsaldo liegenden Leistungen kommt. Entstehen derart vom Verfall bedrohte Überhänge, widerspricht es im Ergebnis dem dargelegten arbeitsvertraglichen Grundverständnis, dass Arbeitsleistungen entgeltlich erbracht werden. Sofern es sich um Überstunden handelt, die nicht abgebaut werden und in diesem Fall zu einem Entfall des Entgeltanspruchs führen, verstößt die Bestimmung auch gegen die gesetzliche Pflicht zur Überstundenvergütung. Ein Anspruch auf Abgeltung besteht nur dann nicht, wenn die Erbringung der Arbeitsleistung zur Bewältigung der auferlegten Arbeitsmenge nicht notwendig, nicht (ausdrücklich oder konkludent) angeordnet und auch nicht vom Arbeitgeber im Sinn der Rechtsprechung als zusätzliche Arbeitsleistung geduldet und entgegengenommen wurde.

Zusammenfassend ist die bekämpfte Klausel unzulässig, weil der undifferenzierte Verfall eines Zeitguthabens auch dann zu einem Entfall des Entlohnungsanspruchs führen kann, wenn ihm keine aufgedrängten Arbeitsleistungen zugrunde liegen. Sofern davon auch Überstunden erfasst werden, verstößt die Bestimmung überdies gegen das AZG.


Fazit

Die dargestellte Entscheidung des OGH unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit von klaren und rechtlich fundierten Bestimmungen in Gleitzeitvereinbarungen. Um kostspielige Gerichtsverfahren und hohe Nachzahlungen zu vermeiden, empfehlen wir daher, bei der Gestaltung der Vereinbarung einen Rechtsanwalt beizuziehen.


Ihr Kontakt

Dr. Stefan Zischka

Dr. Stefan Zischka

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Stefan Zischka ist Partner und leitet den Fachbereich Arbeitsrecht bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Arbeits- und Sozialrecht sowie Zivilprozessrecht (Litigation). Im Jahr 2017 schloss er sich JWO als Partner an. Vor JWO war Stefan Zischka als Rechtsanwalt in einer der größten Rechtsanwaltkanzleien Österreichs (CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte) und als Legal Counsel in der Erste Bank tätig.