Posted: 01 Feb. 2021 6 min. read

LOSS-MAKING SUBSIDIARY ENTSCHEIDUNG IN FINNLAND

Anfang April 2020 hat der Supreme Administrative Court (SAC) in Finnland über einen Präzedenzfall ein Vertriebsunternehmen betreffend, das langfristig Verluste erwirtschaftet hat, entschieden. Aus Verrechnungspreissicht beziehen sich die wesentlichen Kernpunkte dieser höchstgerichtlichen Entscheidung nicht nur auf die Fähigkeit eines Vertriebsunternehmen Verluste zu tragen, sondern auch auf die Auswahl der zu untersuchenden Geschäftseinheit („tested party“) sowie auf die Bestimmung der relevanten konzerninternen Geschäftsvorfälle.


Sachverhalt

Die finnische Geschäftseinheit der Unternehmensgruppe ist eine Marketing- und Vertriebsgesellschaft, die Fertigerzeugnisse von Auftragsfertigern der Gruppe erwirbt und anschließend an Drittkunden am finnischen sowie baltischen Markt weiterveräußert. Weitere konzerninterne Verrechnungen umfassen etwa Lizenzgebühren und administrative Dienstleistungen. Außerdem erhält die finnische Geschäftseinheit eine konzerninterne Finanzierung.

Die finnische Geschäftseinheit erstellt Absatzprognosen, auf Basis derer die Bestellungen an die Auftragsfertiger erfolgen. Zudem ist die finnische Geschäftseinheit für die Ausführung administrativer Tätigkeiten und das Marketing auf den regionalen Märkten zuständig. Das Marktrisiko sowie das Debitorenausfallrisiko werden ebenfalls von der finnischen Geschäftseinheit übernommen. Die eingesetzten immateriellen Vermögenswerte gehören jedoch anderen Gruppenunternehmen.

Angesichts der ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Vermögenwerte, wird die Gesellschaft im Rahmen der Verrechnungspreisdokumentation der Unternehmensgruppe als „full-risk distributoreingestuft. Infolgedessen werden – unter Anwendung der TNMM zur Begründung der Fremdüblichkeit der Verrechnungspreise – die Auftragsfertiger als „tested parties“ qualifiziert. Die Zielmargen der Auftragsfertiger belaufen sich entsprechend der ausgeführten Datenbankstudie auf 2% („Full Cost Mark-Up“).

Im Zeitraum zwischen 2003–2011 hat die finnische Geschäftseinheit, bis auf das Jahr 2008, kontinuierlich negative Ergebnisse ausgewiesen. Den Verrechnungspreisdokumentationen zufolge sind die Verluste auf unvorteilhafte Marktentwicklungen, intensiven Preiswettbewerb, die wenig effiziente Organisation sowie die Kostenstruktur der Geschäftseinheit und weitere geschäftliche Gründe zurückzuführen. Die Geschäftstätigkeit wurde erstmals im Jahr 2013 profitabel.


Beurteilung durch die Abgabenbehörde

Nach Einreichung der Steuererklärungen hat die finnische Abgabenbehörde Bedenken im Hinblick auf die andauernde Verlustlage geäußert. Das zuständige Finanzamt hat vorgebracht, dass ein fremder Dritter die verlustbringende Geschäftstätigkeit nur mit einer präferentiellen Preisgestaltung oder bei Erhalt einer angemessenen Ausgleichszahlung weiterhin ausüben würde. Ferner könne eine Verrechnungspreisanalyse mit den Auftragsfertigern als zu untersuchende Geschäftseinheiten keine zuverlässige Beurteilung der Fremdüblichkeit liefern, weshalb eine neue Datenbankstudie mit der finnischen (Vertriebs-)Geschäftseinheit als „tested party“ durchgeführt wurde. Anschließend wurden die steuerpflichtigen Ergebnisse der finnischen Geschäftseinheit entsprechend den Ergebnissen der neuen Datenbankstudie erhöht.


Entscheidung des Höchstgerichts

Laut Erwägungen des SAC ist allein die Tatsache, dass eine Geschäftseinheit andauernd Verluste erleidet, kein Nachweis für eine fehlende bzw unangemessene Vergütung. Vielmehr könnte die Verlustsituation als Ausgangspunkt für eine weitergehende Prüfung der Verrechnungspreisgestaltung in Zusammenhang mit den Marktgegebenheiten dienen.

Im Einklang mit den OECD-Verrechnungspreisleitlinien bringt das SAC vor, dass bei Anwendung der TNMM die Auswahl der zu untersuchende Geschäftseinheit der Funktions- und Risikoanalyse entsprechen soll. Im Wesentlichen soll jene Geschäftseinheit untersucht werden, für die sich eine Verrechnungspreismethode am verlässlichsten anwenden lässt und für welche die verlässlichsten Vergleichswerte zu finden sind. Daher ist an dieser Stelle die „weniger komplexe“ Geschäftseinheit heranzuziehen. Ausgehend davon und im Hinblick auf das bereits erläuterte Funktions- und Risikoprofil der finnischen (Vertriebs-)Geschäftseinheit, ist die Vorgehensweise der Abgabenbehörde zur Ermittlung der fremdüblichen Nettomarge der finnischen Geschäftseinheit im gegenständlichen Fall nicht korrekt; nicht die finnische Geschäftseinheit, sondern die Auftragsfertiger sind die zu untersuchenden Geschäftseinheiten („tested parties“).

Darüber hinaus wurde der finnischen (Vertriebs-)Geschäftseinheit die Verrechnung eines der Verrechnungspreisdokumentation widersprechenden konzerninternen Preises nicht vorgeworfen. Die Datenbankstudie der Geschäftseinheit selbst sowie die darin enthaltenen Vergleichsunternehmen hat die Abgabenbehörde nicht aufgegriffen. Unter diesen Umständen und in Anbetracht der vorgebrachten Begründung seitens der finnischen Geschäftseinheit gab es nach Ansicht des SAC keine sachlichen Gründe für etwaige Anpassungen der Verrechnungspreise sowie der erzielten Einkünfte.


Conclusio

Aus dieser Entscheidung des finnischen SAC geht hervor, dass die Grundsätze der OECD-Verrechnungspreisleitlinien sowie die Verrechnungspreispolitik eines Unternehmens (bzw einer Unternehmensgruppe) auch im Fall einer langanhaltenden Verlustsituation zu beachten sind. Die negativen Ergebnisse einer Vertriebsgesellschaft an sich stellen keine schlüssige Rechtfertigung etwaiger Anpassungen durch die Abgabenbehörde dar. Zusätzlich soll die Abgabenbehörde den konkreten Bezug zu der anzupassenden konzerninternen Transaktion erkennbar machen, um eine etwaige Verrechnungspreisanpassung zu untermauern.

Der SAC betont zudem wie entscheidend es ist, dass die Verrechnungspreisdokumentation die tatsächlichen Verhältnisse in der Unternehmensgruppe widergibt. Dadurch wird es dem Unternehmen, wie im vorliegenden Fall, möglich, die umgesetzte Verrechnungspreispolitik zu verteidigen.


Ihr Kontakt

Sabina Panekova, LL.B.

Sabina Panekova, LL.B.

Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Sabina Panekova ist in der Steuerberatung im Transfer Pricing Team bei Deloitte Wien beschäftigt. Als Teil des Verrechnungspreis Teams unterstützt sie in der Beratung von multinational agierenden Unternehmen. Ihre Tätigkeiten umfassen die Erstellung von Verrechnungspreisdokumentationen und der Beantwortung verrechnungspreisspezifischer Fragestellungen.