Posted: 23 Oct. 2020 4 min. read

VWGH: AMTSHANDLUNGEN VOR BEGINN DER VERJÄHRUNG VERLÄNGERN DIE VERJÄHRUNGSFRIST NICHT

Die Frage, ob Amtshandlungen vor Beginn der Verjährungsfrist verjährungsverlängernde Wirkung zukommt, war bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung. Der VwGH hat sich damit nun in seiner Entscheidung vom 4.5.2020, Ro 2019/16/0004-4 beschäftigt und für die Praxis höchst relevante Aussagen getroffen.
 

Sachverhalt

Mit Notariatsakt wurde in 2007 eine Privatstiftung (die Revisionswerberin) gegründet. Am 13.12.2007 (vor Beginn der Verjährungsfrist) ersuchte das Finanzamt im Rahmen eines Vorhalts um Vorlage diverser Unterlagen, um den Wert des Vermögens, welches der Privatstiftung im Zuge der Gründung zugewendet wurde, feststellen zu können. Durch anschließende telefonische Anfragen seitens des steuerlichen Vertreters wurden mehrmalige Fristverlängerungen mit dem Finanzamt vereinbart. Der genaue Inhalt dieser Telefonate konnte im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden. Ende 2013 übermittelte das Finanzamt einen erneuten Vorhalt. Im Jahr 2014 wurde eine Betriebsprüfung durchgeführt und Anfang 2015 setzte das Finanzamt daraufhin Schenkungssteuer fest. Die Privatstiftung brachte gegen die Festsetzung ein Rechtsmittel mit der Begründung ein, dass die Festsetzungsverjährung mit Ablauf des Jahres 2012 eingetreten sei.
 

Vorbemerkungen

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, besteht zeitlich nicht unbegrenzt (Verjährung). Die Verjährung beginnt für einen Großteil der Abgaben mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist. Für die Schenkungssteuer beginnt die Verjährung frühestens mit Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde vom Erwerb oder von der Zweckzuwendung Kenntnis erlangt hat und dauert anschließend fünf Jahre (im gegenständlichen Fall wäre die Verjährung somit grundsätzlich mit Ablauf des 31.12.2012 eingetreten). Die Frist kann sich um ein Jahr verlängern (Verlängerungsjahr), wenn seitens der Behörde nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches vorgenommen werden. Die Frage, ob diese Amtshandlungen innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt werden müssen um verjährungsverlängernd zu wirken, war bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung. Als Amtshandlungen gelten zB Abgabenbescheide, Betriebsprüfungen, Fristverlängerungen, Ersuchen um Ergänzungen. Die Verjährungsfrist kann um ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn eine Amtshandlung im Verlängerungsjahr vorgenommen wurde.
 

Entscheidung des VwGH

Der VwGH gab der Revisionswerberin folge und verwies dabei auf den eindeutigen gesetzlichen Wortlaut, wonach ausschließlich innerhalb – und nicht vor Beginn – der Verjährungsfrist unternommene Amtshandlungen die Verjährungsfrist verlängern. Der Argumentation des BFG, die Formulierung der Bestimmung sei teleologisch dahingehend zu interpretieren, dass die Verjährungsfrist ebenfalls bereits den Zeitraum ab Entstehen des Abgabenanspruchs beinhalte, sei nicht zu folgen.

Weiters hielt der VwGH fest, dass weder eine schriftliche Vorhaltbeantwortung eines Abgabepflichtigen, noch eine Aussage des Abgabepflichtigen im Rahmen eines Telefongesprächs eine als Unterbrechungshandlung zu beurteilende Amtshandlung sein könne. Die Frage, ob der Inhalt des Telefongesprächs (auch) in einer Amtshandlung des Finanzamts zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs bestehe, konnte der VwGH mangels eindeutiger Feststellung der Inhalte der Telefongespräche nicht beurteilen. Zudem führte der VwGH in seiner Entscheidung aus, dass der Vorhalt aus 2007 keine eindeutige Geltendmachung des Abgabenanspruches aufweise, wonach der Vorhalt selbst und alle sich auf diesen beziehenden Fristverlängerungen in jedem Fall keine verjährungsverlängernden Amtshandlungen darstellen könnten.
 

Fazit

Der VwGH verweist auf den gesetzlichen Wortlaut und stellt nunmehr klar, dass Amtshandlungen vor Beginn der Verjährungsfrist diese nicht verlängern. Weiters hält der VwGH eindeutig fest, welche Voraussetzungen Amtshandlungen erfüllen müssen, um verjährungsverlängernd wirken zu können. Die verjährungsverlängernde Amtshandlung hat stets zur Geltendmachung eines Abgabenanspruches zu erfolgen. Fehlt dieser Bezug, so kann die Handlung an sich – und konsequenterweise auch auf diese sich beziehenden Fristverlängerungen – keine verjährungsverlängernden Amtshandlungen darstellen. Interessant ist zudem, dass eine lediglich fernmündlich erteilte Fristverlängerung zwar an sich unwirksam ist, jedoch gemäß VwGH bei Vorliegen des Bezugs zur Geltendmachung eines Abgabenanspruches dennoch als verjährungsverlängernde Amtshandlung zu qualifizieren sein könnte.


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Stefanie Jeegers

Stefanie Jeegers

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Stefanie Jeegers ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht und Rechtsmittelverfahren.