Posted: 13 Jan. 2020 7 min. read

NEUE RECHTSPRECHUNG ZU MINDESTZINSKLAUSELN IN UNTERNEHMERKREDITVERTRÄGEN

In der mit Spannung erwarteten Entscheidung 1 Ob 75/19i setzt sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit Mindestzinsvereinbarungen in Unternehmerkreditverträgen auseinander und kommt dabei zu dem Ergebnis, dass Mindestzinsklauseln in Unternehmerkreditverträgen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind.
 

Hintergrund

In unserem Tax & Legal News Beitrag Update: Neue Rechtsprechung zu Zinsuntergrenzen in Unternehmenskrediten vom Juli 2018 haben wir uns mit der, der gegenständlichen Entscheidung vorausgegangen Entscheidung des Handelsgerichtes Wien auseinandergesetzt. Dieses ist in erster Instanz zu dem Schluss gelangt, dass Zinsuntergrenzen ohne gleichzeitige Vereinbarung von Zinsobergrenzen auch in Unternehmerkreditverträgen gröblich benachteiligend und somit nichtig sind.
 

Sachverhalt

Der nunmehr ergangenen Entscheidung des OGH lag eine bestehende Finanzierung aus dem Jahr 2011 zugrunde, die im Jahr 2012 sowie im Jahr 2014 aufgestockt wurde. Im Zusammenhang mit der Aufstockung im Jahr 2012 fanden zwischen den Parteien Vertragsverhandlungen statt, bei denen – gegen Freilassung bestimmter, früher gewährter Sicherheiten – ein Mindestzinssatz von 2,75% vereinbart wurde. Die Aufstockung im Jahr 2014 wurde auf Basis eines von der Bank vorformulierten Kreditvertrages gewährt, der ebenfalls einen Mindestzinssatz von 2,75% enthielt. Die Kreditnehmerin machte daraufhin geltend, dass die genannten Mindestzinsklauseln nichtig seien.
 

Entscheidung des OGH

In AGB oder Vertragsformblättern (dh in vorformulierten Erklärungen) enthaltene Bestimmungen, die nicht eine der beiden Hauptleistungspflichten festlegen, sind nichtig, wenn sie einen Vertragspartner gröblich benachteiligen. Der OGH differenzierte in seiner Beurteilung der gegenständlichen Mindestzinsklauseln zwischen den in den Jahren 2012 und 2014 abgeschlossenen Kreditverträgen. Hinsichtlich des im Jahr 2012 abgeschlossenen Kreditvertrages verneinte das Höchstgericht die Nichtigkeit schon deshalb, weil es sich bei dem Kreditvertrag bzw der darin enthaltenen Mindestzinsklausel um keine vorformulierte Erklärung gehandelt habe. Dem Abschluss des Vertrages und insbesondere der Aufnahme der Mindestzinsklausel (die gegen Freilassung bestimmter Sicherheiten vereinbart wurde) seien umfangreiche Vertragsverhandlungen vorangegangen. Dem im Jahr 2014 abgeschlossenen Kreditvertrag lagen nach Ansicht des OGH zwar vorformulierte Bedingungen zu Grunde. Die darin enthaltene Mindestzinsklausel sei jedoch eine ziffernmäßige Umschreibung der vom Kreditnehmer zu erbringenden Hauptleistungspflicht.
 

Antworten und verbleibende Fragen

Die Entscheidung liefert insofern Antworten auf bereits vieldiskutierte Fragen, als nunmehr klargestellt wurde, dass Mindestzinsklauseln in Unternehmerkreditverträgen jedenfalls dann zulässig sind, wenn sie die vom Kreditnehmer zu erbringende Hauptleistung umschreiben, was dann der Fall ist, wenn die einzelnen Komponenten zur Entgeltberechnung klar voneinander abgegrenzt werden können. Zudem können Mindestzinsklauseln auch dann zulässig sein, wenn sie Teil von Vertragsformblättern oder AGB sind, aber dennoch individuell ausgehandelt wurden.

Viele Fragen wurden vom OGH jedoch offengelassen. So ist beispielsweise unklar, wie eine Erhöhung des Zinssatzes über den Mindestzinssatz hinaus zu beurteilen wäre. Sollten die Referenzzinssätze wieder steigen, könnte diese Frage schlagend werden. Zudem darf nicht übersehen werden, dass nicht in jeder Konstellation – so wie im gegenständlichen Fall – individuelle Verhandlungen über die Mindestzinsklausel erfolgt sein werden. Die Entscheidung liefert außerdem keine Anhaltspunkte für die Auslegung älterer Unternehmerkreditverträge, die noch keine Mindestzinsklausel enthalten, da die Notwendigkeit einer solchen Klausel nicht vorhergesehen wurde.
 

Fazit

Die vorliegende Entscheidung liefert einige lang ersehente Anworten auf Fragen im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Mindestzinsklauseln in Unternehmerkreditverträgen.. Bei genauerer Betrachtung wird dennoch deutlich, dass einige Fragen einerseits nach wie vor ungeklärt sind und andererseits wesentlich von den jeweiligen Gegegebenheiten abhängen. Bestehende Mindestzinsvereinbarungen sollten daher im Zweifel einer rechtlichen Prüfung unterzogen werden und neue Kreditverträge werden unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu gestalten sein.


Ihr Kontakt

Mag. Sarah Koller-Salminger, LLM.

Mag. Sarah Koller-Salminger, LLM.

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Sarah Koller-Salminger ist Rechtsanwältin bei Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte GmbH, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerkpunkte liegen im Bereich Litigation, Gesellschaftsrecht und Banking & Finance, insbesondere in der Beratung und Vertretung von Unternehmen und Banken in Gerichtsverfahren sowie im Zusammenhang mit Finanzierungen und der Restrukturierung von Finanzierungen. Zudem ist Sarah Koller Autorin von Fachpublikationen.