Voraussetzung für eine mögliche Entlastung an der Quelle von Dividendenausschüttungen auf Grundlage eines Doppelbesteuerungsabkommens ist – neben der Bestätigung der Ansässigkeit des ausländischen Einkünfteempfängers – das Vorliegen einer Erklärung wonach der Empfänger der Dividenden (1) eine über die Vermögensverwaltung hinausgehende betriebliche Tätigkeit entfaltet, (2) eigene Arbeitskräfte beschäftigt und (3) über eigene Räumlichkeiten verfügt. Sowohl die Ansässigkeitsbescheinigung der ausländischen Steuerbehörde als auch die Erklärungen zu den Substanzerfordernissen durch den Empfänger der Dividenden sind dabei im Fall einer juristischen Person auf dem Vordruck ZS-QU 2 zu erbringen.
In einer jüngst ergangenen EAS-Auskunft (EAS 3429, 16.3.2021) hat sich das BMF näher mit diesen drei Substanzerfordernissen auseinandergesetzt. Der Auskunft lag dabei der folgende Sachverhalt zu Grunde: An einer österreichischen Aktiengesellschaft (Ö-AG) sind zwei in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaften beteiligt: die börsennotierte A-AG zu 99% und die B-AG zu 1%, wobei die B-AG im Alleineigentum der A-AG steht. Die A-AG hat keine Dienstnehmer und verwendet zur Ausübung ihrer Geschäftstätigkeit (Geschäfts- und Konzernleitung sowie Finanzierungstätigkeiten) Betriebsräumlichkeiten einer anderen Konzerngesellschaft. Fraglich war, ob die Ö-AG bei Ausschüttung an die schweizerische A-AG vom KESt-Abzug absehen und die Dividende auf Grundlage des DBA Österreich-Schweiz quellensteuerfrei ausschütten kann.
Im Einklang mit der jüngeren VwGH Judikatur (VwGH 27.3.2019, Ro 2018/14/004) besagt die EAS 3429, dass die Übernahme von geschäfts- und konzernleitenden Funktionen sowie Finanzierungsfunktionen durch eine Holdinggesellschaft eine aktive betriebliche Tätigkeit begründet. Ein Überwiegen der betrieblichen Tätigkeit ist dabei nicht gefordert. Die Börsennotierung allein sage allerdings noch nichts über das Vorliegen eines über die Vermögensverwaltung hinausgehende Tätigkeit aus. Im Ergebnis unterstreicht die EAS damit, dass auch Holdingsgesellschaften für Zwecke der Entlastung an der Quelle – sofern sie konkrete geschäftsleitende- und konzernleitende- bzw. Finanzierungsfunktionen ausüben – als aktiv operativ tätig einzustufen sind, unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten im Verhältnis zu etwaigen anderen Aktivitäten der Gesellschaft überwiegen.
Als „eigene Arbeitskräfte“ iSd DBA-Entlastungs-VO gelten laut EAS 3429 nicht nur im Rahmen eines Dienstverhältnisses beschäftigte Arbeitnehmer, sondern auch geleaste Arbeitskräfte (so bereits EAS 2747), sofern sie wie eigene Dienstnehmer in den Betrieb der Gesellschaft eingegliedert werden und die Gesellschaft ihnen Weisungen erteilen kann. Entscheidend ist daher nicht die rechtliche, sondern die faktische/wirtschaftliche Zuordnung der Arbeitskraft an die dividendenempfangende Gesellschaft. Eine ähnliche Klarstellung nimmt die EAS auch hinsichtlich des Kriteriums der eigenen Räumlichkeiten vor. Die für die betriebliche Tätigkeit erforderlichen Betriebsräumlichkeiten müssen demnach nicht im Eigentum der Gesellschaft stehen, sondern können auch (zB von einer Konzerngesellschaft) gemietet werden.
Im konkreten Anwendungsfall lag allerdings eine gänzliche Auslagerung der operativen Tätigkeiten auf eine andere Konzerngesellschaft vor. Die Arbeitskräfte sowie die Räumlichkeiten waren demnach nicht der dividendenempfangenden Gesellschaft zurechenbar, sondern stellten Arbeitskräfte bzw. Räumlichkeiten eines anderen Unternehmens dar. Laut EAS 3429 kommt der empfangenden Gesellschaft in einer solchen Situation nicht die Eigenschaft als Entscheidungsträger für die behauptete betriebliche Tätigkeit zu. Die notwendigen Substanzerfordernisse waren demnach nicht erfüllt und eine Entlastung an der Quelle nicht möglich.
Die Aussagen des BMF in EAS 3429 unterstreichen, dass auch Holdingsgesellschaften das Erfordernis der über die Vermögensverwaltung hinausgehende Tätigkeit erfüllen, sofern sie geschäfts- und konzernleitenden Funktionen sowie Finanzierungsfunktionen übernehmen. Zudem reicht es aus, wenn die Arbeitskräfte sowie die Räumlichkeiten geleast sind. Wenn allerdings die gesamte betriebliche aktive Tätigkeit von einer anderen Konzerngesellschaft ausgeübt wird, die auch über die Arbeitskräfte und Betriebsräumlichkeiten verfügt, sind die Substanzerfordernisse nicht erfüllt, da der dividendenempfangende Gesellschaft die entsprechende Aktivität bzw. die Arbeitskräfte in diesem Fall und Räumlichkeiten nicht zurechenbar sind.
Daniel Blum ist Senior Manager im Bereich Tax bei Deloitte Wien sowie Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeit liegen in den Bereichen Konzernsteuerrecht, Quellensteuern und internationales Steuerrecht. Daniel Blum ist zudem regelmäßig als Fachautor und Fachvortragender tätig.