Die aktuelle COVID-19-Pandemie stellt Unternehmen vor massive wirtschaftliche Herausforderungen und zwingt diese teilweise, ihre Ziele für das laufende Geschäftsjahr zu revidieren. Zudem stellt sich für Unternehmen die Frage, ob Gewinnausschüttungen in Anbetracht der negativen wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie zulässig sind. Insbesondere Unternehmen, die staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen, stehen diesbezüglich vor einer schwierigen Entscheidung.
Die Europäische Zentralbank und die österreichische Finanzmarktaufsicht haben in einer Aussendung Ende März 2020 an die von ihnen beaufsichtigten Banken die dringende Empfehlung abgegeben, von einer Ausschüttung von Dividenden für das abgelaufene Geschäftsjahr Abstand zu nehmen. Auch von österreichischen Politikern wird zum Teil ein Gewinnausschüttungsverbot für Unternehmen gefordert, die im Rahmen der COVID-19-Krise Staatshilfe in Anspruch nehmen. Rechtlich gesehen, ist eine Gewinnausschüttung trotz Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung grundsätzlich zulässig.
Es bleibt aber abzuwarten, ob der Gesetzgeber infolge gesellschaftlichen und politischen Drucks die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützungsleistungen künftig von der Einschränkung von Dividendenausschüttungen abhängig macht.
Das GmbH Gesetz (GmbHG) enthält in § 82 Abs 5 eine explizite Regelung betreffend Gewinnausschüttungen in einer wirtschaftlichen Krisensituation: „Wird den Geschäftsführern oder dem Aufsichtsrat in der Zeit zwischen dem Schluss des Geschäftsjahres und der Beschlussfassung der Gesellschafter über den Jahresabschluss bekannt, dass der Vermögensstand der Gesellschaft durch eingetretene Verluste oder Wertverminderungen erheblich und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend geschmälert worden ist, so ist der nach der Bilanz sich ergebende Gewinn in einem der erlittenen Schmälerung des Vermögens entsprechenden Betrag von der Verteilung ausgeschlossen und auf Rechnung des laufenden Geschäftsjahres zu übertragen.“
Ziel dieser Bestimmung ist, dass unvorhergesehene Verschlechterungen der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft nach dem Ende eines Geschäftsjahres im Folgejahr berücksichtigt werden müssen. Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Im ersten Fall, also wenn der Jahresabschluss für das abgelaufene Geschäftsjahr noch nicht formal festgestellt wurde, haben sich die Gesellschafter ein genaues Bild von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu machen und zu prüfen, ob die durch die Covid‑19‑Pandemie bedingten Verluste erheblich sind und voraussichtlich nicht bloß vorübergehend zu einer Vermögensschmälerung der Gesellschaft führen. Ist dies der Fall, darf jener Teil des Bilanzgewinns, der der erlittenen Schmälerung des Vermögens entspricht, nicht ausgeschüttet werden. Er ist stattdessen auf Rechnung des laufenden Geschäftsjahrs vorzutragen. Die Höhe der Ausschüttungssperre ist erforderlichenfalls durch Aufstellung einer Zwischenbilanz zu ermitteln.
Wissen die Gesellschafter vom Vorliegen der zuvor angeführten Voraussetzungen des § 82 Abs 5 GmbHG sind sie aufgrund ihrer Treuepflicht verpflichtet, gegen eine entsprechende Ausschüttung des Bilanzgewinnes zu stimmen. Beschließen die Gesellschafter dennoch eine Gewinnausschüttung, die zur Insolvenz der Gesellschaft führt, kann es unter Umständen sogar zu einer direkten Haftung der Gesellschafter kommen. Die Geschäftsführer (und ein allenfalls eingerichteter Aufsichtsrat) sind verpflichtet, die Gesellschafter vor Beschlussfassung über den Jahresabschluss auf die zwischenzeitig eingetretenen Verluste aufmerksam zu machen. Zudem haben die Geschäftsführer bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 82 Abs 5 GmbHG – selbst bei gegenteiligem Gesellschafterbeschluss – eine Gewinnausschüttung zu unterlassen.
Der zweite Fall, also wenn Verluste erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter eingetreten sind, ist vom Wortlaut des § 82 Abs 5 GmbHG nicht explizit umfasst. Ob in solchen Fällen eine analoge Anwendung anzunehmen ist, ist mangels einschlägiger Rechtsprechung unklar. Um Haftungen sowohl auf Gesellschafter- als auch auf Geschäftsführerebene zu vermeiden, sollte die Verschlechterung der Vermögenslage auch nach bereits erfolgter Feststellung des Jahresabschlusses sorgfältig beobachtet und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen getroffen werden.
Eine vergleichbare Bestimmung kennt das Aktienrecht nicht. Eine analoge Anwendung der Ausschüttungssperre ist jedoch auch hier anzudenken.
Rechtlich gesehen, ist eine Gewinnausschüttung trotz Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung im Rahmen der COVID-19-Krise grundsätzlich zulässig. Kommt es jedoch zwischen dem Schluss des Geschäftsjahres und der Feststellung des Jahresabschlusses zu einer erheblichen und nicht bloß vorübergehenden Vermögensschmälerung der Gesellschaft, darf jener Teil des Bilanzgewinns, der der erlittenen Schmälerung des Vermögens entspricht, nicht ausgeschüttet werden. Er ist stattdessen auf Rechnung des laufenden Geschäftsjahrs vorzutragen. Treten die Verluste erst nach der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter ein, sollte die Verschlechterung der Vermögenslage sorgfältig beobachtet werden. Im Zweifel sollte eine allenfalls bereits beschlossene Gewinnausschüttung nicht durchgeführt werden. Bei Aktiengesellschaften könnte eine analoge Anwendung in Betracht kommen.