Sind in einer GmbH mehrere Personen mit der Geschäftsführung betraut, gilt für die Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten das Prinzip der Gesamtverantwortung. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten kann finanzstrafrechtliche Folgen nach sich ziehen. Bei mehreren Geschäftsführern stellt sich die Frage, ob tatsächlich alle Geschäftsführer die finanzstrafrechtliche Verantwortung tragen oder ob bei einzelnen Geschäftsführern Gründe dagegensprechen. Diese Rechtsfrage wurde im Fall einer Abgabenhinterziehung in einem aktuellen Beschwerdeverfahren an das BFG herangetragen (BFG vom 5.7.2021, RV/6300014/2019).
Bei einer GmbH waren A und B als handelsrechtliche Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen, wobei A ihren Wohnsitz in Deutschland hatte und die Funktion als Geschäftsführerin nur in dem Fall aktiv ausführte, dass B ausscheiden oder ausfallen würde. Das Rechnungswesen wurde von B alleine betreut. Die Umsatzsteuervoranmeldungen wurden vom Steuerberater auf Basis der von B übermittelten Unterlagen erstellt und beim Finanzamt eingereicht. Für mehrere Voranmeldezeiträume übermittelte B nur jeweils einen Teil der Ausgangsrechnungen, weshalb zu Unrecht Umsatzsteuergutschriften anstelle von Umsatzsteuerzahllasten gemeldet wurden. Im Rahmen einer Außenprüfung wurden die Sachverhalte aufgedeckt. Im Anschluss wurde gegen A wegen des Verdachts der Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer ein Finanzstrafverfahren eingeleitet. Für den Spruchsenat lag eine tatsächliche Ressortverteilung innerhalb der GmbH in Bezug auf Buchhaltung, Rechnungserstellung und Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Verpflichtungen vor, weshalb A für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die fristgerechte Entrichtung der Vorauszahlungen nicht verantwortlich gewesen sei. Das Finanzstrafverfahren wurde daher eingestellt.
Der Amtsbeauftragte der Finanzstrafbehörde erhob gegen die Einstellung Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass A handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei und somit die wirtschaftlichen und steuerlichen Belange der GmbH mitverantworte und im Gegensatz zu B eine kaufmännische Ausbildung absolviert habe. Darüber hinaus habe A den kaufmännischen Bereich übernehmen sollen, diesen Bereich aber vernachlässigt.
Das BFG hielt fest, dass als Wahrnehmender der steuerlichen Belange eines Unternehmens jene Personen gelten, welche diesbezüglich im Unternehmen Entscheidungsgewalt ausüben – sei es aufgrund gesellschaftsrechtlicher Legitimation, sei es auch aufgrund lediglich faktischer Gegebenheiten. Aufgrund ihrer Eigenschaft als im Firmenbuch bestellte handelsrechtliche Geschäftsführerin kommt A als Entscheidungsträgerin für diese finanzstrafrechtlichen Fehlverhalten grundsätzlich in Frage, sodass von einem entsprechenden Anfangsverdacht auszugehen war. Nach Ansicht des BFG hatte A jedoch mit der Erstellung des steuerlichen Rechenwerkes der GmbH nichts zu tun. Das ergab sich für das BFG insbesondere aus den Darlegungen des anderen Geschäftsführers, zumal B diesen Umstand auch im Verfahren vor dem BFG nochmals bestätigt habe. Das BFG sah keine Anhaltspunkte, wodurch diese Darstellung widerlegt werden könnte.
Abschließend führte das BFG aus, dass ein Geschäftsführer, welcher seinen Kontrollaufgaben nicht entspreche, allenfalls die ihm gebotene mögliche und zumutbare handelsrechtliche Sorgfaltspflicht verletze. Zumal jedoch die Verkürzung von Umsatzsteuer im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldungen nur bei vorsätzlichem bzw wissentlichem Handeln zu bestrafen ist, hat das BFG die Beschwerde des Amtsbeauftragen abgewiesen.
Kommen bei einer juristischen Person mehrere Vertreter als finanzstrafrechtlich Verantwortliche in Frage, ist es maßgeblich, wer mit den abgabenrechtlichen Belangen betraut ist. Sofern zumindest eine faktische Ressortverteilung nachgewiesen werden kann, kann die finanzstrafrechtliche Verantwortung eines handelsrechtlichen Geschäftsführers insbesondere in Bezug auf Vorsatzdelikte abgewehrt werden. Eine etwaige Nichteinhaltung der dem Geschäftsführer im Falle einer Ressortverteilung auferlegten Kontrollaufgaben kann lediglich eine grob fahrlässige Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten darstellen. Um einem etwaigen Finanzstrafverfahren vorzubeugen, empfiehlt es sich, hinsichtlich der abgabenrechtlichen Verpflichtungen eine eindeutige Aufgabenverteilung, beispielsweise durch gesellschaftsvertragliche Regelungen bzw eine Geschäftsordnung, zu treffen, zumal einer solchen im Ernstfall relevante Beweiskraft zukommt. Dabei sollten die weiterhin bestehenden Kontrollpflichten nicht außer Acht gelassen werden.
Madeleine Grünsteidl ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Verfahrens- und Finanzstrafrecht, in der Beratung von Privatpersonen (Private Clients) sowie Körperschaften und im internationalen Steuerrecht. Zudem ist sie spezialisiert auf Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftliche Eigentümer-Registergesetz. Sie ist regelmäßig als Fachautorin und Fachvortragende tätig.
Anna-Magdalena Gleixner ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht, Rechtsmittelverfahren und Finanzstrafrecht.