Posted: 17 Feb. 2021 5 min. read

OGH ZUR BILDUNG VON RÜCKSTELLUNGEN FÜR PROZESSKOSTEN

Im Beschluss vom 25.06.2020 (6Ob72/20m) befasste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage, ob die Bildung einer Rückstellung für Prozesskosten für ein am Bilanzstichtag noch nicht anhängiges Verfahren allein durch die Annahme, dass eine Auseinandersetzung zukünftig vor Gericht ausgetragen wird, gerechtfertigt ist.
 

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall behauptet die ehemalige Geschäftsführerin der beklagten Gesellschaft, dass durch die unzulässige Bildung einer Prozesskostenrückstellung der Bilanzgewinn der Gesellschaft gemindert und somit eine Gewinnausschüttung verhindert wurde. Die beklagte Partei wies den Vorwurf mit der Begründung zurück, dass die Rückstellung aufgrund der Forderungen der Klägerin gebildet wurde, da zum Bilanzstichtag die Wahrscheinlichkeit einer gerichtlichen Auseinandersetzung bestand.
 

Entscheidung des OGH

Der OGH ist zu dem Entschluss gekommen, dass Rückstellungen für künftige Prozesskosten für ein am Bilanzstichtag noch nicht anhängiges Verfahren grundsätzlich nicht gebildet werden können, da noch keine rechtliche Pflicht zur Kostentragung entstanden ist und die Prozesskosten somit nicht im abgelaufenen Geschäftsjahr wirtschaftlich verursacht wurden. Somit sind die wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die für eine Rückstellungsbildung vorliegen müssen, nicht erfüllt.

Für die rechtmäßige Bildung einer Prozesskostenrückstellung für die erste Instanz muss vielmehr bereits zum Bilanzstichtag eine Klage anhängig sein, für eine spätere Instanz ein Rechtsmittel erhoben worden sein. Die wesentlichen Tatbestandsmerkmale zur Rückstellungsbildung können allenfalls auch dann als erfüllt angesehen werden, wenn (unter Würdigung der Gesamtumstände) die zukünftige Einbringung der Klage bzw. in späterer Instanz die Erhebung des Rechtsmittels als selbstverständlich gilt und dadurch nur noch eine rein formale Handlung darstellt. Das ist bei einem Rechtsmittelverfahren nicht der Fall, solange die das anhängige Verfahren in der Instanz abschließende Entscheidung noch nicht ergangen ist. Liegt sie aber zum Bilanzstichtag vor, dann kann die tatsächliche Rechtsmitteleinlegung als sogenannter werterhellender Faktor berücksichtigt werden.

Im vorliegenden Fall wurde zum Bilanzstichtag noch keine Klage erhoben und die Klagseinbringung konnte auch nicht als rein formale Handlung angenommen werden. Zwar hat die Klägerin bereits mitgeteilt, dass sie die Forderung weiterhin durchsetzen wird, jedoch wurden auch danach noch mehrere Schreiben mit Lösungsvorschlägen unterbreitet. Der OGH bestätigte somit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die angeklagte Gesellschaft die Prozesskostenrückstellung unzulässig gebildet hatte.
 

Fazit

Nach vorliegender Rechtsprechung stellt die alleinige Annahme, dass zukünftig ein Gerichtsverfahren eingeleitet wird, keinen Grund für die Bildung einer Prozesskostenrückstellung dar. Vielmehr ist es grundsätzlich notwendig, dass zum Bilanzstichtag bereits eine Klage erhoben oder in einer späteren Instanz ein Rechtsmittel eingereicht wurde. Mit der Einbringung der Klage oder der Erhebung des Rechtsmittels sind die wesentlichen Tatbestandmerkmale für die Rückstellungsbildung erfüllt und die Prozesskosten dem abgelaufenen Geschäftsjahr wirtschaftlich zuzuordnen. Zudem können die Voraussetzungen für die Bildung einer Prozesskostenrückstellung erfüllt sein, wenn sich die Einbringung der Klage oder die Erhebung eines Rechtsmittels nur noch als selbstverständliche und somit rein formale Handlung darstellt.
 


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Janett Chung, BA

Janett Chung, BA

Consultant | Deloitte Österreich

Janett Chung ist in der Steuerberatung im Bereich Business Process Services bei Deloitte Wien tätig.