Nach der Judikatur des VwGH (vom 22.5.2014, 2010/15/0127) ist für die unternehmensrechtliche Folgebewertung nach einer Umgründung im Wege der Einzelrechtsnachfolge – unabhängig davon, ob der übernommene Vermögensgegenstand mit dem beizulegenden Wert oder mit dem Buchwert des Rechtsvorgängers bewertet wurde – immer der beizulegende Wert im Zeitpunkt der Umgründung maßgeblich und definiert damit aus Sicht des übernehmenden Rechtsträgers die Anschaffungskosten (siehe dazu auch unseren Tax & Legal News Beitrag vom 29.09.2014).
Demnach ist zumindest bei umgründungsbedingter Übernahme eines abgeschriebenen Vermögensgegenstands im Wege der Einzelrechtsnachfolge (also zB im Zuge einer Einbringung) im Fall einer späteren Werterholung für unternehmensrechtliche Zwecke eine Zuschreibung nur bis zum beizulegenden Wert im Zeitpunkt der Umgründung (und nicht bis zu den gegebenenfalls höheren ursprünglichen Anschaffungs- bzw Herstellungskosten des übertragenden Rechtsträgers) erforderlich. Unklar ist, ob dies auch bei Umgründungen mit Gesamtrechtsnachfolge gelten soll.
Mangels abweichender Regelungen im Ertragsteuerrecht war diese Zuschreibungsobergrenze auch für die steuerrechtliche Gewinnermittlung maßgeblich.
Mit dem StRefG 2020 stellte der Gesetzgeber klar, dass für steuerrechtliche Zwecke bei einer Umgründung mit steuerlicher Buchwertfortführung im Fall einer späteren Werterhöhung auf die ursprünglichen Anschaffungskosten abzustellen und bis zu diesen zuzuschreiben ist.
Nach den EB zum StRefG 2020 sollten durch diese Bestimmung vermieden werden, dass – insbesondere nach erheblichen steuerwirksamen Beteiligungsabschreibungen – Zuschreibungen gezielt durch Umgründungen verhindert werden.
Im Ergebnis bleibt damit ein beim übertragenden Rechtsträger bestehendes Zuschreibungspotential im übertragenen Vermögen für Zwecke der steuerrechtlichen Gewinnermittlung beim übernehmenden Rechtsträger erhalten.
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des VwGH bedeutet das aber auch, dass es bei Übernahme abgeschriebener Vermögensgegenständen im Zuge einer Umgründung trotz unternehmens- und steuerrechtlicher Buchwertfortführung im Fall einer Werterholung zu unterschiedlich hohen Zuschreibungen und damit zu Standunterschieden zwischen den unternehmens- und steuerrechtlichen Buchwerten kommen kann.
Diese steuerliche Sonderregelung ist erstmalig auf Zuschreibungen nach Umgründungen, die nach dem 30. April 2019 beschlossen oder vertraglich unterfertigt wurden, anwendbar.
Nach Auffassung des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer ist im Fall der unternehmensrechtlichen Buchwertfortführung sowohl bei Gesamt- als auch bei Einzelrechtsnachfolge – und damit in diesem Punkt abweichend von der oben angeführten Rechtsprechung des VwGH – weiterhin zulässig, die historischen Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers fortzuführen.
Martin Six ist Steuerberater bei Deloitte Österreich in Wien und spezialisiert auf Umgründungsberatung und -management. Sein Anliegen ist es, unsere Klient:innen kompetent und effizient bei der Planung und dem Management von nationalen und internationalen Reorganisationsprojekten zu unterstützen.