In zwei kürzlich ergangenen Entscheidungen (5 Ob 136/19i und 1 Ob 173/19a) wendet sich der Oberste Gerichtshof (OGH) von seiner bisherigen und viel kritisierten Rechtsprechung aus dem Jahr 1995, wonach Vorkaufsrechte bei Verschmelzung untergehen, ab. Damals entschied der OGH, dass zugunsten einer GmbH eingeräumte Vorkaufsrechte durch Verschmelzung der vorkaufsberechtigten GmbH untergehen. Bislang wurde davon ausgegangen, dass diese in der Lehre fast einhellig kritisierte Rechtsansicht des OGH aufgrund vergleichbarer Übertragungsbeschränkungen beim Wiederkaufsrecht ebenfalls analog auf Wiederkaufsfälle anzuwenden ist.
Den vom OGH zu beurteilenden Sachverhalten ging in beiden Entscheidungen ein Verschmelzungsvorgang voraus, im Zuge dessen die jeweils wiederkaufsberechtigte Gesellschaft als übertragende Gesellschaft auf eine andere Gesellschaft als übernehmende Gesellschaft verschmolzen wurde. Sämtliche Rechte und Pflichten gingen daher im Wege der Gesamtrechtsfolge jeweils von der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft über. In einem Fall (jenem der Entscheidung zu 5 Ob 136/19i) beantragte die dritte wiederkaufsverpflichtete Partei die Löschung des Wiederkaufsrechts der verschmolzenen GmbH im Grundbuch. Im zweiten Fall (jenem der Entscheidung zu 1 Ob 173/19a) begehrte die übernehmende Gesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin der wiederkaufsberechtigten Gesellschaft die Einverleibung des Eigentumsrechts an verschiedenen Grundstücken infolge der Ausübung des Wiederkaufsrechts.
In beiden Entscheidungen setzt sich der OGH mit der Frage auseinander, ob seine im Rahmen der Rechtsprechung entwickelten und in der Lehre kritisch diskutierten Grundsätze zum Erlöschen von Vorkaufsrechten infolge von Umgründungsvorgängen bei den vorkaufsberechtigten Gesellschaften auch auf Wiederkaufsfälle anwendbar sind. Die zu beurteilende Problemstellung besteht darin, dass das Wiederkaufsrecht als Recht des Verkäufers, eine verkaufte Sache wieder einzulösen, durch zwingende gesetzliche Bestimmungen vom Berechtigten weder auf seine Erben noch auf Dritte übertragen werden kann. Es handelt sich daher um ein höchstpersönliches Recht, das mit dem Tod des Berechtigten endet. Diese Übertragungsbeschränkungen entsprechen inhaltlich jenen des Vorkaufsrechts. Aus dieser zwingenden Regelung leitete der OGH in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1995 betreffend das Vorkaufsrecht ab, dass Vorkaufsrechte von übertragenden Gesellschaften im Rahmen von Verschmelzungsvorgängen erlöschen, da die Verschmelzung zum Untergang der übertragenden Gesellschaft führt.
In Abkehr von dieser Judikatur stellt der OGH nunmehr klar, dass die durch eine Verschmelzung bewirkte Gesamtrechtsnachfolge nicht mit dem Tod einer natürlichen Person vergleichbar ist. Durch die Verschmelzung werden keine Rechte auf einen von der berechtigten Gesellschaft verschiedenen Dritten übertragen, vielmehr geht das Vermögen der übertragenden Gesellschaft in der übernehmenden Gesellschaft auf. Wenngleich die übertragende Gesellschaft aufhört zu existieren, besteht sie doch in der übernehmenden Gesellschaft als eine von ihr verschiedene juristische Person mit all ihren Rechten fort. Die Verschmelzung soll eben gerade bewirken, dass sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten erhalten bleiben und es zu keiner Abwicklung der übertragenden Gesellschaft kommt. Die übernehmende Gesellschaft tritt daher in jeder Hinsicht an die Stelle der übertragenden Gesellschaft. Auch das Wiederkaufsrecht als höchstpersönliches Recht geht somit durch eine Verschmelzung nicht unter, sondern besteht in der übernehmenden Gesellschaft fort.
Nach Ansicht des OGH vermag auch das Argument, der historische Gesetzgeber beabsichtigte eine überlange Beschränkung des freien Rechtsverkehrs von Liegenschaften zu unterbinden, nicht zu überzeugen, da die Zulässigkeit der Einräumung eines Wiederkaufsrechts für eine juristische Person bereits für sich genommen diesem Grundgedanken widerspricht. Eine juristische Person findet kein natürliches Ende, vielmehr ist ein solches grundsätzlich der Willkür der Entscheidungsträger der juristischen Person überlassen.
Die Kehrtwende des OGH hinsichtlich des Fortbestehens von Wiederkaufsrechten im Zusammenhang mit Verschmelzungsvorgängen wird die Umgründungspraxis maßgeblich erleichtern und für mehr Sicherheit beim Umgang mit Wiederkaufsrechten sorgen. Es ist davon auszugehen, dass anlässlich der aus dieser Entscheidung gewonnenen Erkenntnisse und Grundsätze auch ein Umdenken in Bezug auf die in der Praxis wesentlich bedeutenderen Vorkaufsrechte stattfinden wird. Darüber hinaus wird sich die gegenständliche Entscheidung auch auf das Schicksal von Vor- und Wiederkaufsrechten bei anderen Umgründungsmaßnahmen (zB Spaltungsvorgängen), welche in Hinblick auf ihre Rechtsfolgen mit der Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar sind, auswirken.
Maximilian Weiler ist Rechtsanwalt und Gründungspartner von Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Er leitet die Praxisgruppen Corporate sowie Private Clients und beschäftigt sich schwerpunktmäßig im Bereich Corporate/M&A sowie mit der nationalen und internationalen Rechtsberatung von Family Offices, Stiftungen und Private Clients/High Net Worth Individuals in sämtlichen Bereichen der Vermögensverwaltung, Vermögensnachfolge und bei der Strukturierung und Abwicklung strategischer Investments. Maximilian Weiler ist Autor zahlreicher Fachpublikationen und trägt an der Fachhochschule IMC Krems zu Wirtschaftsrecht vor.