Besteht der Verdacht, dass sich eine Arbeitnehmerin bzw ein Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeberin bzw dem Arbeitgeber treu- bzw vertragswidrig verhält (zB Vortäuschung eines Krankenstands), und will die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber dies beweisen, so denkt sie bzw er spätestens jetzt an den Einsatz eines Privatdetektivs.
In seiner Entscheidung vom 25.03.2021, 8 ObA 8/21s, klärt der OGH die Frage, ob ein Schadenersatzanspruch einer Arbeitgeberin bzw eines Arbeitgebers für Detektivkosten gegenüber einer Arbeitnehmerin bzw einem Arbeitnehmer besteht, die ihren bzw der seinen Krankenstand nur vorgetäuscht hat.
Der beklagte Arbeitnehmer war zuletzt regelmäßig im Krankenstand. Der Arbeitgeber vermutete – obwohl der Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorlegte – eine „vorgespielte“ Arbeitsunfähigkeit und engagierte eine Privatdetektei. Diese nahm sodann ihre Ermittlungen auf und stellte fest, dass der arbeitsunfähig gemeldete Arbeitnehmer ausgiebig seine Freizeit genoss. Er ließ sich gegen Mittag von zu Hause abholen, fuhr anschließend in ein Kaffeehaus, welches er mit Freunden gegen 15:30 Uhr verließ und kehrte erst um 1:48 Uhr des Folgetags nach Hause zurück. Dies teilte die Detektei am umgehend dem Arbeitgeber mit, der diese anwies, den Arbeitnehmer weiter zu observieren. Auch an den darauffolgenden Tagen stellte die Detektei beim angeblich erkrankten Arbeitnehmer ein ähnlich ausgiebiges Freizeitleben fest. Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse der Observation entschied der Arbeitgeber, dass diese eingestellt wird. Unmittelbar danach sprach er gegenüber dem Arbeitnehmer die Entlassung aus. Zusätzlich forderte er vom Arbeitnehmer den vollständigen Ersatz der von ihm getragenen Detektivkosten.
Ein Ersatz der Detektivkosten durch eine Arbeitnehmerin bzw einen Arbeitnehmer setzt voraus, dass ein „adäquater typischer Kausalzusammenhang“ zwischen den von der Arbeitgeberin bzw vom Arbeitgeber getätigten Nachforschungskosten und den tatsächlichen, dh konkreten Anhaltspunkten für ein vertragswidriges Verhalten, bestehen. Die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber darf deshalb nicht willkürlich oder auf Grundlage von wagen Vermutungen Ausgaben tätigen und hoffen, dass ihr bzw ihm diese später von der Arbeitnehmerin bzw vom Arbeitnehmer ersetzt werden.
Darüber hinaus wird vorausgesetzt, dass die Ermittlungen objektiv notwendig sind und, dass der Einsatz von privaten Ermittlern notwendig war, um die entsprechenden Informationen zu erhalten bzw das vertragswidrige Verhalten aufzudecken. Jene Überwachungskosten, die offenkundig überflüssig bzw von vornherein aussichtslos oder erkennbar unzweckmäßig sind, muss nicht ersetzt werden. Überflüssig sind Kosten jedenfalls dann, wenn Umstände auch anderweitig leicht zu beweisen gewesen wären, bzw Kosten in jenen Fällen, in denen sich der Verdacht im Nachhinein nicht bestätigt hat.
Darüber hinaus war der OGH mit den nachstehenden drei besonderen Fragestellungen konfrontiert:
Der als Voraussetzung angeführte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, dass ersatzfähige Ermittlungsausgaben nicht nur grundsätzlich, sondern auch im jeweiligen Umfang notwendig sind. Im konkreten Fall stellten die Ermittler schon am ersten Tag fest, dass sich der Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt zu Hause aufhielt, sondern sich mit Freizeitvergnügungen beschäftigte. Daher argumentierte der Arbeitnehmer, dass alle nachfolgenden Ermittlungen nicht mehr notwendig waren und diese Ermittlungskosten ihm daher nicht angelastet werden können.
Der OGH sprach hierzu aus, dass die Ermittlungstätigkeit an den beiden nachfolgenden Tagen notwendig war. Dies deshalb, weil sich der Arbeitnehmer gegen einen einmaligen Verstoß noch wirksam - gerichtlich - wehren könnte. Insbesondere sei es auch möglich, dass die Ergebnisse der ersten Beobachtung aufgrund eines Wahrnehmungsfehler oder eines Zufalls entstanden sind. Erst wenn die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber fundierte Beweise (über die vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit) über einen längeren Zeitraum vorlegen kann, ist die Ermittlungstätigkeit abgeschlossen. Bis dahin sind entstehende Kosten notwendig und damit ersatzfähig. Außerdem stellte der OGH fest, dass eine dreitägige Überwachung nicht als exorbitant lang anzusehen ist. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass der Arbeitgeber durch seine Entgeltfortzahlungsverpflichtung finanziell erheblich belastet wird und daher eine entsprechend tiefgründige Ermittlung zulässig ist.
Im gegenständlichen Fall forderte der Arbeitgebergeber einen Kostenersatz, der das monatliche Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers „um ein Vielfaches“ überstiegen hat. Der Arbeitgeber hatte für die insgesamt dreitägige Observation rund EUR 8.000,00 (netto) an die Detektei gezahlt. Der OGH entschied, dass dem Arbeitgeber der geforderte Kostenersatz zur Gänze zusteht. Er betont, dass es im Arbeitsrecht keinen allgemeinen Grundsatz gibt, wonach ein Schadenersatz grundsätzlich auf das monatliche Einkommen beschränkt ist bzw das monatliche Einkommen bei der Ersatzpflicht berücksichtigt werden muss.
Unabhängig davon, dass für den Ersatzanspruch zunächst keine Obergrenze existiert, gilt der Grundsatz der Schadensminderungspflicht. Hierbei ist der Geschädigte verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten. Der Schädiger muss beweisen, dass der Geschädigte diese Schadensminderungspflicht nicht (ausreichend) beachtet hat und in welcher Höhe der eingetretene Schaden hätte gemindert werden können, wenn diese Verpflichtung beachtet worden wäre. Im konkreten Streitfall wurde festgestellt, dass der dem Arbeitgeber in Rechnung gestellte und von ihm gezahlte Betrag das übliche Preisniveau von Detekteien nicht überschritt. Aus der nicht unbeträchtlichen Höhe des Rechnungsbetrags kann nicht gefolgert werden, dass der Arbeitgeber seine volle Zahlungspflicht gegenüber der Detektei mit Erfolg bestreiten hätte können. Somit liegt die Beweislast beim Arbeitnehmer als Schädiger zu behaupten und nachzuweisen, dass der Arbeitgeber konkret die Schadensminderungspflicht verletzt hat, was der Arbeitnehmer jedoch nicht getan hat.
Hat eine Arbeitgeberin bzw ein Arbeitgeber ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Arbeitnehmerin bzw ein Arbeitnehmer einen Krankenstand nur vortäuscht, kann sie bzw er sich durch den Einsatz einer Detektei Klarheit verschaffen. Werden in der Folge tatsächlich Pflichtverletzungen der Arbeitnehmerin bzw des Arbeitnehmers nachgewiesen, kann die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber den Ersatz der Detektivkosten fordern. Ob die Dauer der Observation und die damit verbundenen Kosten objektiv notwendig waren, ist im Einzelfall zu beurteilen. Eine Kostenersatzobergrenze besteht grundsätzlich nicht.
Stefan Zischka ist Partner und leitet den Fachbereich Arbeitsrecht bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Arbeits- und Sozialrecht sowie Zivilprozessrecht (Litigation). Im Jahr 2017 schloss er sich JWO als Partner an. Vor JWO war Stefan Zischka als Rechtsanwalt in einer der größten Rechtsanwaltkanzleien Österreichs (CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte) und als Legal Counsel in der Erste Bank tätig.
Christina Feistritzer ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem im Arbeits- und Sozialrecht sowie Fremdenrecht.