Mit dem EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) wurde in Österreich die EU-Richtlinie 2018/822 („DAC 6“) umgesetzt, die eine Pflicht zur Meldung bestimmter grenzüberschreitender Steuergestaltungen an die nationalen Finanzverwaltungen vorsieht. Das EU-MPfG ist am 1.7.2020 in Kraft getreten und hat in der Praxis zahlreiche Anwendungsfragen aufgeworfen. Abhilfe schafft nunmehr ein vom Bundesministerium für Finanzen im Oktober veröffentlichtes Informationsschreiben zur Anwendung des EU-MPfG (BMF-Info vom 21.10.2020, 2020-0.675.748), das Klarstellungen zu Begriffsdefinitionen und den einzelnen „Kennzeichen“ meldepflichtiger Gestaltungen sowie Regelungen zu den Meldefristen enthält. Im Folgenden wird auf einige ausgewählte Punkte des Informationsschreibens eingegangen.
Gemäß dem EU-MPfG sind tatbestandliche Gestaltungen (unbedingt meldepflichtige und bedingt meldepflichtige Gestaltungen) lediglich meldepflichtig, wenn ein Risiko der Steuervermeidung, der Umgehung des Gemeinsamen Meldestandards oder der Verhinderung der Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers vorliegt. Der österreichische Gesetzgeber hat dieses zusätzliche Prüfkriterium entgegen vieler anderer Mitgliedstaaten eingeführt, um eine Meldung unschädlicher bzw vom Gesetzgeber intendierter Gestaltungen zu vermeiden. Mangels Definition hat dieser zusätzliche Prüfschritt in der Praxis zu einigen Unklarheiten geführt. Die BMF-Information erläutert nunmehr, dass ein Risiko der Steuervermeidung vorliegt, wenn eine Gestaltung entwickelt wurde, um potenzielle Marktineffizienzen auszunutzen, um Steuersubstrat in Staaten mit vorteilhafteren Steuersystemen zu verlagern bzw um die Gesamtsteuerbelastung des Steuerpflichtigen zu verringern. Entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut, wonach die gesetzlich normierten Kennzeichen nicht automatisch ein Risiko der Steuervermeidung aufweisen, geht das BMF zudem in seinem Informationsschreiben davon aus, dass bei Vorliegen eines Kennzeichens grundsätzlich ein Risiko der Steuervermeidung besteht, solange keine abmildernden Faktoren dagegensprechen. Gesetzlich klar intendierte Steuervorteile weisen jedoch kein Risiko der Steuervermeidung auf. Als Beispiele ausdrücklich genannt sind das Erreichen von Mindestgrenzen iZm der Schachtelbeteiligung, der Bezug von steuerfreien Beteiligungserträgen, das Abwarten von gesetzlichen Fristen, das Errichten von Auslandsurkunden ohne Inlandsbezug sowie fremdfinanzierte Gewinnausschüttungen.
Das von Beratern und Steuerpflichtigen langersehnte Informationsschreiben des BMF liefert einige wichtige Informationen zur Auslegung des EU-Meldepflichtgesetzes, lässt jedoch zahlreiche Fragen (weiterhin) offen. Im Hinblick auf die weitreichenden Auswirkungen für Berater und Steuerpflichtige bleibt zu hoffen, dass umfangreichere Auslegungshilfen seitens der Finanzverwaltung folgen werden.
Jacqueline Edelsbrunner ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Privatstiftungen, ausländischen Stiftungen/Trusts, Familienunternehmen sowie im Bereich der Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung. Sie ist weiters Autorin diverser Fachbeiträge im Steuerrecht.