Nach Ende der Übergangsphase gilt das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland seit 1. Jänner 2021 als Drittland. Der Übergang vom Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Drittstaat bringt umsatzsteuerliche Änderungen mit sich, welche wiederum Anpassungen in den ERP-Systemen der Unternehmen notwendig machen. Die Menge und Komplexität der Anpassungen erhöht sich durch die Tatsache, dass Nordirland sowohl dem britischen Umsatzsteuerrecht als auch teilweise den unionsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen unterliegt.
Grundsätzlich ist das Vereinigte Königreich seit 1. Jänner 2021 für Umsatzsteuerzwecke als Drittland zu qualifizieren. Eine Ausnahme hiervon besteht jedoch für Nordirland hinsichtlich der Lieferung von Waren. Im sogenannten Protokoll zu Irland und Nordirland, welches Bestandteil des Austrittsabkommens ist, wurden spezielle Regelungen in Bezug auf Nordirland getroffen, um eine harte Grenze auf der irischen Insel zu vermeiden und die bestehende Zusammenarbeit zwischen Irland und Nordirland aufrechtzuerhalten. Folglich sind seit Anfang des Jahres Warenlieferungen im B2B-Bereich von Österreich nach Großbritannien (England, Schottland und Wales) nicht mehr als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern als Ausfuhrlieferungen zu behandeln. Warenlieferungen von Großbritannien nach Österreich stellen aus österreichischer umsatzsteuerlicher Sicht nunmehr Einfuhren dar. Nordirland hingegen wird hinsichtlich Warenlieferungen weiterhin als Gemeinschaftsgebiet angesehen und es bleibt hierbei im B2B-Bereich bei innergemeinschaftlichen Lieferungen inklusive der Verpflichtung zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung. Nordirische Unternehmer müssen hierfür mit ihrer UID-Nummer mit Ländercode „XI“ auftreten. Bezüglich der Erbringung von sonstigen Leistungen gilt das gesamte Vereinigte Königreich nunmehr als Drittlandsgebiet. Bei sonstigen Leistungen, die unter die B2B-Generalklausel fallen, bedarf es nun nicht mehr der Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung.
Diese umsatzsteuerlichen Änderungen müssen sich wiederum in den ERP-Systemen der Unternehmen widerspiegeln. Welche Anpassungen im Detail notwendig sind bzw. welche Anpassungen zukünftig relevant werden, da beispielsweise neue Geschäftsfälle mit Großbritannien oder Nordirland geplant sind, muss zunächst unternehmensspezifisch evaluiert werden. So ist es etwa nun erforderlich, bei Warenlieferungen in das Vereinigte Königreich differenzieren zu können, ob die Waren nach Nordirland oder nach Großbritannien geliefert werden. Im Hinblick auf die Steuerfindung in SAP wird hier nun der Parameter Region zum wichtigen Unterscheidungsfaktor. Weiters bedarf es der neuen UID-Nummern mit Ländercode „XI“ für die nordirischen Geschäftspartner, welche unter anderem auch für die Zusammenfassenden Meldungen relevant sind. Die Unterscheidung, ob eine Warenlieferung oder eine sonstige Leistung vorliegt, wird nun noch bedeutsamer. Zur Abgrenzung eignet sich hierfür in SAP nach wie vor die Steuerklassifikation Material. Je nach Bedarf sind Adaptierungen in der Preisfindung vorzunehmen (Konditionssätze, Konditionstabellen, Bedingungen etc.) um eine korrekte Steuerfindung zu gewährleisten. Ebenso können zahlreiche andere Änderungen wie etwa im Formulardruck oder im Reporting bzw. Anpassungen in anderen Bereichen abseits der Umsatzsteuer notwendig sein.
Da der Anpassungsbedarf von Unternehmen zu Unternehmen sehr variieren kann, sollte im Falle noch nicht erfolgter Adaptierungen bzw. falls aufgrund wirtschaftlicher Änderungen zukünftig Anpassungen notwendig werden, zunächst eruiert werden, welche Sachverhalte bzw. Geschäftsfälle vorliegen und welche Anpassungen für die korrekte systemische Abbildung dieser benötigt werden. In Hinblick auf die Erstellung und Prüfung der ersten Meldungen dieses Jahres (Umsatzsteuervoranmeldung, Zusammenfassende Meldung) sollten vorgenommene Änderungen des Systems im Hinterkopf behalten werden und diesbezüglich besonderes Augenmerk auf die Richtigkeit der Auswertungen gelegt werden.
Tanja Baumgartner ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Indirect Tax und Tax Management Consulting.
Verena Gabler ist Partner im Bereich Steuerberatung und leitet die Tax Management Consulting Abteilung bei Deloitte Österreich. Die Umsatzsteuer-Spezialistin hat sich auf die Prozessberatung spezialisiert und unterstützt ihre Klienten bei der Entwicklung und Implementierung von Steuerkontrollsystemen. Dabei begleitet sie ihre Klienten bei der Analyse und Reduktion von steuerlich relevanten Risiken, der Optimierung von Prozessen und der Erhöhung des Automatisierungsgrades der Steuerfunktion durch den Einsatz von steuerrelevanter Software.