Das österreichische Abgabenrecht kennt grundsätzlich keine allgemeine Regelung über die Verzinsung von Abgabenguthaben aus Umsatzsteuer. Zwar wird in der Bundesabgabenordnung die Anspruchsverzinsung (§ 205 BAO) für verspätet festgesetzte Abgaben geregelt, allerdings ist dessen Anwendungsbereich auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer beschränkt. Ob den Mitgliedstaaten eine unionsrechtliche Pflicht zur Erstattung von Verzugszinsen zu Gunsten des Steuerpflichtigen zukommt, sofern Umsatzsteuergutschriften oder Vorsteuerüberschüsse nicht innerhalb einer angemessenen Frist gutgeschrieben werden – hat der EuGH in einem kürzlich ergangenen Urteil (12.5.2021, C-844/19, Rs INSS) wie folgt geklärt.
Durch die Regelung des Vorsteuerabzugs und damit auch der Umsatzsteuererstattungen soll der Unternehmer von der im Rahmen seiner Tätigkeit geschuldeten Mehrwertsteuer entlastet werden. Auf diese Weise soll die Neutralität der steuerlichen Belastung im gemeinsamen unionsweiten Mehrwertsteuersystem gewährleistet sein. Daraus ist abzuleiten, dass die Erstattung von Umsatzsteuerbeträgen unter angemessenen Bedingungen und deshalb auch – innerhalb einer angemessenen Frist – erfolgen muss. Die Zahlung von Verzugszinsen stellt einen für den finanziell erlittenen Verlust des Steuerpflichtigen zu gewährenden Ausgleich dar. Obwohl das österreichische Abgabenrecht keine entsprechende Regelung kennt, ist aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Unionsrecht ein solcher dennoch zu gewähren. Der VwGH wird in weiterer Folge zu klären haben, wie der unionsrechtliche Anspruch auf eine Verzinsung von Umsatzsteuergutschriften gewährleistet werden kann.
Mit der Anspruchsverzinsung gem § 205 BAO liegt eine teilweise unionsrechtswidrige Regelung vor, weshalb der Steuerpflichtige uE seinen Anspruch auf Verzugszinsen bzw Anspruchszinsen unmittelbar auf das Unionsrecht stützten kann. Folglich wird das nationale Recht verdrängt insoweit Unionsrechtswidrigkeit gegeben ist. Im Ergebnis beschränkt sich der Anwendungsbereich der Anspruchsverzinsung nicht auf Ertragsteuern, sondern umfasst ebenso die Umsatzsteuer.
Falls Ihnen höhere Umsatzsteuerbeträge verspätet (einige Monate nach dem 1.10. des Folgejahres) etwa aufgrund eines Rechtsmittelverfahrens oder einer verzögerten Umsatzsteuer-Jahresveranlagung gutgeschrieben wurden, können Sie in den Genuss einer Gutschriftsverzinsung fallen. Je nach Höhe der Gutschrift und Dauer bis zur Veranlagung kann es hierbei um beträchtliche Verzinsungsbeträge gehen. Unsere Deloitte-BeraterInnen unterstützen Sie gerne bei der weiteren Vorgehensweise hinsichtlich einer Verzinsung dieser Umsatzsteuerbeträge.
Mag. Robert Rzeszut ist Steuerberater und Partner im Bereich Tax Litigation bei Deloitte Österreich in Wien. Er ist Experte für Abgaben-Verfahrensrecht und führt insbesondere komplizierte und umfangreiche Beschwerden und Revisionen an die Verwaltungsgerichte, an Höchstgerichte sowie internationale Verständigungsverfahren. Als zertifizierter Finanzstrafrechtsexperte ist er überdies auf Selbstanzeigen und finanzstrafrechtliche Verteidigung spezialisiert.Als stv. Leiter der Arbeitsgruppe Verfahrensrecht im Fachsenat für Steuer- und Sozialrecht der Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen (KSW) ist Mag. Rzeszut bestens mit akteullen Entwicklungen in seinen Spezialgebieten betraut. Darüber hinaus ist Mag. Rzeszut Herausgeber des KSW-Leitfadens für Betriebsprüfungen sowie des großen „Stoll“-Kommentars zur Bundesabgabenordnung (BAO). Weiters ist Mag. Rzeszut Autor zahlreicher Fachpublikationen im Steuerrecht und als Fachvortragender tätig. Als solcher leitet er den renommierten Lehrgang zum Verfahrensrecht auf der Akademie der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen.