Posted: 23 Jul. 2021 5 min. read

VWGH: RESSORTVERTEILUNG BEI GESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNG RELEVANT!

Vorbemerkung

In Krisenzeiten erlangt die Möglichkeit der Abgabenbehörde, Organmitglieder für uneinbringliche Abgaben der von ihnen vertretenen Gesellschaft zur Haftung heranzuziehen, große praktische Bedeutung. In diesem Zusammenhang kommt es oftmals vor, dass mehrere Personen mit der Geschäftsführung betraut wurden, sodass sich damit einhergehend die Frage stellt, welcher Geschäftsführer zur Haftung herangezogen werden kann. Genau diese Rechtsfrage der Haftungsinanspruchnahme bei mehreren Vertretern einer GmbH wurde in zwei aktuellen Revisionsverfahren an den VwGH herangetragen, welcher in seinen dazu ergangenen Erkenntnissen (VwGH 31.12.2020, Ra 2020/13/0084 sowie VwGH 1.2.2021, Ra 2020/13/0087) klare Aussagen getroffen hat.

Sachverhalt

Die Revisionswerberin wurde in beiden Fällen als ehemalige Geschäftsführerin einer GmbH mittels Haftungsbescheid für ausstehende Abgabenschuldigkeiten in Anspruch genommen, da ein Insolvenzverfahren (vormals Konkursverfahren) über die GmbH, bei welcher sie die Geschäftsführung innehatte, mangels Kostendeckung aufgehoben wurde. In der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid wurde vorgebracht, dass neben der Revisionswerberin auch weitere Personen als Geschäftsführer bestellt waren und sie darüber hinaus gar nicht für die abgabenrechtlichen Belange der Gesellschaft zuständig gewesen sei. Das BFG gab der Beschwerde nicht Folge und begründete die rechtmäßige Haftungsinanspruchnahme damit, dass die Revisionswerberin die Tätigkeit des für die abgabenrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Geschäftsführers überprüfen hätte müssen, was von ihr jedoch nicht erfolgt sei. Zur Tatsache, wer intern für die Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen zuständig war, traf das BFG keine Feststellungen. Dagegen richtete sich die gegenständliche Revision.

Entscheidung des VwGH

Nach der ständigen Rsp des VwGH tritt bei Vorliegen einer Geschäftsverteilung die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit denjenigen Geschäftsführer, der mit der Besorgung der betroffenen Angelegenheiten betraut ist. Demnach ist der von den steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Dieser ist nur dann zur Haftung heranzuziehen, wenn für ihn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des mit der Wahrnehmung der steuerlichen Gebarung betrauten Geschäftsführers zu zweifeln und er dennoch nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen. Ihn trifft allerdings keine Haftung, wenn triftige Gründe der Erfüllung seiner abgabenrechtlichen Pflichten entgegengestanden sind. Diese Kriterien sind in die Ermessensübung der Abgabenbehörde bei der Haftungsinanspruchnahme einzubeziehen. Mangels Feststellungen bzw einer hinreichenden Begründung in dieser Hinsicht, erwiesen sich die gegenständlichen Haftungsinanspruchnahmen als rechtswidrig, sodass die Erkenntnisse des BFG aufzuheben waren.

Fazit

Kommen mehrere organschaftliche Vertreter einer juristischen Person als Haftungspflichtige in Frage, ist für die Haftungsinanspruchnahme maßgeblich, wer mit den abgabenrechtlichen Angelegenheiten betraut wurde. Um einer Haftungsinanspruchnahme bzw einem Rechtsstreit mit dem Fiskus vorzubeugen, ist zu empfehlen, dass bei mehreren Geschäftsführern einer juristischen Person eine klare und unzweifelhafte Aufgabenverteilung vereinbart wird, zumal nur einer solchen Beweiskraft beigemessen werden kann. Unabhängig davon darf die Abgabenbehörde nicht ohne weiteres jeden Geschäftsführer zur Haftung heranziehen, sondern hat vielmehr die Gründe für die Haftungsinanspruchnahme und vor allem ihre Ermessensübung hinreichend zu begründen, widrigenfalls die Geltendmachung der Haftung rechtswidrig erfolgte. Dies gilt auch, wenn keine Aufgabenverteilung vereinbart wurde, zumal eine Haftung nur dann in Frage kommt, wenn Gründe vorliegen, an der Ordnungsmäßigkeit des anderen – mit der Wahrnehmung der steuerlichen Angelegenheiten bestellten – Geschäftsführers zu zweifeln und keine Maßnahmen ergriffen werden.


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Philip Predota, LL.M. (WU)

Philip Predota, LL.M. (WU)

Senior Consultant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Philip Predota ist Berufsanwärter in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Abgabenverfahrensrecht, Rechtsmittelverfahren und Finanzstrafrecht.