Der Oberste Gerichtshof (OGH) beschäftigte sich in der Entscheidung 9 ObA 136/19v vom 26.8.2020 mit der Haftung eines Geschäftsführers für die Nichteinführung bzw. Unterlassung der regelmäßigen Evaluierung eines internen Kontrollsystems und der Möglichkeit der vertraglichen Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist.
Der Beklagte war Alleingeschäftsführer einer kleinen GmbH und schloss einen Werkvertrag mit einer Buchhalterin ab, die künftig die Buchhaltung und Gehaltsabrechnungen der Gesellschaft durchführen sollte. In weiterer Folge stellte der Abschlussprüfer im Zuge der Erstellung des Jahresabschlusses Mängel in der Buchführung fest. Trotz Aufforderung seitens der Alleingesellschafterin, das Vier-Augen-Prinzip im Sinne der internen Konzernrichtlinie einzuhalten, ermöglichte der Beklagte der Buchhalterin weiterhin uneingeschränkten und alleinigen Zugriff auf das Konto der Gesellschaft. Dies führte dazu, dass die Buchhalterin Überweisungen auf ihr eigenes Konto durchführte.
Der Nachfolgerin der Buchhalterin fielen diese Ungereimtheiten auf. Eine daraufhin eingeleitete Sonderprüfung durch die Innenrevisionsabteilung führte letztlich zur Entlassung des Beklagten. Die Gesellschaft begehrte Schadenersatz vom Beklagten wegen Missachtung seiner Kontroll- und Geschäftsführerpflichten. Der ehemalige Geschäftsführer rechtfertigte sich im Wesentlichen damit, dass er lediglich das bereits vorhandene interne Kontrollsystem übernommen und weitergehführt habe. Zudem wandte er den Verfall etwaiger Ansprüche gegen ihn ein, da in seinem Geschäftsführervertrag ein Verfall von offenen Ansprüchen vereinbart sei, sofern diese nicht binnen vier Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.
Die Vorinstanzen lasteten dem Beklagten an, dass dieser entgegen der ihn treffenden entsprechenden gesetzlichen Verpflichtung kein internes Kontrollsystem eingeführt und die Verpflichtung zur Sicherstellung eines Vier-Augen-Prinzips nicht wahrgenommen hat, obwohl dies leicht möglich gewesen wäre. Zudem wurde dem Beklagten angelastete, dass er keine Kontrollen durchgeführt oder veranlasst hat, obwohl dies aufgrund der fachlichen Mängel der Buchhalterin indiziert gewesen wäre. Unabhängig von den internen Konzernvorgaben, liege es auf der Hand, dass ein bestehendes, übernommenes Kontrollsystem einer regelmäßigen Evaluierung bedürfe, um zu gewährleisten, dass dieses nach wie vor den Erfordernissen des Unternehmens entspricht.
Zudem wurde der Geschäftsführer ausdrücklich aufgefordert, ein durchgehendes Vier-Augen-System im Zahlungsverkehr sicherzustellen. Das Implementieren eines derartigen Kontrollsystems war nach den Feststellungen des OGH – unabhängig von der Unternehmensgröße und den seitens des Beklagten als Rechtfertigung vorgebrachten häufigen Auswärtsterminen – ohne größeren Aufwand technisch möglich. Es ist somit dem Geschäftsführer vorzuwerfen, dass er den Zahlungsverkehr der Buchhalterin überlassen hat, ohne diesen zu prüfen. Die Tätigkeit der Buchhalterin ist zudem vom Wirtschaftsprüfer beanstandet worden, weshalb bereits aus diesem Grund eine intensivere Kontrolle erforderlich gewesen wäre. All dem hat der Beklagte jedoch nicht entsprochen, weshalb der OGH die Haftung des Beklagten als gegeben ansah.
Der vom Beklagten behauptete Verfall der Ansprüche aufgrund der Bestimmung in seinem Geschäftsführervertrag vermochte nicht zu überzeugen. Der OGH stellte nunmehr klar, dass es sich bei der fünfjährigen Verjährungsfrist um eine gesetzlich zwingende Regelung handelt, weshalb die vertragliche Vereinbarung etwaiger Verkürzungen – zumindest im Vorhinein – unzulässig ist. Eine derartige Disposition zu einem Zeitpunkt, zu dem Ansprüche weder bekannt noch absehbar sind und auch nicht beurteilt werden kann, inwiefern diese zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind, kann mit dem Schutzzweck des GmbH-Gesetzes nicht in Einklang gebracht werden.
Geschäftsführer sind nicht nur verpflichtet, ein internes Kontrollsystem – das den Anforderungen des Unternehmens entspricht – einzuführen, sondern auch ein bestehendes, übernommenes Kontrollsystem einer regelmäßigen Evaluierung zu unterziehen, um zu gewährleisten, dass dieses nach wie vor den Erfordernissen des Unternehmens entspricht. Bei der fünfjährigen Verjährungsfrist handelt es sich um eine gesetzlich zwingende Regelung, weshalb die vertragliche Vereinbarung etwaiger Verkürzungen – zumindest im Vorhinein – unzulässig ist.
Gerald Hendler ist Rechtsanwaltsanwärter bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal und Mitglied des Praxisteams Corporate/M&A. Seine Tätigkeitssschwerpunkte liegen in den Bereichen Gesellschaftsrecht und M&A.