Posted: 24 Nov. 2021 5 min. read

VWGH: PFLICHT ZUR GLÄUBIGERGLEICHBEHANDLUNG

Überblick

In der Entscheidung vom 23.4.2021 beschäftigte sich der VwGH mit der Haftung einer Geschäftsführerin bzw eines Geschäftsführers (Gf) im Zusammenhang mit nicht geleisteten Abgabenzahlungen und thematisierte dabei die Gleichbehandlungspflicht von Gläubigern bei der Tilgung von Steuerschulden und Verbindlichkeiten bei Zahlungen durch Dritte (VwGH 23.4.2021, Ra 2020/13/0108).

Sachverhalt

Mittels Haftungsbescheid wurde ein Gf zur Entrichtung des bestehenden Abgabenrückstandes der Gesellschaft gemäß § 9 BAO herangezogen. Im in der Folge geführten Beschwerdeverfahren argumentierte dieser, dass die vor der Insolvenzeröffnung durchgeführten Zahlungen bereits von dritter Seite erfolgten. Das BFG gab der Beschwerde statt und hob den Bescheid mit der Begründung auf, dass dem Gf keine liquiden Mittel der Gesellschaft zur Verfügung standen, um die Abgabenforderungen zu decken. Mangels liquider Mittel habe der Gf daher auch keine abgabenrechtlichen Pflichten verletzt. Für die Beurteilung des Verschuldens des Gf ist zu beachten, dass er zur Zahlung der Verbindlichkeiten Mittel aus seinem Privatvermögen verwendet hat und daher mangels Verwendung von Geschäftsmittel zur anteiligen Abgabenentrichtung die aus privaten Mittel geleisteten Zahlungen außer Betracht zu bleiben hätten. Gegen das BFG-Erkenntnis wurde eine außerordentliche Amtsrevision eingebracht.

Erkenntnis des VwGH

Nach der ständigen Rechtsprechung ist es die Aufgabe des bzw der Gf, nachzuweisen, weshalb sie bzw er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die angefallenen Abgaben der Gesellschaft entrichtet wurden. Sollte dieser Pflicht nicht nachgekommen und keine Begründung hierfür dargelegt werden, darf von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden, die auch als ursächlich für die Uneinbringlichkeit gilt. Der bzw die Gf haftet daher für die nicht entrichteten Abgaben, außer sie bzw er kann nachweisen, dass die Abgabenschulden im Verhältnis nicht schlechter behandelt wurden, als bei anteiliger Verwendung der vorhandenen Mittel für die Begleichung aller Verbindlichkeiten (Gläubigergleichbehandlungsgebot).

Der VwGH differenziert in seiner Entscheidung in Hinblick auf die Haftung des Vertreters bei Verwendung von Geldmittel durch Dritte zwischen der möglichen Einflussnahme des Vertreters auf die Finanzmittel. Erfolgt die Zahlung an einen Gläubiger des Abgabenpflichtigen durch einen Dritten und kann der Vertreter keinen Einfluss auf die Verwendung der Mittel nehmen, kommt es zu keiner Haftung seitens des Vertreters mangels Verstoßes gegen das Gläubigergleichbehandlungsgebot. Zahlt ein Dritter an einen Gläubiger auf Anweisung des Vertreters, so kann der Vertreter Einfluss auf die Zahlungen nehmen und ist somit zur Gleichbehandlung der Verbindlichkeiten verpflichtet. Sollte diese Pflicht nicht erfüllen werden, führt dies zur Haftung.

Ähnliches gilt für Zahlungen des Vertreters aus eigenen Mitteln: Leistet der Vertreter Zahlungen aus eigenen Mitteln an die Gläubiger des Abgabenpflichtigen in Erfüllung einer Verbindlichkeit des Vertreters gegenüber der Gesellschaft, werden dem Abgabenpflichtigen Geldmittel zur Verfügung gestellt und die Verpflichtung zur Gleichbehandlung der Gläubiger muss berücksichtigt werden. Auch bei einem bloßen Zur-Verfügung-Stellen der Mittel seitens des Vertreters, ohne dadurch eigene Verbindlichkeiten gegenüber dem Abgabenpflichtigen zu erfüllen, besteht die Pflicht zu Gleichbehandlung der Gläubiger.

Fazit

Um eine etwaige Haftung des Vertreters bei Zahlungen von Dritten zu begründen, ist zu prüfen, inwieweit der Vertreter Einfluss auf diese Zahlungen an Gläubiger des Abgabenpflichtigen nehmen kann. Werden Verbindlichkeiten durch Dritte beglichen und hat der Vertreter kein Bestimmungsrecht zur Verwendung der Geldmittel, kommt es nach Ansicht des VwGH zu keiner Haftung seitens des Vertreters. Sollte jedoch der Vertreter Einfluss auf die Zahlungen von Dritten (bzw von ihm selbst geleistete) nehmen können, stehen dem Unternehmen Geldmittel zur Verfügung und es ist das Gleichbehandlungsgebot der Gläubiger zu berücksichtigen. Werden die Gläubiger anteilig nicht gleichbehandelt, haftet der Vertreter für die fälligen Abgaben und kann zu dessen Zahlung herangezogen werden.


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Ihr Kontakt

Mag. Madeleine Grünsteidl, LL.B. (WU), LL.M. (NYU)

Mag. Madeleine Grünsteidl, LL.B. (WU), LL.M. (NYU)

Manager Steuerberatung | Deloitte Österreich

Madeleine Grünsteidl ist Steuerberaterin bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Verfahrens- und Finanzstrafrecht, in der Beratung von Privatpersonen (Private Clients) sowie Körperschaften und im internationalen Steuerrecht. Zudem ist sie spezialisiert auf Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Wirtschaftliche Eigentümer-Registergesetz. Sie ist regelmäßig als Fachautorin und Fachvortragende tätig.

Alexandra Wochner, BA

Alexandra Wochner, BA

Assistant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Alexandra Wochner ist Berufsanwärterin in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht und Rechtsmittelverfahren.