Posted: 22 Mar. 2021 5 min. read

FIKTIVER STEUERLICHER ZUFLUSS BEIM GESCHÄFTSFÜHRER

Grundsätzlich liegt steuerlich ein Zufluss vor, sobald der Empfänger über den Betrag tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Der VwGH hatte jüngst über den Zufluss von am Verrechnungskonto des Geschäftsführers verbuchter Gutschriften zu entscheiden (VwGH 6.7.2020, Ra 2018/13/0074-6).
 

Sachverhalt

Der Geschäftsführer A war zu 37% unmittelbar an der B-GmbH beteiligt, die wiederum Alleingesellschafter der C-GmbH war. A war bei der B-GmbH alleinvertretungsbefugt, während ihm bei der C-GmbH nur eine kollektive Vertretungsbefugnis eingeräumt wurde. A vermietete an die C-GmbH eine Liegenschaft und legte monatlich entsprechende Rechnungen. Diese wurden seitens der C-GmbH jedoch zum Fälligkeitszeitpunkt nicht beglichen, sondern als Verbindlichkeit auf das Verrechnungskonto des Geschäftsführers gebucht. Zu einer Auszahlung kam es schlussendlich nicht, da der Geschäftsführer zur Abwendung der Insolvenz der C-GmbH unwiderruflich auf die Begleichung der Forderung verzichtete. Fraglich war, ob die am Verrechnungskonto verbuchten Gutschriften als dem Geschäftsführer ertragsteuerlich bereits zugeflossen zu erachten und daher von diesem auch zu versteuern sind. Das BFG hatte den Zufluss bejaht, da die B-GmbH, deren alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer A war, der C-GmbH als deren Mehrheitsgesellschafter eine Weisung zur Auszahlung der Beträge an A erteilen hätte können.
 

Entscheidung des VwGH

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH sind bei der Beurteilung des Zuflusses an einen Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft folgende zwei zuflussbegründende Tatbestände gesondert zu untersuchen:
 

Mehrheitsgesellschafter

Zum einem liegt ein Zufluss durch die Verbuchung am Verrechnungskonto bei einem Geschäftsführer bereits zum Fälligkeitszeitpunkt vor, wenn der Geschäftsführer selbst auch Mehrheitsgesellschafter ist und somit ein Nahverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner besteht. Ohne diese Zuflussfiktion hätte es der Mehrheitsgesellschafter in der Hand den steuerlichen Gewinn der Gesellschaft zu kürzen, ohne die entsprechenden Beträge selbst versteuern zu müssen.
 

Verfügungsmacht durch Befugnis zur Auszahlung

Zum anderen wird bereits ein Zufluss angenommen, wenn die Gutschrift auf dem Verrechnungskonto erfolgt und der Geschäftsführer die Befugnis hat, die Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge zu veranlassen oder sie selbst durchzuführen. Beide Formen des fiktiven Zuflusses haben zur Voraussetzung, dass die Kapitalgesellschaft nicht zahlungsunfähig ist.
 

Fazit

Da der Geschäftsführer im vorliegenden Fall lediglich zu 37% an der Muttergesellschaft beteiligt war, kann die Rechtsprechung zum Mehrheitsgesellschafter nicht zur Anwendung gelangen. Der zweite Tatbestand, dass der kollektiv vertretungsbefugte Geschäftsführer bereits Verfügungsmacht auf Grund der Befugnis zur Auszahlung erlangt hätte, wurde vom BFG im vorliegenden Fall nicht ausreichend gewürdigt. Das Erkenntnis des BFG wurde daher vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

 

Der VwGH hält somit an den bisher von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum fiktiven Zufluss beim Geschäftsführer auch weiterhin fest. Sofern kein Mehrheitsgesellschafter vorliegt, ist für den Zufluss entscheidend, ob der Geschäftsführer die Auszahlung der am Verrechnungskonto gutgeschriebenen Beträge veranlassen kann. Dies wird wohl bei einem selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführer stets der Fall sein.


Ihr Kontakt

Mag. Wilfried Krammer

Mag. Wilfried Krammer

Partner BPS | Deloitte Österreich

Wilfried Krammer ist Partner bei Deloitte. Als Steuerberater verfügt er über langjährige Erfahrung in der Beratung von Familienunternehmen und Tochtergesellschaften von multinationalen Unternehmen. Er unterstützt Unternehmen mit maßgeschneiderten Lösungen im Rechnungswesen. Dies geschieht durch Outsourcing der Buchhaltung und Lohnverrechnung, Co-Sourcing sowie dem Einsatz seines Teams vor Ort beim Klienten. Darüber hinaus hat er einen speziellen Beratungsschwerpunkt im Gemeinnützigkeitsrecht, insbesondere in Kunst & Kultur, Sport und im Sozialbereich.