Posted: 04 Oct. 2021 5 min. read

BFG: FRIST ZWISCHEN VERKAUF UND AUFGABE DES HAUPTWOHNSITZES DARF EIN JAHR ÜBERSTEIGEN

Überblick

In der Entscheidung vom 1.3.2021, RV/6100391/2020, setzte sich das BFG mit der Thematik auseinander, wie die Übergangszeit zwischen der Veräußerung einer Eigentumswohnung und der Aufgabe des Hauptwohnsitzes im Einzelfall zu bewerten ist.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführer verkauften ihre Eigentumswohnung, welche sie seit 14 Jahren als Hauptwohnsitz nutzen. Als die Wohnung mit Kaufvertrag vom 30.5.2018 veräußert wurde, trafen die Beschwerdeführer eine Vereinbarung mit den neuen Eigentümern. Es wurde ein Mietvertrag aufgesetzt, der den ehemaligen Eigentümern genügend Zeit einräumen sollte, um eine neue Wohnung zu finden. Dieser Mietvertrag wurde mit 1.8.2018, befristet für drei Jahre, abgeschlossen. Dabei wurde eine Klausel eingefügt, dass die Mieter den Vertrag nach Ablauf eines Jahres, unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist, kündigen könnten. Weiters wurde von Käuferseite versichert, dass der Vertrag einvernehmlich auch früher aufgelöst werden könnte.

Die prekäre finanzielle Lage, der Immobilienmarkt sowie der Besitz eines Hundes und eines Kaninchens erschwerten die Suche nach einer neuen Wohnung. Als die Beschwerdeführer schließlich ein passendes Objekt gefunden hatten, wollten sie den Vertrag einvernehmlich vorzeitig kündigen. Doch zu diesem Zeitpunkt wollten die neuen Eigentümer nichts von einer derartigen Vereinbarung wissen. Da es sich die Beschwerdeführer nicht leisten konnten, gleichzeitig zwei Mieten zu bezahlen, mussten sie die potenzielle neue Wohnung wieder aufgeben. Nach weiterem Suchen auf diversen Internetplattformen wurde ein Mietvertrag abgeschlossen und die erste Miete samt Kaution überwiesen. Doch der angebliche Vermieter stellte sich als Betrüger heraus. Danach wurde eine Immobilienmaklerin mit der Suche beauftragt.

Schließlich wurde die ImmoEst festgesetzt, da die zuständige Behörde der Ansicht war, dass der Hauptwohnsitz nicht aufgegeben wurde, da ein Mietvertrag über die ehemals besessene Wohnung errichtet und über ein Jahr darin gewohnt wurde.

Erkenntnis des BFG

Das BFG entschied, dass in Anbetracht der Umstände die Hauptwohnsitzbefreiung zur Anwendung gelangt. Das Gericht verweist auf den zweiten Tatbestand der Hauptwohnsitzbefreiung, wonach eine solche Befreiung geltend gemacht werden kann, wenn eine Liegenschaft fünf von den vergangenen zehn Jahren als Hauptwohnsitz genutzt wurde. Es ist diesbezüglich unerheblich, ob diese fünf Jahre zu Beginn, inmitten oder am Ende dieses zehnjährigen Zeitraumes liegen. Daher argumentiert das BFG, dass das Abstellen auf eine starre Frist nicht im Sinne des Gesetzgebers ist. Für das Gericht ist entscheidend, dass zwischen der Veräußerung einer Liegenschaft und der Aufgabe des Hauptwohnsitzes ein sachlicher Zusammenhang besteht.

Fazit

Der Zweck der Hauptwohnsitzbefreiung besteht darin, dass der Veräußerungserlös ungeschmälert zur Schaffung eines neuen Hauptwohnsitzes zur Verfügung steht. Wie viel Zeit zwischen der Veräußerung der Immobilie und der Aufgabe des Hauptwohnsitzes für die Inanspruchnahme der Hauptwohnsitzbefreiung liegen darf, ist gesetzlich nicht eindeutig geregelt. Während die Finanzverwaltung von einer starre Frist von einem Jahr ausgeht, wird in der (auch bereits früheren) Judikatur auf eine sachliche Einzelfallbetrachtung abgestellt, nach der die Frist auch einen Zeitraum von einem Jahr überschreiten kann. Im Einzelfall sind daher die individuellen Umstände bei der Aufgabe des Hauptwohnsitzes entscheidend. 



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Patricia Wallner

Patricia Wallner

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Patricia Wallner ist in der Steuerberatung bei Deloitte Wien beschäftigt. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich Privatpersonen (Private Clients) und Privatstiftungen.