Nach der Sozialpartnervereinbarung, die für die Beantragung der COVID-19-Kurzarbeit abzuschließen ist, darf die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber Kündigungen grundsätzlich erst nach Ablauf der einmonatigen Behaltefrist nach dem Ende der Kurzarbeit aussprechen. Eine Ausnahme hiervon sind die Kündigungen aus personenbezogenen Gründen. Dabei hat die Arbeitgeberin bzw der Arbeitgeber den Beschäftigungsstand durch die Einstellung einer neuen Arbeitnehmerin bzw eines neuen Arbeitnehmers aufrechtzuerhalten. Das OLG Linz, als Berufungsgericht, hat in seiner Entscheidung vom 12.5.2021 zu 12 Ra 33/21s beurteilt, wann ein solcher personenbezogener Kündigungsgrund vorliegt.
Der Kläger war als Dienstnehmer in der Waschstraße des Beklagten beschäftigt. Sämtliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebes waren von 2.3.2020 bis zum 13.4.2020 in Kurzarbeit. Laut Sozialpartnervereinbarung dürfen Kündigungen grundsätzlich erst nach Ablauf der einmonatigen Behaltefrist ausgesprochen werden. Allerdings sind Kündigungen von Seiten des Arbeitgebers aus personenbezogenen Gründen - verbunden mit einer Verpflichtung zur Auffüllung des Beschäftigtenstandes - zulässig.
Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete durch Arbeitgeberkündigung während der einmonatigen Behaltefrist. Diese Stelle wurde durch einen neuen Arbeitnehmer nachbesetzt. Grund für die Kündigung war, dass sich der Kläger gegenüber einer Kundin, die eine Beschädigung ihrer Kennzeichenhalterung durch die Waschanlage reklamierte, unfreundlich verhielt und - entgegen einer ausdrücklichen internen Weisung zum kostenfreien Austausch defekter Kennzeichenhalterungen - für den Austausch ein Trinkgeld verlangte. Konkret äußerte der Kläger zur Kundin, „das kostet euch jetzt mindestens zwei Kaffee“. Nachdem der Freund der Kundin gefragt hatte, wo man Kaffee kaufen könne, gab der Kläger außer Schulterzucken keine Antwort. Er blieb demonstrativ so lange bei den beiden stehen, bis ihm von den Kunden EUR 5,- ausgehändigt wurden.
Mit seiner Klage begehrt der ehemalige Arbeitnehmer eine Kündigungsentschädigung, da die Kündigung nach der Sozialpartnervereinbarung nicht zulässig gewesen sei. Das Erstgericht wies die Klage ab, weil sich aus der Sozialpartnervereinbarung kein individueller Kündigungsschutz für den einzelnen Arbeitnehmer ergebe. Daher habe dieser auch keinen Anspruch auf Kündigungsentschädigung. Das Berufungsgericht bestätigte die Klagsabweisung im Ergebnis und sprach aus, dass die Kündigung aus personenbezogenen Gründen zulässig war.
Zur Frage, ob die Sozialpartnervereinbarung einen individuellen Kündigungsschutz begründet, hat das Berufungsgericht bereits in einer seiner früheren Entscheidungen Stellung genommen: Im Einklang mit den überwiegenden, bis zum Entscheidungszeitpunkt veröffentlichten Lehrmeinungen wird ein individueller Kündigungsschutz verneint. Das Berufungsgericht setzte sich in dieser Entscheidung daher mit dieser Thematik nicht näher auseinander, zumal im gegenständlichen Fall die Frage des individuellen Kündigungsschutzes nicht entscheidungsrelevant war. Beim Kläger lag ein personenbezogener Kündigungsgrund vor, der die Kündigung bei entsprechender Auffüllung des Beschäftigtenstandes durch eine Ersatzeinstellung rechtfertigte. An das Vorliegen eines personenbezogenen Kündigungsgrundes war kein besonders strenger Maßstab anzulegen, da es sich nicht um Gründe handeln muss, die auch eine Entlassung rechtfertigen würden. In diesem Fall wäre nämlich die Differenzierung zwischen Entlassung ohne Auffüllpflicht und personenbezogener Kündigung mit Auffüllpflicht in der Sozialpartnervereinbarung überflüssig.
Was unter personenbezogenen Kündigungsgründen zu verstehen ist, wird in der Sozialpartnervereinbarung nicht näher definiert. Es bietet sich allerdings als vergleichbarer Maßstab § 105 Abs 3 Z 2 Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) an. Hier wird für die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung auch auf „in der Person des Arbeitnehmers gelegene Gründe“ Bezug genommen, wenn auch erst nach Feststellung einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung für die Arbeitnehmerin bzw den Arbeitnehmer. Diese personenbezogenen Gründe müssen eine Weiterbeschäftigung für die Arbeitgeberin bzw den Arbeitgeber in erheblichem Ausmaß als nachteilig erscheinen lassen.
Als im Verhalten der Arbeitnehmerin bzw des Arbeitnehmers gelegen, sind Pflichtverletzungen im Umgang mit Kunden geeignet, diese Kündigungsvoraussetzungen zu erfüllen, wobei die Kundenbeschwerden überprüfbar verifiziert und begründet sein müssen. Unfreundliches Verhalten gegenüber Kunden und eine herablassende Art widersprechen einer an den Bedürfnissen der Kunden orientierten Kundenbetreuung eines Dienstleistungsbetriebes. Dies führt erfahrungsgemäß zwar nicht zu einer Beschwerde, aber zum Wechsel des Anbieters.
Der Kläger diskutierte entgegen der klaren Dienstanweisung nicht nur mit der Kundin darüber, dass der Schaden nicht von der Waschstraße kommen könne, sondern war zudem auch unfreundlich. Als einmaliger Vorfall würde der vorliegende Sachverhalt noch keine personenbedingte Kündigung im Sinne der vorstehenden Ausführungen rechtfertigen, zumal er den Wechsel der Kennzeichenhalterung anstandslos vornahm. Allerdings beließ es der Kläger nicht dabei, sondern forderte "mindestens zwei Kaffee" als aufgelaufene Kosten. Weiters blieb er demonstrativ so lange stehen, bis ihm vom Kunden EUR 5,- aushändigt wurden. Die ausdrückliche interne Anordnung des Arbeitgebers war aber, dass ein kostenfreier Ersatz vorgenommen werden soll. Dieser Verstoß gegen die klaren Anweisungen des Betriebes berührt die betrieblichen Interessen in einer Weise, in der auch einem verständigen Betriebsinhaber eine Kündigung als adäquat erscheinen würde. Gerade in der Krise muss eine Arbeitgeberin bzw ein Arbeitgeber darauf vertrauen können, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kundinnen und Kunden durch ein entsprechend gutes Service an das Unternehmen binden.
Was unter personenbezogenen Kündigungsgründen während der COVID-19 Kurzarbeit zu verstehen ist, wird in der Sozialpartnervereinbarung nicht näher definiert. Als vergleichbarer Maßstab kann jedoch § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG herangezogen werden. Demnach müssen die personenbezogenen Gründe eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin bzw des Arbeitnehmers für die Arbeitgeberin bzw den Arbeitgeber in erheblichem Ausmaß als nachteilig erscheinen lassen. Dies ist im Einzelfall zu beurteilen.
Stefan Zischka ist Partner und leitet den Fachbereich Arbeitsrecht bei Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte (JWO), dem österreichischen Mitglied des globalen Anwaltsnetzwerkes Deloitte Legal. Seine Tätigkeitsschwerpunkte umfassen die Bereiche Arbeits- und Sozialrecht sowie Zivilprozessrecht (Litigation). Im Jahr 2017 schloss er sich JWO als Partner an. Vor JWO war Stefan Zischka als Rechtsanwalt in einer der größten Rechtsanwaltkanzleien Österreichs (CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte) und als Legal Counsel in der Erste Bank tätig.
Christina Feistritzer ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Jank Weiler Operenyi RA | Deloitte Legal, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im globalen Deloitte Legal Netzwerk. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen vor allem im Arbeits- und Sozialrecht sowie Fremdenrecht.