Posted: 26 Feb. 2021 7 min. read

AUSLEGUNG VON SCHIEDSKLAUSELN

Vertragsklauseln, mit welchen die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts für Streitigkeiten aus einem Vertrag vereinbart wird, sind ausdehnend auszulegen (OGH 29.9.2020, 18 OCg 6/20m).
 

Hintergrund

Ein britisches Gasunternehmen und ein österreichischer Pipeline-Betreiber haben Verträge über die Nutzung von Gaspipelines geschlossen. Diese Transportverträge sind mit einem Kapazitätsvertrag geändert worden, der die folgende Schiedsklausel enthält:

Any dispute arising between or claim of the Parties under this Capacity Contract, its existence or termination, construction or performance shall exclusively and finally be settled by an arbitral tribunal […].“

Gestützt auf den Vorwurf, der Pipeline-Betreiber habe bei Abschluss der Vereinbarungen seine marktbeherrschende Stellung im Sinne des § 102 AEUV missbräuchlich ausgenützt (Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot), begehrte das Gasunternehmen beim Schiedsgericht primär die Nichtigerklärung der Vereinbarungen, insbesondere der darin enthaltenen Bestimmungen über die – seiner Auffassung nach übermäßig lange – Vertragsdauer. In einem „Eventualbegehren“, also für den Fall, dass das Schiedsgericht dem genannten Hauptbegehren nicht stattgeben sollte, machte das Gasunternehmen wegen des behaupteten Markmachtmissbrauchs Schadenersatzansprüche geltend.

In einem auf die Zuständigkeitsfrage beschränkten Teilschiedsspruch erklärte sich das Schiedsgericht in Bezug auf das Hauptbegehren für zuständig. Es verneinte jedoch seine Zuständigkeit für das Eventualbegehren mit der Begründung, dass die Schiedsklausel nur Schadenersatzansprüche wegen der Verletzung vertraglicher Pflichten erfasse. Die mit dem Eventualbegehren geltend gemachten Schadenersatzansprüche würden aber auf die Verletzung von eigenständigen (nicht-vertraglichen) Normen gestützt. Ergänzend führte das Schiedsgericht aus, dass seine Zuständigkeit für die geltend gemachten (deliktischen) Schadenersatzansprüche nur dann gegeben wäre, wenn nach dem Wortlaut der Schiedsklausel allgemein auch Streitigkeiten „in connection with the present contract“ erfasst wären.

Gegen die genannte Unzuständigkeitsentscheidung erhob das Gasunternehmen eine Aufhebungsklage an den OGH.
 

Ausdehnende Auslegung von Schiedsklauseln

Da eine Rechtswahlklausel im Kapazitätsvertrag offenbar allgemein die Geltung österreichischen Rechts vorsieht, beurteilte der OGH auch den Umfang der gegenständlichen Schiedsklausel nach österreichischem Recht. Dabei führte er aus, dass Schiedsvereinbarungen ausdehnend auszulegen seien, zumal das der typischen Intention der Parteien entspreche, „alle aus dem betreffenden Rechtsverhältnis folgenden Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen und eine Aufspaltung der Zuständigkeiten zu vermeiden“.

Der OHG führte weiter aus, dass der gerügte Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot in einem engen Zusammenhang mit dem Vertrag stehe, weil er nach dem Vorbringen des Gasunternehmens für dessen Abschluss kausal war und der geltend gemachte Schaden aus der Erfüllung des Vertrags resultiert. Das Schadenersatzbegehren sei daher – entgegen der Beurteilung durch das Schiedsgericht – von der weit auszulegenden Schiedsklausel erfasst.
 

Schlussfolgerungen für die Praxis

Um sicherzustellen, dass eine Schiedsklausel sämtliche aus dem Vertrag folgenden Streitigkeiten erfasst, sollte sie entsprechend weit gefasst werden. In der Praxis empfiehlt sich eine Orientierung an der Muster-Schiedsvereinbarung der jeweiligen Schiedsinstitution. So erfasst z.B die Musterklausel der Internationalen Schiedsinstitution der Wirtschaftskammer Österreich (Vienna International Arbitral Centre) nach ihrem Wortlaut „alle Streitigkeiten oder Ansprüche, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, einschließlich Streitigkeiten über dessen Gültigkeit, Verletzung, Auflösung oder Nichtigkeit“.


Ihr Kontakt

Dr. Bernhard Köck, LL.M. (Cantab.)

Dr. Bernhard Köck, LL.M. (Cantab.)

Director / Rechtsanwalt | Jank Weiler Operenyi RA

Bernhard Köck ist Counsel bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal, und konzentriert sich auf die wirtschaftsbezogene Konfliktlösung (Commercial Litigation). Köck vertritt neben namhaften Mandanten aus dem Finanzsektor vor allem mittelständische Unternehmen in komplexen nationalen und internationalen Auseinandersetzungen. Die von ihm betreuten streitigen Verfahren berühren sämtliche Bereiche des Wirtschaftsrechts, insbesondere das Bankvertragsrecht, das Schadenersatz- und Gewährleistungsrecht, das Gesellschaftsrecht, das Vertriebsrecht und das Kartellrecht. Regelmäßig vertritt Köck Unternehmen auch (als Gläubiger) in Insolvenzen.