Posted: 10 Mar. 2021 6 min. read

VWGH ZUR GEBÜHRENPFLICHT BEI GRUNDSTÜCKSSCHENKUNGEN UNTER VORBEHALT DES FRUCHTGENUSSRECHTS UND ZAHLUNG EINER SUBSTANZABGELTUNG

Der VwGH entschied in zwei parallel ergangenen Erkenntnissen (VwGH 3.9.2020 Ra 2020/16/0112 & Ra 2020/16/0109) über die Frage, ob die Zahlung einer Substanzabgeltung im Rahmen einer Grundstücksschenkung unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechts zur Entgeltlichkeit und somit Gebührenpflicht der Dienstbarkeitseinräumung führt und ob in diesem Fall aufgrund der Entrichtung der Grunderwerbsteuer die Gebührenbefreiung anwendbar ist.
 

Sachverhalt

Ausgangspunkt des gegenständlichen Verfahrens war die Schenkung einer Liegenschaft des Beschwerdeführers an seine Tochter unter Vorbehalt eines lebenslangen Fruchtgenussrechtes. Im Schenkungsvertrag hat sich der Beschwerdeführer zur Leistung einer Substanzabgeltung in Höhe der auf die Liegenschaft entfallenden jährlichen steuerlichen Abschreibung an seine Tochter verpflichtet. Das zuständige Finanzamt betrachtete die an die Tochter zu leistende Substanzabgeltung als Gegenleistung für das Fruchtgenussrecht. Damit sah das Finanzamt die getroffene Vereinbarung als entgeltliche Dienstbarkeit an, die eine Gebührenpflicht iHv 2% des kapitalisierten Wertes der auf Lebenszeit zu leistenden Zahlungen auslöst. Das Finanzamt versagte eine Befreiung von der Gebührenpflicht, die zur Anwendung gelangen würde, wenn ein und dasselbe Rechtsgeschäft mit Rechtsgebühr und Verkehrsteuer (im gegenständlichen Fall wurde im Zuge der Schenkung Grunderwerbsteuer abgeführt) belastet ist, mit der Begründung, dass die Schenkung und die Einräumung des Fruchtgenussrechts zwei getrennt voneinander zu betrachtende Rechtsgeschäfte darstellen.

Der entsprechend ergangene Bescheid wurde vom Beschwerdeführer mit der Argumentation bekämpft, dass das vereinbarte Fruchtgenussrecht und die Substanzabgeltung zwar im selben Vertrag vereinbart wurden, aber nicht in einem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zueinander stünden und somit nicht von einer Entgeltlichkeit der Dienstbarkeitseinräumung ausgegangen werden kann. Weiters brachte der Beschwerdeführer vor, dass eine Gebührenpflicht schon deshalb ausgeschlossen sei, weil  der Entfall der Gebührenpflicht bei grunderwerbssteuerpflichtigen Rechtsgeschäften wie der gegenständlichen Schenkung gesetzlich angeordnet wird.

Rechtsansicht des BFG

Vor dem BFG konnte der Beschwerdeführer mit seiner Argumentation nicht durchdringen. Das Gericht sah in der Vereinbarung ein gebührenpflichtiges Austauschverhältnis. Der Gebührenbefreiung stünde laut der Entscheidung des BFG die Tatsache entgegen, dass es sich bei der Schenkung des Grundstückes einerseits um den  Austausch von Substanzabgeltungen gegen das Fruchtgenussrecht an der Liegenschaft und andererseits um zwei voneinander unabhängige Rechtsgeschäfte handle.
 

Entscheidung des VwGH

Der Verwaltungsgerichtshof beurteilte die fraglichen Vereinbarungen anders als das BFG. Da die Einheit von Rechtsgeschäften vorrangig nach dem Willen der Parteien zu beurteilen ist und keine Anhaltspunkte vorlagen, dass die Einräumung eines Fruchtgenussrechtes auch unabhängig von der Schenkung der Liegenschaft in Betracht gezogen worden wäre, ging der VwGH von einem einheitlichen Rechtsgeschäft aus. Da dieses Rechtsgeschäft bereits der Grunderwerbsteuer unterworfen war, war das Rechtsegschäft von einer weiteren Gebührenpflicht zu befreien.
 

Fazit

In der vorliegenden Entscheidung hielt der VwGH fest, dass aus dem Vorliegen von mehreren, scheinbar voneinander unabhängigen, Leistungspflichten innerhalb einer Vertragsurkunde gebührenrechtlich nicht zwangsläufig auf das Vorliegen mehrerer Rechtsgeschäfte geschlossen werden kann. Vielmehr ist bei der Beurteilung dieser Frage auf den Parteienwillen abzustellen. Hätten die Parteien einen Bestandteil der Vereinbarung nicht isoliert von den anderen Teilen vereinbart, kann von einem einheitlichen Rechtsgeschäft ausgegangen werden. Die Leistung der Substanzabgeltung führt zwar grundsätzlich zur Entgeltlichkeit der Dienstbarkeitseinräumung. Da für die Schenkung bereits Grunderwerbsteuer geleistet wurde und die Schenkung unter Vorbehalt des Fruchtgenussrechts ein nach dem Parteiwillen einheitliches Rechtsgeschäft darstellt, sit von einer weiteren Belastung mit Gebühren abzusehen. 



Ihr Kontakt

Paul Traar, LL.B. (WU)

Paul Traar, LL.B. (WU)

Assistant Steuerberatung | Deloitte Österreich

Paul Traar ist Assistant in der Steuerberatung bei Deloitte Wien. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der steuerlichen Beratung von Privatpersonen (Private Clients), Privatstiftungen, ausländischen Stiftungen/Trusts, Familienunternehmen sowie im Bereich der Immobilien- und Kapitalvermögensbesteuerung.