Im März 2014 schuf der Gesetzgeber die Möglichkeit, eine GmbH anstatt mit der regulären Mindeststammeinlage von EUR 35.000 auch mit einer gründungsprivilegierten Stammeinlage von EUR 10.000 zu gründen. Auf die gründungsprivilegierte Stammeinlage müssen mindestens EUR 5.000 eingezahlt werden. Sacheinlagen sind ausgeschlossen. Die Gründungsprivilegierung kann höchstens für zehn Jahre nach der Eintragung der GmbH ins Firmenbuch in Anspruch genommen werden.
Ratio der Gründungsprivilegierung war der Erhalt der Attraktivität der österreichischen GmbH im Wettbewerb mit ausländischen haftungsbeschränkten Gesellschaften (bspw der britischen Limited). Solche ausländischen Gesellschaften drangen aufgrund der EU-Regelungen zur Freizügigkeit zunehmend auch in den österreichischen Markt ein und hatten den Vorteil, mit deutlich weniger anfänglichem Kapital dennoch einen Ausschluss der persönlichen Haftung des jeweiligen Gesellschafters zu bewirken.
Bei einer gründungsprivilegierten Stammeinlage handelt es sich im Kern um eine volle Stammeinlage (also zumindest EUR 35.000), die aber – auch im Insolvenzfall – nur bis zum gründungsprivilegierten Betrag eingefordert werden kann. Der Vorteil der Gründungsprivilegierung besteht also nicht etwa in der grundsätzlichen Herabsetzung des Stammkapitals, sondern lediglich in der zeitlich begrenzten Reduzierung des Risikokapitals und somit der Haftung des jeweiligen Gesellschafters.
Der Gesetzgeber wollte dadurch ausdrücklich Erleichterungen für die Startphase einer GmbH schaffen. Entsprechend kann die Gründungsprivilegierung auch nicht nachträglich, also nach erstmaliger Eintragung der GmbH im Firmenbuch in Anspruch genommen werden. Auch die Schaffung neuer, gründungsprivilegierter Stammeinlagen ist nach der Ersteintragung ausgeschlossen.
Eine Kapitalerhöhung dient üblicherweise der Generierung frischen Kapitals durch Erhöhung der Einlagen oder Eintritt eines neuen Gesellschafters in eine Gesellschaft. Der Gesellschafter zahlt dabei die Nominale auf den neuen Geschäftsanteil und allenfalls noch ein Aufgeld (Agio).
Nun könnte man bei einer GmbH, die die Gründungsprivilegierung in Anspruch nimmt, annehmen, dass zusätzliches Kapital zunächst nur durch die Volleinzahlung der gründungsprivilegierten Stammeinlagen aufzubringen sei, da nach der gesetzgeberischen Ratio die Gründungsprivilegierung einerseits nur für die Startphase einer GmbH gedacht ist (und eine Kapitalerhöhung üblicherweise gerade nicht in einer Startphase vorgenommen wird) und andererseits gründungsprivilegiertes Stammkapital ausdrücklich nur bei der Gründung (und nicht nachträglich im Zuge einer allfälligen Kapitalerhöhung) entstehen kann.
Der OGH hat nun aber klargestellt (OGH 25.3.2020, 6 Ob 54/20i), dass eine Kapitalerhöhung bei einer GmbH, die die Gründungsprivilegierung in Anspruch nimmt, zulässig ist. Eine solche Kapitalerhöhung führt allerdings dazu, dass die Stammeinlage des neu hinzutretenden Gesellschafters nicht gründungsprivilegiert ist und somit in der fraglichen GmbH zwei Arten von Stammeinlagen existieren, nämlich zum einen gründungsprivilegierte Stammeinlagen mit einem Risikokapital in Höhe der Gründungsprivilegierung und zum anderen nicht gründungsprivilegierte Stammeinlagen mit einem Risikokapital in Höhe der vollen Stammeinlage. Im Firmenbuch ist auch eindeutig darzulegen und einzutragen, welcher Teil des Stammkapitals und welche Stammeinlage der Gründungsprivilegierung unterliegt, und welcher Teil vollständig eingefordert werden könnte.
Bisher war nicht klar, ob eine gründungsprivilegierte GmbH überhaupt eine Kapitalerhöhung durchführen kann, und wenn ja, welche Auswirkungen eine solche Kapitalerhöhung auf die neue Stammeinlage haben würde. Der OGH hat in seiner Entscheidung vom 25.3.2020 zu 6 Ob 54/20i nun klargestellt, dass eine solche Kapitalerhöhung sehr wohl zulässig ist, die neue Stammeinlage aber nicht gründungsprivilegiert ist. Diese Rechtssicherheit dürfte es in Zukunft insbesondere Start-ups erleichtern, auch in den ersten Jahren durch Hinzutritt neuer Gesellschafter frisches Kapital zu generieren.
Johannes Well ist Rechtsanwalt bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied der Praxisgruppen Corporate/M&A und Private Clients. Er verfügt über mehr als 7 Jahre Berufserfahrung in der Beratung von Mandanten bei transaktions- und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen, insbesondere auch im Zusammenhang mit Privatstiftungen und Nachfolgeplanung.