Posted: 27 Jul. 2021 7 min. read

KARTELL- UND WETTBEWERBSRECHTSÄNDERUNGSGESETZ 2021 („KAWERÄG 2021“)

Das Kartell- und Wettbewerbsrechtsänderungsgesetz 2021 („KaWeRÄG 2021“) wurde am 8.7.2021 im Nationalrat beschlossen. Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Novelle mehrere Hauptziele: Es wird ein Ökologisierungsansatz des Kartellrechts verfolgt, das österreichische Fusionskontrollregime partiell reformiert, typische Marktmachtkriterien der Plattformökonomie eingeführt sowie die „ECN+“ - Richtlinie (EU) 2019/1 umgesetzt.

Ökologisierung des Kartellrechts

Sowohl dem „Green Deal“ der EU-Kommission als auch dem Regierungsprogramm 2020-2024 entsprechend, soll in Zukunft auch in Österreich das Kartellrecht seinen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Ökologisierung leisten. Der mit der Novelle verfolgte Ökologisierungsansatz findet als Ausnahme vom Kartellverbot Eingang in den Rechtsbestand. Im Allgemeinen sind Kartelle vom Kartellverbot ausgenommen, wenn die Verbraucher – vereinfacht gesagt – an dem durch die unternehmerische Kooperation entstehenden Effizienzgewinn angemessen beteiligt werden. In Zukunft gelten Verbraucher auch dann als angemessen beteiligt, wenn die mit einer unternehmerischen Kooperation einhergehenden Effizienzgewinne zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft wesentlich beitragen.

Grundsätzlich soll die Ausnahmebestimmung also unternehmerische Kooperationen zum Zweck einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft ermöglichen und vom Kartellverbot freistellen. Zur Beurteilung dessen knüpft der Gesetzgeber – und das ist durchaus neu – perspektivisch nicht unmittelbar an den einzelnen Verbraucher an, sondern lässt die Allgemeinwirkung einer klimaneutralen Wirtschaft – wenn auch erst für zukünftige Generationen – als kartellrechtlichen Ausnahmegrund ausreichen. Um den Freistellungstatbestand zu erfüllen, müssen die Effizienzvorteile demnach nicht mehr unmittelbar an die Verbraucher weitergegeben werden. Ein Effizienzgewinn soll vielmehr bereits anzunehmen sein, wenn die Vereinbarung einen „wesentlichen“ Beitrag zur ökologischen Nachhaltigkeit bzw Klimaneutralität leistet.

Zusammenschlusskontrolle

Das KaWeRÄG 2021 führt eine neue „zweite“ Inlandsumsatzschwelle ein, wonach in Zukunft ein Zusammenschluss nur dann in Österreich anmeldepflichtig ist, wenn mindestens zwei der beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr einen Umsatz von jeweils mehr als EUR 1 Million in Österreich erzielt haben. Es werden in Zukunft also – so jedenfalls die Grundregel – insbesondere jene Zusammenschlüsse von einer Anmeldepflicht befreit, bei welchen das Zielunternehmen lediglich geringe „Bagatellumsätze“ in Österreich erzielt.

Zudem wird mit dem KaWeRÄG 2021 ein neuer Prüfungsmaßstab für Zusammenschlüsse implementiert. Bisher war ein Zusammenschluss lediglich dann zu untersagen, wenn dadurch eine marktbeherrschende Stellung entsteht oder verstärkt wird. Dieser Prüfungsmaßstab wird insofern erweitert, als in Zukunft ein Zusammenschluss auch dann zu untersagen ist, wenn zu erwarten ist, dass wirksamer Wettbewerb erheblich behindert wird. Damit wird der bereits aus der EU-Fusionskontrolle bekannte SIEC-Test („Significant Impediment to effective Competition“) im Wesentlichen auch in das österreichische Recht übernommen. Gleichzeitig werden mit der Novelle aber auch die Rechtfertigungsgründe (grundsätzlich zu untersagender Zusammenschlüsse) insofern erweitert, als die bisher kumulativ vorausgesetzten Kriterien der Erhaltung/Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit einerseits sowie der volkswirtschaftlichen Erforderlichkeit andererseits getrennt werden. Mit anderen Worten soll in Zukunft jeder dieser Ausnahmegründe für sich alleine rechtfertigend herangezogen werden können.

Marktmachtkriterien der Plattformökonomie

Als marktbeherrschend gilt ein Unternehmen dann, wenn es als Anbieter oder Nachfrager eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung aufweist. Das KaWeRÄG 2021 ordnet hierbei nun ausdrücklich die Berücksichtigung der Bedeutung von Vermittlungsdienstleistungen eines Unternehmens (Gatekeeper) für den Zugang anderer Unternehmer zu Beschaffungs- oder Absatzmärkten, den Zugang zu wettbewerblich relevanten Daten sowie den aus Netzwerkeffekten gezogenen Nutzen an. Damit wird das Ziel verfolgt, jene Besonderheiten ausdrücklich gesetzlich zu verankern, die den in der Digitalökonomie wichtigen Plattformen (als Gatekeeper) eine strategisch besonders günstige Marktposition vermitteln und mit welchen eine gewisse Missbrauchsanfälligkeit einhergeht. Zudem wird den Amtsparteien und Regulatoren die Möglichkeit gegeben, bei berechtigtem Interesse (außerhalb eines formalen Marktmachtmissbrauchsverfahrens) die marktbeherrschende Stellung von Gatekeepern gerichtlich feststellen zu lassen.

Umsetzung der „ECN+“ - Richtlinie (EU) 2019/1

Die Richtlinie (EU) 2019/1 zielt auf die Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften ab. In Österreich besteht Umsetzungsbedarf insbesondere hinsichtlich der Vorschriften betreffend Geldbußen und Zwangsgelder. Hier kommt es zu einer teilweisen Erweiterung der Tatbestände und es werden Sonderbestimmungen für Unternehmensvereinigungen sowie Unterbrechungs- bzw Hemmungsregeln der Verjährung eingeführt.

Fazit

Das KaWeRÄG 2021 bringt wesentliche Neuerungen mit sich. Besonders hervorzuheben ist die neue „zweite“ Inlandsumsatzschwelle bei der Beurteilung einer Anmeldepflicht von Zusammenschlüssen, welche eine spürbare Reduktion der anmeldepflichtigen Zusammenschlüsse in Österreich erwarten lässt. Freilich wirft die Novelle aber auch zahlreiche Fragen für die Rechtsanwendung auf. Das gilt etwa für die ökologische Ausnahme vom Kartellverbot. Hier sind noch einige Fragen offen, welche der konkretisierenden Auslegung durch die Entscheidungspraxis bedürfen.


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Dr. Lukas Reiter

Dr. Lukas Reiter

Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal

Lukas Reiter ist Rechtsanwaltsanwärter im Bereich Kartellrecht, Sanktionen, Trade und Beihilfenrecht bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk.