Posted: 13 Jan. 2021 8 min. read

ÄNDERUNGEN IM VKRG UND HIKRG IN KRAFT

Zum 1.1.2021 trat eine Änderung des Verbraucherkreditgesetzes (VKrG) und des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (HIKrG) in Kraft. Anlass für die Gesetzesänderung ist die sogenannte „Lexitor-Entscheidung“ des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) aus September 2019.
 

Hintergrund

In der Entscheidung C-383/18 vom 11.9.2019 setzt sich der EuGH mit der Frage auseinander, ob ein Verbraucher auch die Ermäßigung der laufzeitunabhängigen Kosten verlangen kann, wenn er seinen Kredit vorzeitig zurückzahlt. Der EuGH bejahte diese Frage und legte Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie (2008/48/EG) damit so aus, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche (nicht nur die laufzeitabhängigen) Kosten umfasst. Der österreichische Gesetzgeber war daher, zur Sicherstellung einer richtlinienkonformen Rechtslage, zu einer Änderung des VKrG und des HIKrG gezwungen.
 

Bisherige Rechtslage

Nach den bisherigen Regelungen im VKrG und im HIKrG führte eine vorzeitige Kreditrückzahlung zu einer entsprechenden Verringerung der vom Darlehensnehmer zu zahlenden Zinsen sowie sonstiger laufzeitabhängiger Kosten. Konkret lautete § 16 Abs 1 Satz 3 VKrG: „Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“ Eine identische Regelung fand sich auch im HIKrG.
 

Entscheidung des EuGH

Art. 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie regelt, dass der Verbraucher berechtigt ist, seine Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag jederzeit ganz oder teilweise zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf eine Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet. Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass von dieser Ermäßigung der Gesamtkosten auch die laufzeitunabhängigen Kosten umfasst sind. Begründend führte der EuGH aus, dass Art 3 lit g der Verbraucherkredit-Richtlinie den Begriff „Gesamtkosten des Kredits“ als sämtliche Kosten, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art – ausgenommen Notargebühren – definiere. Diese Bestimmung enthalte also keine Beschränkung hinsichtlich der Laufzeit des Kreditvertrages. Ferner hätten die Mitgliedstatten im Hinblick auf die Gewährleistung des Verbraucherschutzes nach Art 22 Abs 3 der Verbraucherkredit-Richtlinie sicherzustellen, dass die Vorschriften, die sie gemäß dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Vertragsgestaltung umgangen werden können. Die Wirksamkeit des Rechts des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten wäre nach Ansicht des EuGH beeinträchtigt, wenn sich die Ermäßigung nur auf jene Kosten beschränken könnte, die vom Darlehensgeber als laufzeitabhängig ausgewiesen werden. Die Kosten und ihre Aufschlüsselung könnten einseitig von der Bank bestimmt werden und es bestünde die Gefahr, dass dem Kreditnehmer höhere einmalige Kosten auferlegt werden, um laufzeitabhängige Kosten auf ein Minimum zu reduzieren.
 

Geänderte Rechtslage

Als Reaktion auf die Entscheidung des EuGH hat der österreichische Gesetzgeber § 16 Abs 1 Satz 3 VKrG wie folgt geändert: „Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; die Kosten verringern sich verhältnismäßig.“ In identischer Weise wurde § 20 Abs 1 HIKrG abgeändert. Die Änderung ist mit 1.1.2021 in Kraft getreten und ist auf Kredite anzuwenden, die nach dem 11.9.2019 gewährt wurden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31.12.2020 geleistet wurde. Selbiges gilt für die Änderung im HIKrG, wobei diese nur auf Kredite anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2020 gewährt werden.
 

Offene Fragen

Offen bleibt weiterhin die Frage, auf welche Kosten sich das Mäßigungsrecht des Verbrauchers im Detail bezieht. In den Erläuterungen zum Ministerialentwurf heißt es dazu nur, dass diese Frage vom nationalen Gesetzgeber nicht spezifiziert und entschieden werden könne. Eine Entscheidung über die Auslegung von Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie und damit von § 16 Abs 1 VKrG obliege allein dem EuGH.
 

Fazit

Die Änderungen des VrKG und des HIKrG waren im Hinblick auf die dargestellte EuGH-Rechtsprechung abzusehen. Der EuGH ist in der Lexitor-Entscheidung seiner verbraucherfreundlichen Rechtsprechung treu geblieben und hat eine bis dato unklare Frage zugunsten der europäischen Verbraucher entschieden. Dadurch wurde die Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Auslegung des Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-Richtlinie beseitigt. Offen bleibt aber weiterhin die Frage, auf welche Kosten sich das Mäßigungsrecht des Verbrauchers im Detail bezieht, was letztlich wieder durch den EuGH zu beantworten sein wird.


Ihr Kontakt

Mag. Sarah Koller-Salminger, LLM.

Mag. Sarah Koller-Salminger, LLM.

Deloitte Legal | Jank Weiler Operenyi RA

Sarah Koller-Salminger ist Rechtsanwältin bei Deloitte Legal / Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte GmbH, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerkpunkte liegen im Bereich Litigation, Gesellschaftsrecht und Banking & Finance, insbesondere in der Beratung und Vertretung von Unternehmen und Banken in Gerichtsverfahren sowie im Zusammenhang mit Finanzierungen und der Restrukturierung von Finanzierungen. Zudem ist Sarah Koller Autorin von Fachpublikationen.