Der Nationalrat hat am 7.7.2021 das neue Gewährleistungsrichtlinien- Umsetzungsgesetz („GRUG“) beschlossen, welches neben Anpassungen der gewährleistungsrechtlichen Bestimmungen im ABGB und KSchG vor allem ein neues Verbrauchergewährleistungsgesetz („VGG“) einführt. Dieses wird mit 1.1.2022 in Kraft treten. Dieser Beitrag beschäftigt sich zunächst mit dem Anwendungsbereich des VGG und fasst anschließend die wichtigsten Neuerungen, die das Gesetz mit sich bringt, im Überblick zusammen.
Das VGG ist grundsätzlich nur auf Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern über (i) den Kauf von beweglichen Gegenständen (Waren) und über (ii) die Bereitstellung digitaler Leistungen anwendbar. Ebenfalls vom VGG erfasst sind Kaufverträge über Waren, die noch herzustellen sind, daher auch kaufähnliche Werkverträge. Zudem fallen Verträge über die Bereitstellung digitaler Leistungen auch dann unter das VGG, wenn die Gegenleistung nicht in einer Zahlung, sondern in der Überlassung personenbezogener Daten besteht. Von den Vorgaben des VGG kann mittels Vereinbarung nicht zum Nachteil der Verbraucher abgewichen werden.
Der Unternehmer hat künftig zusätzlich zu den vertraglich vereinbarten Eigenschaften auch dafür gewährleistungsrechtlich einzustehen, dass die Ware oder die digitale Leistung die objektiv erforderlichen Eigenschaften aufweist. Diese objektiv erforderlichen Eigenschaften werden im VGG – im Gegensatz zu den gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften des ABGB – angeführt: die Ware oder die digitale Leistung muss (i) für jene Zwecke geeignet sein, für die solche Waren oder digitalen Leistungen üblicherweise verwendet werden, (ii) einer Probe oder einem Muster bzw einer Testversion oder „Vorschau“ entsprechen, die dem Verbraucher vor Vertragsabschluss zur Verfügung gestellt wurde, (iii) mit jenem Zubehör ausgestattet sein, das der Verbraucher „vernünftigerweise erwarten kann“ und (iv) die Menge, Qualität, Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität, Zugänglichkeit, Kontinuität, Sicherheit und sonstigen Merkmale aufweisen, die bei derartigen Waren oder digitalen Leistungen üblich sind. Eine Abweichung von dieser Bestimmung bedarf der ausdrücklichen und gesonderten Zustimmung des Verbrauchers.
Neu im VGG ist auch die vorgesehene Aktualisierungspflicht des Unternehmers für Waren mit digitalen Elementen (z.B. Navigationsgeräte oder Smartphones) sowie bei digitalen Leistungen, die ausnahmsweise auch auf zwischen Unternehmer geschlossene Verträge anwendbar ist. Der Unternehmer muss jene Aktualisierungen (Updates) zur Verfügung stellen, die notwendig sind, damit die Ware oder die digitale Leistung weiterhin dem Vertrag entspricht. Aufgrund der Aktualisierungspflicht kann den Unternehmer nunmehr, auch wenn die Beschaffenheit des Leistungsobjektes zum Übergabezeitpunkt vertragskonform bzw mangelfrei war, wegen einer unterbliebenen Aktualisierung eine Gewährleistungspflicht treffen. Der Unternehmer hat daher die erforderlichen Updates (während bestimmter Zeiträume) zur Verfügung zu stellen.
Wie das ABGB kennt auch das VGG die Vermutung der Mangelhaftigkeit bei Übergabe des Leistungsgegenstandes für den Fall, dass der Mangel innerhalb einer bestimmten Zeit nach Übergabe hervortritt. Anders als im ABGB beträgt die Vermutungsfrist im VGG jedoch ein Jahr ab Übergabe und damit das Doppelte der im allgemeinen Gewährleistungsrecht geltenden Frist von sechs Monaten.
Eine praxisrelevante Neuerung findet sich auch im Fristenregime des VGG, welches erstmals zwischen Gewährleistungsfristen und Verjährungsfristen unterscheidet. Ersteres bezeichnet jenen Zeitraum, innerhalb dessen der Mangel aufgetreten sein muss, um gewährleistungsrechtliche Ansprüche des Übernehmers gegen den Übergeber auszulösen. Die Verjährungsfrist hingegen ist jener Zeitraum, der dem Übernehmer zur Verfügung steht, um seine Gewährleistungsansprüche gerichtlich geltend zu machen. Die Gewährleistungsfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit der Übergabe der Ware bzw mit der Bereitstellung der digitalen Leistung zu laufen. Neu ist, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine zusätzliche Verjährungsfrist von drei Monaten vorgesehen ist, innerhalb welcher der Mangel gegebenenfalls gerichtlich geltend gemacht werden muss.
Im Ergebnis führt das VGG zur Verbesserung der Rechte für Verbraucher, insbesondere aufgrund der Ausweitung der Gewährleistung auf digitale Dienstleistungen und der Verlängerung der Vermutungsfrist der Mangelhaftigkeit des Leistungsgegenstandes auf zwölf Monate. Für Unternehmer gilt es zukünftig – aufgrund der Abweichung der Anwendungsbereiche des ABGB und VGG –nun eine Unterscheidung hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft und des Vertragstyps zu treffen.
Tabatha Franke ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Corporate / M&A, Konfliktlösung, Prozesse & Schiedsverfahren sowie Insolvenzrecht & Restrukturierungen.